3696/J XXIII. GP

Eingelangt am 04.03.2008
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ANFRAGE

 

 

des Abgeordneten Zinggl, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Landesverteidigung

 

betreffend Traditionspflege des Bundesheeres in Mittenwald und am Ulrichsberg

 

Seit mehr als 50 Jahren treffen sich zu Pfingsten Gebirgsjäger-Kameraden der Wehrmacht im bayerischen Mittenwald, um dort der gefallenen Soldaten von Gebirgsjägereinheiten zu gedenken. Eine Erwähnung der Kriegsverbrechen dieser Wehrmachtverbände findet hingegen keinen Eingang in die Feierlichkeiten. Trotz der stark rückläufigen TeilnehmerInnenzahl ist es die letzte große soldatische Feier Deutschlands mit ausdrücklichem Wehrmacht-Bezug.

 

2007 haben Sie die Teilnahme von Bundesheerangehörigen an diesen       Feierlichkeiten untersagt. Dieses längst überfällige Verbot war jedoch nicht mit einer heeresweiten Kenntnisnahme gesegnet: Mehrere Offiziere des österreichischen Bundesheeres nahmen an den Feierlichkeiten teil, wurden mit vollem Rang und    Namen begrüßt[1] und legten Kränze nieder (siehe Anhang, Bild 1). Die Anreise ging    auf Kosten des Bundesheeres, auch Heereschaffeure wurden dazu abgestellt.     Warum Ihre Weisung ignoriert wurde, argumentierten Sie 2007 wie folgt: „Der    Widerruf der Dienstreiseanordnung dürfte Obst Lasser nicht erreicht haben“ (Anfragebeantwortung 1221/AB, XXIII. GP).

Wir gehen davon aus, dass Ihr Ansinnen, die Teilnahme von Bundesheerangehörigen an diesen Feierlichkeiten zu verhindern, weiterhin aufrecht ist.

 

Wie schon 2007 sehen wir das Problem der unzureichenden Abgrenzung des Bundesheeres zu Einheiten des Dritten Reiches nicht nur in Mittenwald gegeben: Das jährliche Treffen von Veteranen von SS und Wehrmacht auf dem Kärntner Ulrichsberg wird jedes Jahr von Bundesheersoldaten begleitet. Das Heer stellt substantielle logistische Unterstützung für das Treffen bereit, indem etwa der Personentransport zur Gedenkstätte mit Bundesheerfahrzeugen sichergestellt wird, die Bundesheerkapelle aufspielt und die gespendeten Kränze von einer Bundesheer-Ehrengarde niedergelegt werden.

 

Die personelle Nähe zwischen Angehörigen der Wehrmacht und SS und dem Bundesheer schafft eine unserer Meinung nach problematische Kontinuität. Wir erlauben uns, Sie zu zitieren (Anfragebeantwortung 1221/AB, XXIII. GP):

„Die Deutsche Wehrmacht ist [...] nicht in die Traditionspflege des Österreichischen Bundesheeres einbezogen. Demnach ist eine Teilnahme von Vereinen oder Verbänden mit Bezug auf Truppen oder Truppenteile der ehemaligen Deutschen Wehrmacht sowie anderer Organisationen des Dritten Reiches zwischen 1933 und 1945 im Rahmen der Traditionspflege des Österreichischen Bundesheeres untersagt.

Ebenso dürfen Insignien derartiger Verbände, deren Nachbildungen sowie andere Symbole des Dritten Reiches bei militärischen Feiern und Veranstaltungen des Bundesheeres nicht mitgeführt werden. Eine Teilnahme von Soldaten des Bundesheeres in Uniform sowie das Mitführen von Insignien des Bundesheeres an Veranstaltungen solcher Vereine ist ebenfalls untersagt.“

Es steht für uns außer Frage, dass beim Ulrichsbergtreffen der „Bezug auf Truppen oder Truppenteile der ehemaligen Deutschen Wehrmacht“ hergestellt wird. Aus mehreren Gründen:

l        Wie hinlänglich bekannt, sind im gerade 25 Quadratmeter großen „Ehrenhain“ des Ulrichsbergs Gedenktafeln angebracht. Auf zwei Gedenktafeln prangt das Zeichen des österreichischen Bundesheeres. Auf unmittelbar daneben angebrachten Tafeln befinden sich Zeichen und Insignien von NS-Organisationen (RAD, SS etc.) und Wehrmacht (Gebirgsjäger etc.) (siehe Anhang, Bild 2 und Bild 3).

l        Bei den Feierlichkeiten 2007 wurden Insignien der flämischen SS mitgeführt, unter anderem auf Fahnenstangen und Fahnen. In unmittelbarer Nähe dazu war die Kärntner Militärkapelle aufgestellt. Das räumliche Näheverhältnis lässt sich auf weniger als drei Meter eingrenzen (siehe Anhang, Bild 4 und Bild 5).

l        In verschiedenen Medien wurde die Teilnahme der SS-Veteranenverbände an den Feierlichkeiten dokumentiert. Darin wird die alljährliche Beteiligung der ehemaligen SSler von Vertretern der Ulrichsberggemeinschaft dezidiert willkommen geheißen:
ORF, „Wie bitte“, vom 18. Sept. 2007
Internetportal youtube: http://www.youtube.com/watch?v=slMzOVBtVzI

l        Wie jedes Jahr nahmen ehemalige Wehrmachtsangehörige an den Feierlichkeiten, teilweise in Wehrmachtsuniform, teil.

 

Daneben nahmen wie jedes Jahr organisierte Neonazis, etwa VertreterInnen der belgischen Neonazi-Organisation „Voorpost“ – durch ihre Fahnen weithin sichtbar – an den Feierlichkeiten teil.

 

Die Aussage der Ulrichsberggemeinschaft, sich aktiv vom Rechtsextremismus und Rechtsradikalismus abzugrenzen, ist somit auch für 2007 nur als Lippenbekenntnis zu klassifizieren. Ob das Verteidigungsministerium nun dafür sorgt, dass sich das Bundesheer aktiv vom Rechtsextremismus und Rechtsradikalismus abgrenzt, bleibt abzuwarten.

 

Im Übrigen haben Sie in Ihrer Anfragebeantwortung 1221/AB, XXIII. GP, zu Protokoll gegeben, dass das Bundesheer über Informationen zur Edelweiß-Kameradschaft Vorarlberg, zur Edelweiß-Kameradschaft Steiermark und zum neu gegründeten Edelweiß-Korps, dessen Präsident Brigadier Konzett ist, verfügt. Leider haben Sie darauf verzichtet, dies näher zu beleuchten. Auch in dieser Hinsicht herrscht also Informationsbedarf.


 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

1.      Gibt es ein weiterhin aufrechtes Verbot für Bundesheerangehörige, an den Gebirgsjägerfeierlichkeiten im bayrischen Mittenwald teilzunehmen?

2.      Wenn ja: Wie wird sichergestellt, dass sich nicht wieder Bundesheerangehörige über dieses Verbot hinwegsetzen?

 

3.      Haben Angehörige des Bundesheeres darum angesucht, zum heurigen Mittenwalder Treffen zu fahren?

4.      Wenn ja: Welche Personen haben angesucht, in welchem Dienstrang stehen diese, und wie wurden diese Anfrage beantwortet?

 

5.      Zu welchem Ergebnis kamen die von Ihnen angekündigten disziplinarrechtlichen Erhebungen gegen Oberst Lasser  (vgl. Anfragebeantwortung 1221/AB XXIII. GP, zu 1 bis 3 und 5)?

 

6.      Brigadier Konzett und Brigadier i. R. Puntigam nahmen im Vorjahr „privat in ihrer Freizeit“ an der Gedenkveranstaltung teil. Zugleich legten sie Kränze nieder und wurden mit vollen Rang und als Angehörige des österreichischen Bundesheer begrüßt. Wird es als unproblematisch gesehen, wenn dies passiert und so Verbote Ihres Ministeriums umgangen werden?

7.      Wenn nein: Was wird/wurde dagegen unternommen?

8.      Falls dies nicht Gegenstand der Vollziehung des Bundesministeriums für Landesverteidigung sein sollte: Besteht nicht trotzdem ein grundlegendes Problem in der Beteiligung von Bundesheerangehörigen an Feierlichkeiten für mordende Wehrmachtseinheiten?

9.      Inwieweit kann es eine „Privatreise“ darstellen, wenn Bundesheerangehörige mit vollem Rang bei Veranstaltungen im Ausland genannt werden?

10.    Können hochrangige Offiziere des österreichischen Bundesheeres privat an Kriegsverbrechertreffen in Deutschland teilnehmen, ohne dass dadurch in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, das österreichische Bundesheer würde Kriegsverbrechertreffen bagatellisieren?

11.    Wenn nein: Was wird/wurde dagegen unternommen?

 

12.    Zu welchem Ergebnis kam die straf- und disziplinarrechtliche Prüfung der schriftstellerischen Tätigkeit von Brigadier i. R. Puntigam im rechtsextremen Pour-le-Merite-Verlag (vgl. Anfragebeantwortung 1221/AB XXIII. GP, zu 1 bis 3 und 5)? Wir ersuchen um möglichst detaillierte Erläuterung.

13.    Sollten keine Ergebnisse vorliegen: Haben die straf- und disziplinarrechtlichen Erhebungen überhaupt schon begonnen?

 

14.    Gibt es für den Fall, dass Offiziere durch die Teilnahme – dienstlich oder privat – an Gedenkveranstaltungen mit Wehrmachts- und SS-Bezug das Ansehen des Bundesheeres in Mitleidenschaft ziehen, Konsequenzen, etwa die Degradierung oder die Aberkennung des Dienstgrades?


15.    Wenn ja: Wurde dies für die Herren Puntigam, Lasser und Konzett in Betracht gezogen?

16.    Wenn nein: Sehen Sie darin ein sinnvolles Mittel, solche Teilnahmen in Hinkunft zu unterbinden?

 

17.    Gibt es für den Fall, dass Offiziere durch ihre schriftstellerischen Tätigkeiten das Ansehen des österreichischen Bundesheeres in Mitleidenschaft ziehen, Konsequenzen, etwa die Degradierung oder die Aberkennung des Dienstgrades?

18.    Wenn ja: Wurde dies für Herrn Puntigam in Betracht gezogen?

19.    Wenn nein: Sehen Sie darin ein sinnvolles Mittel, solche Aktivitäten in Hinkunft zu unterbinden?

 

20.    Warum wurden die Tafeln mit Bundesheerlogo, die im „Ehrenhain“ angebracht sind, nicht abmontiert, wo dies doch die logische und einzig sinnvolle Konsequenz Ihrer Anfragebeantwortung 1221/AB, XXIII.GP, gewesen wäre?

 

21.    Warum kam es 2007 zu keinem Verbot der Teilnahme von Bundesheerangehörigen an den Gedenkfeiern am Kärntner Ulrichsberg, wo dies doch die logische und einzig sinnvolle Konsequenz Ihrer Anfragebeantwortung 1221/AB, XXIII.GP, gewesen wäre?

 

22.    Wird es nach den Ereignissen des Jahres 2007 und dem aktuellen Erkenntnissstand 2008 zu einem Verbot der Teilnahme von Bundesheerangehörigen an den Feierlichkeiten am Kärntner Ulrichsberg kommen?

23.    Wenn ja: In welcher Form werden Sie dieses Verbot kommunizieren?

24.    Wenn ja: Auf welche Weise wird die Zuwiderhandlung gegen das Verbot geahndet?

25.    Wenn ja: Dürfen Bundesheerangehörige „privat“, das heißt in Uniform und mit Nennung ihres Ranges, an den Ulrichsbergfeierlichkeiten teilnehmen?

26.    Wenn ja: Wird es andere Unterstützung der Ulrichberggemeinschaft durch das Bundesheer geben?

 

27.    Gab es 2008 bereits Ansuchen der Ulrichsberggemeinschaft um logistische oder sonstige Unterstützung durch das Bundesheer während der Ulrichsbergfeier?

28.    Wenn ja: In welcher Stelle und an welchem Ort langten diese Ansuchen ein und wer ist für diese Entscheidung zuständig?

 

29.    Wird es auch heuer wieder eine Gedenkkundgebung vor der Khevenhüller-Kaserne geben, die an die Opfer des ehemaligen Außenlagers des KZ Mauthausen erinnert?

 

30.    Wer oder was verbirgt sich hinter der Edelweiß-Kameradschaft Vorarlberg?

31.    Seit wann existiert die Edelweiß-Kameradschaft Vorarlberg?

32.    Wie sehen die Verbindungen zwischen Bundesheer und Edelweiß-Kameradschaft Vorarlberg aus?

33.    Seit wann sind diese Verbindungen bekannt?


34.    Welche Bundesheerstelle ist für die Sicherstellung und Dokumentation solcher Verbindungen zuständig?

 

35.    Wer oder was verbirgt sich hinter der Edelweiß-Kameradschaft Steiermark?

36.    Seit wann existiert die Edelweiß-Kameradschaft Steiermark?

37.    Wie sehen die Verbindungen zwischen Bundesheer und Edelweiß-Kameradschaft Steiermark aus?

38.    Seit wann sind diese Verbindungen bekannt?

39.    Welche Bundesheerstelle ist für die Sicherstellung und Dokumentation solcher Verbindungen zuständig?

 

40.    Wer oder was verbirgt sich hinter dem Edelweiß-Korps?

41.    Seit wann existiert das angeblich neu gegründete Edelweiß-Korps?

42.    Aus welchen Gründen ist das alte Edelweiß-Korps aufgelöst worden?

43.    Wie sehen die Verbindungen zwischen Bundesheer und Edelweiß-Korps aus?

44.    Seit wann sind diese Verbindungen bekannt?

45.    Welche Bundesheerstelle ist für die Sicherstellung und Dokumentation solcher Verbindungen zuständig?

 

 

 

 

Anmerkung der Parlamentsdirektion:

 

Die vom Abgeordneten Zinggl, Freundinnen und Freunde übermittelten Anlagen stehen nur als Image (siehe Anfrage gescannt) zur Verfügung.

 



[1]   Quelle: Es liegt dazu eine Tonaufnahme der Mittenwaldfeier 2007 vor. Begrüßt werden „Brigadier Konzett“, „Brigadier Puntigam“ und „Oberst Lasser“.