3713/J XXIII. GP
Eingelangt am 04.03.2008
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ANFRAGE
der Abgeordneten Weinzinger, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Wirtschaft & Arbeit
betreffend Antidiskriminierung
Die EU weite Studie des British Councel aus 2007 hat gezeigt, dass Österreich in Sachen Antisdiskriminierung gegenüber anderen EU – Staaten einen enormen Aufholbedarf hat. Österreich findet sich im Ranking unter dem EU Durchschnitt auf Platz 22. Der Studie zufolge sieht nur eine Minderheit, dass ethnische Vielfalt eine Bereicherung sein kann. Zuletzt hat auch der Bericht des Menschenrechtskommissars des Europarates an der österr. Politik in diesem Bereich massive Kritik geäußert.
Die Anfrage soll einige der zentralen Mängel in der österreichischen Antidiskriminierungspolitik (vor allem im Antirassismusbereich), sofern man von so einer aufgrund der vernichtenden Ergebnisse überhaupt sprechen kann, beleuchten.
Problem Ressortsplitting: Legistische Vorbereitung und Vollziehung im Bereich „ethnische Diskriminierung außerhalb des Arbeitslebens“ fällt in unterschiedliche Verantwortungsbereiche: legistische Vorbereitung/Bartenstein - Angelegenheiten der Gleichbehandlungskommission/Bures - Verantwortung hinsichtlich Personalverwaltung, Organisation (Ressourcenverantwortung)/Gusenbauer (s. die Entschließung des Bundespräsidenten vom 1. März 2007, BGBl 49 II/2007).
Compliance-Prüfung des Rechtsbestandes: Art. 14 der Richtlinie 2000/43/EC verlangt, dass sämtliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften sowie sämtliche Kollektivverträge und ähnliches, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz widersprechen, aufzuheben/zu beseitigen/für nichtig zu erklären sind.
Mangel an positiven Maßnahmen: § 33 GBG erklärt in Gesetzen, Verordnungen oder auf andere Weise getroffene Maßnahmen zur Förderung der Gleichstellung, um Benachteiligungen aufgrund ethnischer Zugehörigkeit zu verhindern oder auszugleichen ausdrücklich nicht als Diskriminierung im Sinne des GBG.
Problem Effektivität des Rechtsschutzes / „effet utile“: das europäische Recht fordert einen mit wirksamen, angemessenen und abschreckenden Sanktionen bewehrten effektiven Schutz vor Diskriminierung, in Artikel 6 RL 2000/43/EG wird ausdrücklich von der RL als Minimalerfordernis gesprochen
Problem kritische Feststellungen des Europarates: Der Commissioner for Human Rights des Europarates (im folgenden: CHR), Mr. Thomas Hammarberg, stellt in seinem Bericht zur österreichischen Situation vom 12. Dezember 2007 zum Thema Rassismus und Fremdenfeindlichkeit eine ganze Reihe von erheblichen Mängeln fest, unter anderem, dass die Datenlage in dieser Hinsicht unbefriedigend ist und er deshalb das tatsächliche Ausmaß des Problems in Österreich schwer einschätzen könne, er aber offenkundig von relevanten Problemen ausgeht. Er hat auch eine Reihe von dringenden Empfehlungen zur Behebung der Situation abgegeben (siehe vor allem die Punkte 44 bis 55 sowie die Empfehlungen unter Punkt 9 des zit. Berichts) . Der CHR kritisiert die Komplexität und Zersplitterung der gesetzlichen Regelungen im Antidiskriminierungsrecht (er identifiziert dabei ca. 30 unterschiedliche), die auch unterschiedliche Verfahren, und erhebliche Unterschiede der länderweisen Schutzniveaus mit sich bringen, was den Zugang zum Recht für die Öffentlichkeit aber auch für Rechtsvertreter erschwert. Der CHR stellt fest, dass die GAW nicht über ausreichende Mittel verfügt und nicht ausreichend unabhängig gestellt ist. Außerdem wird die abschreckende Wirkung von Strafgeldern aufgrund ihrer geringen Höhe bestritten.
Zur fachlichen Qualifikation der Mitglieder der GBK.
In § 2 GBK-GAW-G findet sich lediglich eine Auflistung von entsendenden Institutionen, aus denen die Senate gebildet werden, aber keinerlei Anforderungen an die persönlichen oder fachlichen Voraussetzungen der Senatsmitglieder
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Wie stellen Sie angesichts dieses „Ressortsplittings“ sicher, über die nötigen Informationen zu verfügen, um die Tauglichkeit und Angemessenheit von gesetzlichen Vorhaben (wie zB der anstehenden Novelle des GBG infolge der Umsetzungsverpflichtung der sogenannten „Unisex-Richtlinie/Versicherungen“) beurteilen zu können?
2. In welcher Weise nehmen Sie darauf Einfluss, dass die von Ihnen vorbereiteten Gesetzesvorhaben in der Praxis mit den nötigen Ressourcen umgesetzt werden?
3. Finden Sie ein derartiges Auseinanderfallen der Kompetenzbereiche sinnvoll und zielführend, um den antidiskriminierungspolitisch gebotenen und vom europäischen Recht verlangten „effet utile“ in diesem Politikbereich zu erzielen?
4. Wenn nein: Was werden Sie tun, um dieser Situation abzuhelfen?
5. Haben Sie mit der Durchforstung des Rechtsbestandes begonnen?
6. Wie weit sind die Arbeiten gediehen?
7. Wann ist mit einer Aufhebung dieser Normen zu rechnen?
8. Sollten Sie der Meinung sein, dass Sie nicht alleine zur Durchführung dieses Rechtsbereinigungsprojektes verpflichtet sind: welche Maßnahmen haben Sie gesetzt, um dieses Projekt zu verwirklichen?
9. Welche positiven Maßnahmen haben Sie gesetzt?
10. Welche positiven Maßnahmen beabsichtigen Sie zu setzen?
11. Auf welche andere Weise werden Sie sich dafür einsetzen, damit positive Maßnahmen gesetzt werden?
Zur „Unisex-Richtlinie“
12. Halten Sie es für sinnvoll, die anstehende Umsetzung der sogenannten Unisex-Richtlinie/Versicherungen - so wie es im Begutachtungsentwurf zum GBG bzw. GBK-GAW-G vorgesehen ist - im Rahmen des Senates III (Antirassismus außerhalb des Arbeitslebens) zu verwirklichen?
13. Sind Sie der Meinung, dass es sich hier um verwandte Rechtsgebiete handelt?
14. Sind Sie der Meinung, dass im Senat III das nötige versicherungstechnische Fachwissen vorhanden ist?
15. Sind Sie der Meinung, dass dafür genug Ressourcen vorhanden sind?
Zur Evaluierung der Gleichbehandlungsgesetzgebung
16. Ist es zutreffend, dass weder von Ihnen noch von einem anderen Regierungsmitglied bisher eine Evaluierung der Gleichbehandlungsgesetzgebung und der Vollzugspraxis vorgenommen wurde?
17. Halten Sie es für sinnvoll, die legistische Betreuung einer Rechtsmaterie zu verantworten ohne diese zu evaluieren?
18. Wenn nein, wann werden Sie mit einer umfassenden Evaluierung beginnen?
19. Werden sie bei dieser Evaluierung die Themenkreise
a. Wirksamkeit der Antidiskriminierungsmaßnahmen
b. Verfahrensdauer
c. diskriminierungsfreie Sprache in den Entscheidungen
d. Notwendigkeit von Erhebungen bei notorischen Tatsachen
e. Angemessenheit der gesetzlichen Bestimmungen angesichts der (im übrigen erst zu beschaffenden) Daten über Rassismus und ethnische Diskriminierung in Österreich erheben?
Zu Publizität und Dialog
20. Artikel 10 RL 2000/43/EC verpflichtet die Mitgliedsstaaten, die Antidiskriminierungsmaßnahmen gemäß dieser Richtlinie allen Betroffenen mit allen geeigneten Mitteln im gesamten Staatsgebiet bekannt zu machen.
Welchen Beitrag haben Sie dazu geleistet?
21. Halten Sie diesen Beitrag für ausreichend?
22. Halten Sie diesen Beitrag für wirksam und woran messen Sie das?
23. Artikel 11 RL 2000/43/EC verlangt von den Mitgliedsstaaten, dass sie den sozialen Dialog (ArbeitgeberInnen- und ArbeitnehmerInnen-Seite) fördern.
Welchen Beitrag haben Sie dazu geleistet?
24. Halten Sie diesen Beitrag für ausreichend?
25. Halten Sie diesen Beitrag für wirksam und woran messen Sie das?
26. Artikel 12 RL 2000/43/EC verlangt von den Mitgliedsstaaten, dass sie den Dialog mit den einschlägigen NGO’s fördern.
Welchen Beitrag haben Sie dazu geleistet?
27. Halten Sie diesen Beitrag für ausreichend?
28. Halten Sie diesen Beitrag für wirksam und woran messen Sie das?
Zum Problem Effektivität des Rechtsschutzes
29. Halten Sie es aus antidiskriminierungspolitischer Sicht für tauglich, außerhalb des Arbeitslebens nur einem sehr eingeschränkten Kreis von Opfern (nämlich nur solchen von rassistischen und ethnischen Diskriminierungen) und nur bei Teilhabe am Markt (Zugang zu Gütern und Dienstleistungen) Schutz anzubieten, andere vom Diskriminierungsschutz innerhalb des Arbeitslebens umfasste Gruppen aber davon auszuschließen?
30. Halten Sie diesen teilweisen Rechtsschutzausschluss für gleichheitskonform im Sinne der österreichischen Bundesverfassung?
31. Halten Sie aus der Perspektive eines effektiven Schutzes vor Diskriminierung die Sprachfassung der Diskriminierungsbestimmung des § 31 (1) GBG für tauglich?
32. Umfasst diese Bestimmung Diskriminierung durch Assoziierung (also zB die geschmähte österreichische Ehefrau eines Mannes mit „fremdem“ Namen, „fremdem“ Gesicht uä)?
33. Wenn nein, warum nicht und wäre das nicht angemessen und europarechtlich geboten?
34. Umfasst diese Bestimmung wirklich rassistische Diskriminierung?
35. Bringt diese Bestimmung zum Ausdruck, dass es um die herabwürdigende Sichtweise des/der Diskriminierenden geht und nicht um tatsächliche oder vermeintliche Fremdheit oder Zugehörigkeit des/der Diskriminierten zu einer ethnischen Gruppierung?
36. Wenn nein, warum nicht ?
37. Ist der Diskriminierungsschutz gegenüber Behörden, vor allem der Polizei als ausreichend und effektiv zu bezeichnen?
38. Sind Sie der Meinung, dass tatsächlich keinerlei Tätigkeit der Polizei als Dienstleistung im Sinne der RL 2000/43/EG zu bezeichnen wäre?
39. Wie beurteilen Sie die Frage vor dem Hintergrund, dass andere Mitgliedsstaaten der EU diese Frage anders beurteilt und gelöst haben (splitting der Aufgaben und teilweise Schutz nach der genannten Richtlinie)?
40. Wie beurteilen Sie die Effektivität des Rechtsschutzes angesichts der knappen Ressourcen?
41. Was werden Sie unternehmen, um die vor allem auch angesichts des informellen Charakters des Verfahrens vor der GBK durch die überlangen Verfahren hervorgerufenen Akzeptanzprobleme bei den Betroffenen zu beseitigen?
42. Halten Sie die Sanktionsmöglichkeiten in § 12 Abs 3 GBK-GAW-G (Vorschlag zur Verwirklichung der Gleichbehandlung und Aufforderung, die Diskriminierung zu beenden) für effektiv, verhältnismäßig und abschreckend?
43. Könnte es sein, dass die Rechtsqualität der Senate für die Durchsetzung von Entscheidungen zu schwach ist?
44. Welche Abhilfen haben Sie geschaffen, um Betroffenen den von der zit. RL geforderten „angemessenen Rechtsschutz“ bei Klagsführung vor Gericht zu gewähren?
45. Wie beurteilen Sie das völlige Fehlen von fachlichen Voraussetzungen im Gesetz für die Zusammensetzung der Senate der GBK?
46. Welche Auswirkungen hat Ihrer Meinung nach möglicherweise mangelhafte Kompetenz von Senatsmitgliedern auf die Verfahren und auf Entscheidungen der Senate?
47. Welche Auswirkungen hat Ihrer Meinung nach möglicherweise mangelnde Identifikation von Senatsmitgliedern mit den Inhalten und Zielen von Antidiskriminierung auf die Verfahren und auf die Entscheidungen der Senate?
48. Sind Sie der Meinung, dass solche möglichen Mängel im Hinblick auf den geforderten effektiven Rechtsschutz gegenüber Betroffenen vertretbar sind?
49. Halten Sie die Paris Principles zur Förderung des Menschenrechtsschutzes (1991) für relevant?
50. Wenn ja, wie setzen Sie die dortigen Empfehlungen zur Zusammensetzung von entsprechenden Institutionen hinsichtlich Unabhängigkeit und Pluralität um?
51. Wie setzen Sie die Empfehlungen zur Effektivität der Einrichtungen um?
52. Wenn nein, wie können Sie das begründen?
53. Halten Sie die ECRI-Principles der European Comission against Racism and Intolerance inklusive Appendix für relevant?
54. Wenn ja, wie setzen Sie die dort angeführten Punkte über die Zusammensetzung von specialised bodies hinsichtlich der Wiederspiegelung der Unterschiedlichkeit der Gesellschaft, ihre Unabhängigkeit, ihre Mittelausstattung und den einfachen Zugang zu ihnen um?
55. Wenn nein, wie können Sie das begründen?
56. Welche Auswirkungen auf einen effektiven Rechtsschutz hat es nach Ihrer Meinung, wenn die Beweislastregel („shift of burden of proof“) zu Lasten der Antragsteller/in und zu Gunsten der Antragsgegner/in nicht EU-Rechts-konform ist, also ungünstiger als das als Mindestvoraussetzung definierte europäische Recht?
Zum Problem kritische Feststellungen des Europarates
57. Welche Maßnahmen haben Sie gesetzt, um die nötigen Daten über Rassismus und ethnische Diskriminierung in Österreich zu beschaffen?
58. Wie weit sind die von österreichischer Seite behaupteten Vorbereitungen für einen Aktionsplan gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gediehen und wer ist in diesen Prozess eingebunden?
59. Wann wird mit der Umsetzung begonnen?
60. Was beinhaltet dieser Aktionsplan?
61. Deckt er die Empfehlungen des CHR ab, wie
a. Behebung des Datenmangel (prioritär)
b. Bewußtseinsbildung zu betreiben (prioritär)
c. Menschenrechts- und Demokratiebildung in Schulen, in der Erwachsenenbildung und in der Berufsausbildung für öffentlich Bedienstete, Polizei, SozialarbeiterInnen und Bedienstete im Gesundheitsbereich
d. Unterstützung von „grass root initiatives“, die rassistische und antidemokratische Tendenzen auf lokaler Ebene identifizieren und darauf antworten (wobei vom HRC die NGOs als wesentliche Partner betrachtet werden).
e. Die Zurverfügungstellung von ausreichenden Mitteln zur Unterstützung und
f. Beratung von Opfern von Rassismus und
g. Die Behörden sollen mehr Mitarbeiter mit ethnischem oder Minderheiten-Hintergrund beschäftigen
62. Wie werden Sie durch die vom Europarat empfohlene Rechtsvereinfachung Abhilfe dafür schaffen?
63. Auf welches Niveau werden Sie die Leitlinien zur Bemessung des Schadenersatzes und die Strafgelder anheben, um dem EU-Recht entsprechend effektive, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionen zu schaffen?
64. Halten Sie das Verbot der diskriminierenden Stellenausschreibung in § 24 GBG samt der dort vorgesehenen Einschränkung der Aktivlegitimation und der Sanktionen für wirksam? (v.a. im Hinblick auf die diesbezügliche Misstandsfeststellung der Volksanwaltschaft)
65. Wenn nein, wie werden Sie eine wirksamere Lösung umsetzen?
66. Warum ist diese Bestimmung nicht als Offizialdelikt verfolgbar?
67. Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um die GAW entsprechend den Anforderungen, inklusive der Bewusstseinsarbeit mit Personal und Finanzmitteln auszustatten und ihre Unabhängigkeit (die auch im Regierungsübereinkommen verankert wurde) mit einer Verfassungsbestimmung abzusichern?
68. Was werden Sie tun, um der Forderung des CHR nachzukommen, aktiv Tendenzen der Stigmatisierung von MigrantInnen, AsylwerberInnen und Flüchtlingen im politischen Diskurs zu unterbinden?
69. Was werden Sie tun, um Einrichtungen zur Unterstützung von Opfern von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit mehr zu fördern als bisher, so auch Einrichtungen der Zivilgesellschaft auf diesem Gebiet?