3664/J XXIII. GP

Eingelangt am 03.03.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Ing. Kaipel

und Genossen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend aufklärungsbedürftige Vorgänge im Innenministerium

Die Enthüllungen in Medienberichten der letzten Tage (z.B. profil Nr 7/08, Seiten 16-21, Falter Nr 7/08, Seiten 8-9) um den Polizeiskandal der letzten Tage legen den Verdacht nahe, dass Dienststellen der Polizei und des BMI selbst (namentlich das BIA) instrumentalisiert wurden, um Wahlkampfzwecken der ÖVP zu dienen bzw. nach der Wahl politische Malversationen der Regierungen Schüssel I und II vor allem im Bereich der Bankenaufsicht und des Banken-U-Ausschusses zu kaschieren. So wurde in den Medien berichtet, dass Beamte des BIA im August 2006 offenbar versucht haben, im Zuge der Pflegedebatte die pflegebedürftige Mutter von Ex-Bundeskanzler Vranitzky aufzusuchen, um etwaige Hinweise auf eine (nicht vorhandene) illegale Pflege zu finden, die die ÖVP im Wahlkampf dann selbstverständlich eingesetzt hätte.

Ebenfalls soll es seitens des Ministerkabinetts im BMI mehrfach Versuche gegeben haben, der ÖVP Informationen aus den BAWAG-Verfahren zu verschaffen, bevor diese an die zu-ständigen Stellen übermittelt wurden. Auch wurde öffentlich bekannt, dass in der Groß-kreditevidenz gezielt Kredite abgefragt wurden, die die SPÖ bei der BAWAG aufgenommen hatte.

In beiden Fällen spielten die ermittelnden Sicherheitsbehörden eine zentrale Rolle, da sie die „Ermittlungen" operativ führten und hierbei unter der Leitung von InnenministerInnen der ÖVP standen. Es handelt sich hier um schwer wiegende Verdachtslagen, die nicht nur eine politische Verantwortung implizieren, sondern durchaus auch strafrechtliche Relevanz haben könnten (zu verweisen ist hier auf §§ 302, 308 und 310 StGB: Amtsmissbrauch, verbotene Intervention und Verletzung des Amtsgeheimnisses). Es liegt daher nicht nur im Interesse der Öffentlichkeit und des Parlaments, sondern hoffentlich auch des Innenministeriums selbst, zu einer Klärung der Verdachtslage beizutragen.


Die unterzeichneten Abgeordneten richten deshalb an den Herrn Bundesminister für Inneres nachstehende

Anfrage

I) Nachforschungen betreffend das Thema Pflege

1)        Gab es in den Monaten August und September 2006 weitere Versuche des BIA, Personen in einem familiären oder anderen Naheverhältnis zu SPÖ-Politikerlnnen aufzusuchen? War dies insbesondere im Burgenland der Fall? Wenn ja, wen und aus welchem Grund?

2)   Gab es seit dem Jahr 2000 Versuche, Landtagsabgeordnete bzw. Mitglieder der burgen-ländischen Landesregierung zu oberservieren oder abzuhören? Wenn ja, wen und aus welch-em Grund?

3)   Wenn ja, auf wessen Veranlassung ist dies geschehen? Wurden Weisungen seitens der Res-sortleitung (oder in deren Auftrag durch MitarbeiterInnen des MinisterInnen-Büros) erteilt und gab es hiergegen Remonstrationen der betroffenen BeamtInnen? Wie wurde mit diesen Remonstrationen verfahren? Wurden Weisungen auf Grund von Art 20 Abs 1 B-VG verweig-ert?

4)   Wie wurde mit den bei dem einen nachgewiesenen und den weiteren mutmaßlichen Be-suchen umgegangen? Wurden die Ergebnisse der Ressortleitung (oder MitarbeiterInnen des MinisterInnen-Büros) mitgeteilt? Hat die Ressortleitung (oder MitarbeiterInnen des Minister-Innen-Büros) diese Ergebnisse weitergegeben? Wenn ja, wann und an wen?

5)   Gab es diesbezüglich Absprachen der Ressortleitung (oder MitarbeiterInnen des Minister-Innen-Büros) mit anderen Mitgliedern der Bundesregierung? Wenn ja, wann und mit wem? Welchen Inhalt hatten diese Absprachen?

6)   Hat das BIA im Burgenland sonst noch gegen einen Personenkreis ermittelt, der nicht der Polizei angehört? Wenn ja, gegen welchen?

7)   Wie viele Polizisten aus dem Burgenland waren bisher dem BIA zur Dienstleistung zugeteilt und nach welchen Kriterien wurden diese ausgewählt?

8)        Wie viele jener Polizisten aus dem Burgenland, die beim BIA zur Dienstleistung zugeteilt waren, wurden anschließend bei einer Postenbesetzung berücksichtigt?

II) Sonstige unzulässige Datenerhebungen bzgl. SPÖ-Politikern

9)  Ist es insbesondere im Jahr 2006, aber auch davor, zu sonstigen Datenerhebungen über persönliche Verhältnisse von (ehemaligen und aktiven) SPÖ-Politikerlnnen gekommen, deren Ergebnis der Ressortleitung (oder MitarbeiterInnen des MinisterInnen-Büros) weitergegeben wurde? Um welche Personen hat es sich gehandelt?

10)        Wenn ja, welche Dienststellen wurden mit den Erhebungen betraut? Wurden Weisungen seitens der Ressortleitung (oder in dessen Auftrag durch MitarbeiterInnen des MinisterInnen-Büros) erteilt und gab es hiergegen Remonstrationen der betroffenen BeamtInnen? Wie wurde mit diesen Remonstrationen verfahren? Wurden Weisungen auf Grund von Art 20 Abs 1 B-VG verweigert?

11)        Wenn ja, welche Daten wurden erhoben?

12)        Wenn ja, wurden diese Informationen weitergegeben? Wann und an wen?

13)        Gab es diesbezüglich Absprachen der Ressortleitung (oder MitarbeiterInnen des Minister-Innen-Büros) mit anderen Mitgliedern der Bundesregierung? Wenn ja, wann und mit wem? Welchen Inhalt hatten diese Absprachen?

III) Unzulässige Erhebungen bezüglich Finanztransaktionen

14)        Welche Daten aus den BAWAG-Ermittlungsverfahren wurden vom Bundeskriminalamt an die Ressortleitung (oder MitarbeiterInnen des MinisterInnen-Büros) weitergegeben?

15)        Kam es in zeitlicher Nähe der Weitergabe dieser Daten zu entsprechenden Medienbericht-en? Wenn ja, wurden Daten von der Ressortleitung (oder MitarbeiterInnen des MinisterInnen-Büros) an Medien weitergegeben?

16)        Gab es bezüglich der Abfragen in der Großkreditevidenz der OeNB Absprachen zwischen BMF und BMI? Hat das BMI die Daten der Abfrage erhalten? Wenn ja, auf welchem Weg?

17)        Wurden in anderen politisch relevanten Wirtschaftsverfahren - einschließlich solcher in Bundesländern - seit dem Jahr 2000 Ermittlungsergebnisse an Medien weiter gegeben?

18)        Ist es im Zuge der Bank Burgenland-Affäre zur Weitergabe von Ermittlungsergebnissen an die Öffentlichkeit gekommen? Wenn ja, welchen Inhalt hatten diese Informationen und auf wessen Veranlassung ist dies geschehen?

19)        Gab es Abfragen von Finanzflüssen zwischen der Bank Burgenland und politischen Parteien durch die ermittelnden Behörden?

IV) Ermittlunspannen im Fall Kampusch

20)   Wurde der Ressortleitung seitens der SoKo Kampusch über den Fortgang der Ermittlung-en berichtet?

21)   Wurde im Zuge der Vertuschung der im Jahr 2006 bekannt gewordenen Ermittlungs-pannen die SoKo angewiesen, entsprechende weitere Ermittlungen zu unterlassen?

22)   Wenn ja, wer erteilte die Weisungen und wer wurde angewiesen? Gab es Remonstration-en seitens der SoKo?

23)   Sollten in der SoKo Fehler passiert sein, welche Konsequenzen wurden seitens des BMI gezogen?

24)   War Natascha Kampusch während ihrer Gefangenschaft mit ihrem Entführer im Burgen-land? Wenn ja, wo?

25)   Wurde Priklopil jemals einer Polizeikontrolle unterzogen, während Natascha Kampusch in dessen Pkw saß?

26)   Können Sie ausschließen, dass im Zuge einer Polizeikontrolle von Natascha Kampusch und Priklopil hinsichtlich ihrer Person oder ihrer Dokumente Fahndungsanfragen gestellt wurden?

27)   Wie lange können solche Anfragen zurückverfolgt werden?

28)   Wurden Anfragedateien jemals gelöscht? Wenn ja, wer ist dazu berechtigt?

29)   Wurden Kampusch und Priklopil hinsichtlich ihrer Person oder Dokumente jemals angefragt? Wenn ja, von wem, wo, wann und in welchem Zusammenhang? Wenn nein, wird um Überprüfung und  Mitteilung ersucht (ab  dem Entführungszeitpunkt von Natascha Kampusch).