3616/J XXIII. GP

Eingelangt am 27.02.2008
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr Gabriela Moser, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

 

betreffend Ausbau des höherrangigen Straßennetzes und Klimaschutzstrategie der Bundesregierung

 

 

Die Bundesregierung verpflichtete sich auf internationaler Ebene, die Treibhausgase bis 2012 um 13 Prozent zu reduzieren. Derzeit ist die Erreichung dieses Zieles vor allem deshalb höchst gefährdet, weil im Verkehrsbereich ungebrochen ein enormer Anstieg der CO2-Emissionen zu verzeichnen ist. Seit 1990 verdoppelte sich der Ausstoß des „Klimakillers CO2“ aus dem Verkehrsbereich sogar beinahe.

 

Soll das verbindlich zugesicherte Klimaziel erreicht werden, sind vor diesem Hintergrund angesichts der Bemühungen der Industrie zur Reduktion des CO2-Ausstoßes und angesichts der Arbeitsplatzdimension von Reduktionsmaßnahmen im Produktionsbereich in erster Linie verkehrsvermindernde Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen.

 

Das Ausbauprogramm allein für die hochrangige Straßeninfrastruktur umfasst nach Ihren eigenen Angaben Investitionen im Umfang von 4,5 Milliarden Euro und zielt unter Titeln wie „Lückenschluss“ und „Ostanbindung“ auf eine Optimierung der Bedingungen für den motorisierten Verkehr, sei es der Straßengüterverkehr oder der motorisierte Individualverkehr. Erfahrungsgemäß und durch zahlreiche Studien nachgewiesen bewirken verbesserte Straßenverbindungen einen massiven Zuwachs des Verkehrsaufkommens. Das jüngste, äußerst schlagende Beispiel ist die Wiener Südostumfahrung (S1/ehem. B301), von der behauptet wurde, sie würde die Wiener Südosttangente (A23) entlasten. Bereits in der Planungs- und Bauphase haben die Grünen und seriöse VerkehrsexpertInnen an diesen absehbar falschen Versprechungen vehemente Kritik geübt. Diese Kritik wird durch die Realität postwendend bestätigt, denn es kam im Gegenteil bereits nach kürzester Zeit zu beträchtlichen Zunahmen des Gesamtverkehrs: Nunmehr fahren auf der A23 bereits mehr (!!) Fahrzeuge als vor der Eröffnung der S1, und zusätzlich fahren auf der S1 weitere 55.000 Kfz, wobei die Zahl der Schwer-LKW in Summe um mindestens 40% zugenommen hat!

Generell haben die seit kurzem vollständig verfügbaren Daten aus den automatischen Verkehrszählungen für 2007 neue Rekordzahlen erbracht, wohl nicht zufällig vor allem dort, wo besonders viel in Straßenbau investiert wird, etwa in Ostösterreich.

 

All dem stehen höchstens verschwindende Fortschritte beim CO2-Ausstoß pro Fahrzeug gegenüber.  Gemäß  der offiziellen Emissions-Berichterstattung nach Brüssel nahm wegen völlig unzureichender steuerlicher Anreize der ohnedies stagnierende Durchschnittsverbrauch und damit CO2-Ausstoß von Neu-PKW in Österreich   im   Gegensatz   zu  den  allermeisten  EU-Staaten  bei  Diesel-Kfz  zuletzt sogar zu statt ab. Auch beim LKW macht die Leistungszunahme die Verbrauchs- und damit Emissionsfortschritte pro Motor-Leistungseinheit zu einem Gutteil wett.

 

Angesichts dessen zielen die Infrastrukturmaßnahmen im Straßenbereich geradezu auf eine verstärkte CO2-Emissionen statt auf das Gegenteil ab. Damit wird letztlich der Industrie-Standort Österreich massiv gefährdet, denn die Versäumnisse im Verkehrssektor werden durch teure Zertifikatszukäufe im Industriebereich und Einschränkungen bei Standorterweiterungen teuer zu bezahlen sein.

 

Im Gegensatz zum Rahmenplan der ÖBB, der mit Ausnahme der Erhaltungs- und Reinvestitionsmaßnahmen eine klare jahresweise und projektweise zugeordnete Übersicht bietet, liegt dem Gesetzgeber seitens der ASFINAG kein detailliertes, öffentlich zugängliches Jahresausbauprogramm vor, das genau ausweist, wann bei den  einzelnen  hochrangigen  Strecken welches Bauprojekt im welchem Kostenumfang im einzelnen geplant ist und umgesetzt werden soll.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

1.      Welche der von dieser Bundesregierung gemeinsam mit den Bundesländern entwickelten Bauvorhaben im Bereich des hochrangigen Straßenbaus werden wann, in welchem Umfang und mit welchen Kosten realisiert?

(Wir ersuchen um genaue Angabe von Zeitpunkt, Baulosen und Kostenangaben gemäß ASFINAG-Bauprogramm bzw. Kostenschätzung für über dieses   Programm hinausgehende Zeiträume.)

 

2.      Nachdem  den einzelnen Projekten  konkrete  Angaben  bzw. Schätzungen über das künftige  Verkehrsaufkommen zu Grunde liegen, lässt sich daraus der Anstieg der CO2-Emissionen berechnen.

a) Welche Schätzungen  über das Verkehrsaufkommen  (wenn möglich differenziert nach PKW und LKW) liegen den einzelnen Straßenbauprojekten im hochrangigen Netz zugrunde?

b) Um wie viel liegen diese Schätzungen über dem aktuellen   Verkehrsaufkommen?

c) Wie hoch sind die durch die einzelnen Straßenbauprojekte jeweils zu erwartenden zusätzlichen CO2-Emissionen?

d) Welche Parameter hinsichtlich des CO2-Ausstosses von PKW bzw LKW pro km legen sie dieser Berechnung zugrunde?

(Wir ersuchen zu a) bis d) um genaue Angaben zugeordnet zu den einzelnen Projekten sowie um Angabe der jeweiligen Bezugsjahre.)

 

3.      Wie lassen sich diese Zunahmen mit den Zielen der nationalen Klimaschutzstrategie und den Bemühungen zu verstärktem Umweltschutz vereinbaren?

 

4.      Welche Gegenmaßnahmen zu diesem Anstieg der CO2-Emissionen sehen Sie – alleine für Ihren Wirkungsbereich, oder im Zusammenwirken mit anderen Regierungsmitgliedern – im Verkehrsbereich bzw. mit direktem Bezug zu diesem konkret vor, und welches konkrete CO2-Reduktionspotenzial wird mit jeder dieser Maßnahmen a) bis 2010, b) bis 2012 konkret sichergestellt?

 

5.      Wie beurteilen Sie vor dem Hintergrund dieser Entwicklung die Einführung von City-Mautsystemen in Ballungszentren?

 

6.      Wie beurteilen Sie vor diesem Hintergrund, dass nicht alle Spielräume der derzeitigen EU-Wegekostenrichtlinie im Zusammenhang mit Mauten sowie Mautzuschlägen im Sinne von Stau- und Umweltlenkungsgebühren genutzt werden?

 

7.      Welchen Beitrag zur Reduktion oder zur Zunahme der CO2-Emissionen haben die seit Amtsantritt dieser Bundesregierung mehrfach gesetzten Maßnahmen zur Verbilligung des LKW-Verkehrs – zB Halbierung der LKW-Kfz-Steuer, Senkung von Strafsätzen zB für LKW-Mautprellerei – im einzelnen geliefert?

 

8.      Falls Ihnen für die Beantwortung von Frage 7 nötige Daten oder Schätzungen   nicht vorliegen sollten – wieso werden anno 2007 und im Wissen um die    gewaltige bisherige Klimazielabweichung im Verkehrsbereich noch immer verkehrspolitische Maßnahmen von der Regierung und den Regierungsparteien gesetzt, ohne sich über eine Klimafolgenabschätzung dieser Maßnahmen Gedanken zu machen?

 

9.      Wie begründen Sie Ihre Zustimmung zu Maßnahmen wie den in Frage 7 erwähnten, die zu einer weiteren Zunahme der CO2-Emissionen aus dem     Verkehr beitragen?