376/J XXIII. GP
Eingelangt am 27.02.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten
Haubner, Mag. Darmann
Kolleginnen
und Kollegen
an die Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz
betreffend das Kindeswohl als gesamtstaatliche Aufgabe am Beispiel des tragischen Falles in Oberösterreich
Der aktuelle Fall der drei von ihrer Mutter schwer vernachlässigten Kinder - aber auch zwei seither aufgetauchte Fälle in der Steiermark und in Niederösterreich - lassen Einblicke in die Mängel der staatlichen Sorge um das Kindeswohl erkennen, die mehr als erschreckend sind.
Der Fall stellt sich (soweit aus der Medienberichterstattung bisher Klarheit gewonnen werden konnte) relativ unumstritten so dar:
Ein angesehenes Linzer Juristenehepaar mit drei Kindern im Alter von sechs, zehn und 13 Jahren lässt sich 1998/1999 scheiden. Die Obsorge für die Kinder und das Reihenhaus am Pöstlingberg verbleiben bei der Mutter.
Der Vater - Richter am Oberlandesgericht Linz - erhält ein Besuchsrecht, das aber schon nach kurzer Zeit von der Mutter regelmäßig und erfolgreich sabotiert wird (er hatte keinen Zutritt zum Haus, wenn er die Kinder sehen wollte erzählte seine Exfrau, sie seien krank oder gerade bei der Großmutter zu Besuch). Mutter und Großmutter stellen den Kindern gegenüber ihren Vater als Feind dar und indoktrinieren die Kinder in dieser Richtung („Gehirnwäsche"). Der Vater kämpft seit 2001 erfolglos um das Besuchsrecht, stellt aber keinen Obsorgeantrag.
Die Mutter kann die Scheidung psychisch nicht verkraften, sie wird 2001 wegen Halluzinati- onen in der Nervenklinik stationär aufgenommen. Sie ist offenbar schon jahrelang nicht mehr berufstätig.
Schon im Mai 2000 schlägt die Schulärztin des Gymnasiums der ältesten Tochter (die bis dahin offenbar als Schülerin unauffällig war) wegen des mangelnden Schulbesuchs bei der Jugendwohlfahrtsbehörde Alarm. Man begnügt sich aber damit, dass eine Fachärztin für Neu- rologie die Schulfähigkeit des Mädchens bezweifelt. Ein daraufhin gestellter Antrag auf häus- lichen Unterricht wird bewilligt. Der Ursache der plötzlichen Schulunfähigkeit geht man aber offenbar nicht nach. Die Jugendwohlfahrtsbehörde meldet die mangelnde Kooperation der Mutter zwar dem Pflegschaftsgericht, dieses unternimmt aber nichts, weil gutachterlich be- scheinigt wird, dass keine konkrete Gefährdung vorliege. Die Tochter schließt die Schule nicht ab, die Schulbehörde akzeptiert den mangelnden Leistungsnachweis des häuslichen Un- terrichts offenbar reaktionslos.
Auch bei der mittleren Tochter häufen sich die Fehlstunden in einem mehr als auffälligen Maße. Im ersten Schulhalbjahr 2002/2003 ist sie nur 22 Mal in der Schule. Ihr Fernbleiben wird - ebenso wie das der jüngsten Tochter, die noch am längsten und normalsten die Schule besuchen durfte - von der Mutter laufend durch ärztliche Atteste der Schulangst und Ent- schuldigungen wegen Krankheit und Gerichtsterminen u.ä. entschuldigt. Die Behörden akzep- tieren dies ohne nähere Prüfung der Gründe für die Schulangst. Angeblich gibt es im Jahr 2003 sogar eine Sondergenehmigung des Landesschulrats, dass die mittlere Tochter „teils" zu Hause lernen kann, aber an drei Tagen pro Woche in der Schule sein müsse - die wiederum konsequenzlos nicht eingehalten wird. Durch die Fehlstunden notwendige Prüfungen werden offenbar nie abgelegt, ohne dass dies Konsequenzen hätte. Zumindest in den letzten Jahren können die noch schulpflichtigen Töchter die Klassen jeweils nicht mehr abschließen, obwohl sie (im Verhältnis zu ihrer Schulanwesenheit) vorher hervorragende Schülerinnen gewesen sind.
Erst als die jüngste Tochter im März 2005 nach auffallend vielen Fehlstunden überhaupt nicht mehr in die Schule kommt wird eine Meldung erstattet, die erst im Oktober 2005 - unmittel- bar vor Entzug der Obsorge - eine Anzeige gemäß Schulpflichtgesetz zur Folge hat.
Auch privat werden den Töchtern von der Mutter alle Kontakte abgeschnitten, nur die jüngste Tochter darf zeitweise das Haus verlassen.
Auffällig ist, dass in der Zeit von 2001 bis 2005 die Kinder von einem renommierten Linzer Jugendpsychiater laufend betreut werden, ohne dass dieser offenbar ein verstärktes Tätigwer- den der Behörden zum Schutz der Kinder für erforderlich hielt.
Anfang 2005 werden die Kinder sogar für drei Monate stationär auf der Jugendpsychiatrie am Linzer Kinderkrankenhaus aufgenommen - nach den Gründen sucht man behördlicherseits offenbar weiterhin nicht.
Erst im Oktober 2005 wird der Mutter schließlich doch die Obsorge für die beiden jüngeren Töchter entzogen.
Die Sachwalterin für die jüngste Tochter wird erst am 17. März 2006 bestellt und holte diese noch am gleichen Tag mit Hilfe der Polizei aus der Wohnung. Erst mit September 2006 wird sie auch zur Sachwalterin der zweiten Tochter Katharina bestellt. Die älteste Tochter wird - da volljährig - erst Monate nach den jüngeren von der Polizei herausgeholt.
Derzeit befindet sich die Mutter in Kärnten in einer geschlossenen Anstalt in Untersuchungs- haft, eine Einweisung in eine Anstalt für abnorme Rechtsbrecher beim Prozess im Frühsom- mer wird erwartet. In der Untersuchungshaft gelingt es der Mutter zweimal, die Entführung ihrer Kinder zu versuchen. Den im Sommer zu erwartenden Strafprozess wegen Quälens und Vernachlässigens von Unmündigen mit schweren Dauerfolgen verzögert sie mit allen juristi- schen Möglichkeiten. Die Anklage erfolgt wegen Befangenheit des Linzer Gerichts durch die Staatsanwaltschaft Klagenfurt.
Die Mädchen sind seit mehr als einem Jahr in einem Therapiezentrum in Kärnten unterge- bracht. Die beiden jüngeren besuchen Schulen, die ältere weigert sich immer noch zu spre- chen. Es stellt sich die Frage, ob psychische Dauerschäden bleiben werden.
Auffällig ist an diesem Fall - aber auch an den seither zu Tage getretenen Fällen in Niederös- terreich und der Steiermark -, dass die Wahrnehmungen über die Lebensumstände und den Zustand der Kinder und ihrer Mutter zwischen Behörden und Außenstehenden bzw. ihren Betreuern nach dem Entzug der Obsorge dramatisch auseinanderklaffen:
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Die Sicht der Behörden: |
Die Sicht der Betreuer und Nachbarn: |
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Die Kinder sind nur in den letzten Monaten verwahrlost. |
Die
Wohnung war völlig vermüllt und stank nach Moder, Verwesung und Exkrementen.
Die Wohnung war völlig abgedunkelt. Es gab nur eine Glühbirne. Die Vorhänge waren stän- dig zugezogen. |
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Bei den
Untersuchungen (2001 bis 2005) wa- ren die
Kinder in einem guten gesundheitli- chen
Zustand. Dem Kinderpsychologen, der Kinder
und Mutter allein von Juli bis Septem- ber 2005 sechs Mal auf Anordnung des
Pfleg- schaftsgerichtes betreut hat, fiel nichts auf, bis die Termine nicht mehr eingehalten wurden. Die Jugendwohlfahrtsbehörde gibt immerhin zu, dass es seit April 2005 Anzeichen von Verwahrlosung gegeben habe. |
Die Kinder waren völlig verwahrlost, hatten eine völlig weiße Haut, waren unterernährt, eines hat eine Skoliose, die Zähne aller waren in einem sehr schlechten Zustand. Anfangs war eine Verständigung so gut wie gar nicht möglich. Die Mädchen konnten nicht richtig sprechen, sie reden auch jetzt noch in einem Singsang, untereinander haben sie sich mit seltsam klingenden Lauten, Gesten und Mi- mik unterhalten. Die Kinder haben sich im Freien immer an Hauswänden angehalten und sind bei jeder kleinen Berührung zusammen- gezuckt. Emotional waren sie völlig unter- entwickelt, zeigten keine Reaktionen, konnten Gefühle nicht wahrnehmen und auch nicht ausdrücken (kein Lachen, kein Weinen, kein Schreien). Sie wussten nicht, wie man sich duscht, die Haare wäscht, dass man die Wä- sche wechselt oder dass gebrauchte Kleidung gereinigt werden muss. Die Kinder trugen Kleider ihrer vor 15 Jahren verstorbenen Tan- te, wussten nicht, dass man sich im Winter wärmer und im Sommer luftiger anzieht, hat- ten keinen Zeitbegriff. Ebensowenig konnten sie öffentliche Verkehrsmittel benutzen. |
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Die
Mutter war (2001 bis 2005) immer ein- sichtig. |
Die Mutter kann die Scheidung psychisch nicht verkraften, sie wird 2001 wegen Hallu- zinationen in der Nervenklinik stationär auf- genommen, ist paranoid und soll am Messie- Syndrom leiden (kann nichts wegwerfen). Die Mädchen wollen nicht zeichnen, nicht schreiben und nicht reden, sie haben die Ver- folgungsgedanken der Mutter übernommen. Sie glauben noch, dass der Vater ein Monster ist, wie er von der Mutter hingestellt wurde, nur die jüngste hat bisher zu ihm Kontakt. |
Die Staatsanwaltschaft Linz hat erst anlässlich der medialen Berichterstattung mehr als ein Jahr nach der Verhaftung der Mutter Vorerhebungen gegen die Behörden begonnen; seitens der betroffenen Behörden ist man sich aber überwiegend keiner Schuld bewusst; dies trotz folgender Fakten:
• Die Jugendwohlfahrts- und die Schulbehörden waren seit dem Jahr 2000 mit dem Fall befasst und wurden seit damals laufend über dramatische Probleme mit dem Schulbe- such der drei Kinder informiert.
• Auch das Pflegschaftsgericht war schon frühzeitig durch die Besuchsrechtsstreitigkeiten in den Fall eingebunden. Die Mutter war im Besuchsrechtsverfahren allein bei neun Tagsatzungen durch mangelnde Kooperationsbereitschaft aufgefallen; dennoch wurde
die Sabotage des Besuchsrechts des Vaters gerichtlich geduldet und ein Entzug der Ob- sorge offenbar nicht erwogen.
• Zumindest zwei Fachleute, die seit 2001 und 2002 bis 2005 mit dem Fall befasst waren, haben zu Lasten der Kinder gegen eine Intervention gegen den Willen der Mutter argu- mentiert, obwohl man sich andererseits bewusst war, dass „sich die Situation zuspitzen" würde „und der Punkt einer Trennung von der Mutter unausweichlich ist".
• Die Schulbehörden haben den mangelnden Unterricht der Kinder seit dem Jahr 2000 zu Lasten der Kinder ohne Abhilfe geduldet.
• Der Vater und die Nachbarn haben sich dutzende Male an das zuständige Bezirksgericht gewendet, dieses hat aber dennoch keinen Grund zum Einschreiten gesehen.
• Kein Behördenvertreter außer dem Amtstierarzt hat in all den Jahren jemals das Haus betreten.
• Der Amtstierarzt sorgte fast ein halbes Jahr rascher für die Befreiung der verwahrlosten Tiere als die Jugendwohlfahrtsbehörde für die der Kinder.
• Die Nachbarn sind sicher, dass in diesem Fall die Behörden nur deshalb letztlich tätig geworden sind, weil wegen der Vermüllung des Grundstückes der Bezirkshauptmann- schaft mit einer Amtshaftungsklage gedroht wurde.
Das BZÖ hat sich schon vor einem Jahr in einer Enquete umfassend dem Kinderschutz ge- widmet und dieses Thema auch zu einem Schwerpunkt seines Programms 2010 gemacht. Der Vorfall in Linz zeigt, wie dringend eine Umsetzung der schon damals gemachten Vorschläge wäre. Dringend geprüft werden sollten daher folgende Ansätze:
v Möglichkeit der Verpflichtung der Eltern zu konkreten Handlungen oder Unterlassun- gen als Konkretisierung ihrer Pflichten im Interesse der Kinder auf Antrag der Jugend- wohlfahrtsbehörde durch das Pflegschaftsgericht anstelle eines totalen Entzugs der Ob- sorge;
v effektiverer Schutz erheblich gefährdeter Kinder durch eine Intensivbetreuung oder die Herausnahme aus der Familie, sodass weitere Gefährdungen hintangehalten werden können;
v Einrichtung eines Informationsvernetzungssystems zur Aufdeckung von Gewaltfällen (z.B. zwischen Schule, Spital, Polizei, Jugendamt etc.);
v Ausbau der Präventionsmaßnahmen durch verstärkte Aufklärung aller Betroffenen (El- tern, Kinder) über die Folgen von Gewalt;
v Ausbau der Elternbildung (in gefährdeten Familien schon vor der Geburt eines Kindes) zur Stärkung der Erziehungs- und Konfliktlösungsfähigkeit der Eltern
v intensive Betreuung von Eltern in Erziehungsnotstand durch Erziehungsfachleute („Su- per-Nannies") der Jugendwohlfahrtsbehörde;
v Schaffung von Beratungs- und Meldestellen, deren Experten für den Umgang mit Ge- walt geschult sind;
v altersgerechte Informationskampagne für Kinder über Gewalt bzw. wohin sie sich im Bedarfsfall wenden können;
v Ausweitung und Umsetzung des Modellprojekts „Kinderbeistand" in ganz Österreich;
v gesetzliche Regelung bzw. finanzielle Absicherung der Ermöglichung von Besuchsbe- gleitungen für Scheidungskinder, um diesen durch die Anwesenheit von Betreuern einen spannungsfreien Kontakt mit beiden Elternteilen zu ermöglichen und
v Schaffung eines bundeseinheitlichen Jugendschutzgesetzgesetzes.
Im Zusammenhang mit diesem eklatanten Einzelfall richten die unterzeichneten Abgeordne- ten an den Herrn Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumenten- schutz folgende
Anfrage:
I. Verfügen Sie im Fall der drei schwer vernachlässigten Kinder in Oberösterreich bereits über verlässliche Informationen vom Land Oberösterreich oder aus anderen Quellen zu den für die Grundsatzgesetzgebung des Bundes wesentlichen Fragen, um aus diesem er- schreckenden Fall die richtigen legislativen Schlüsse ziehen zu können?
II. Wenn nein, welche Schritte haben Sie in die Wege geleitet bzw. werden Sie setzen, um einen entsprechenden Überblick über die Abläufe und damit den legislativen Korrektur- bedarf zu erlangen?
III. Wenn ja, bitte beantworten Sie folgende Fragen, die sich aus der medialen Berichterstat- tung aufdrängen, damit auch der Nationalrat als Gesetzgebungsorgan über die nötigen Informationen für die weiteren legislativen Schritte verfügt:
1. Wann und wodurch wurde die zuständige Jugendwohlfahrtsbehörde erstmals auf den Fall aufmerksam?
2. Welche externen Informationen sind jeweils von wem bzw. welcher Behörde mit welchem Inhalt wann an die Jugendwohlfahrtsbehörde gelangt?
3. Welche Schritte hat die Jugendwohlfahrtsbehörde jeweils aufgrund dieser Hin- weise gesetzt?
4. Welche Behörden hat sie ihrerseits jeweils worüber informiert?
5. Ist es richtig, dass kein Vertreter der Jugendwohlfahrtsbehörde in all den Jahren seit der Scheidung der Eltern das Haus, in dem die Kinder leben mussten, jemals betreten hat?
a. Wenn nein, wann und wie oft gelang dies und wie war der dort gewonnene Eindruck?
b. Wenn ja, wie viele Versuche, dies zu tun, hat es jeweils wann gegeben?
c. Warum hat man sich jeweils dem Widerstand der Mutter gebeugt?
d. Wurde jemals eine Zustimmung des Pflegschaftsgerichts zu einem Betreten des Hauses wider den Willen der Mutter beantragt? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
e. Warum hat die Jugendwohlfahrtsbehörde jeweils die Meinung vertreten, dass auf diesen wichtigen persönlichen Eindruck über die Lebensumstände der Kinder verzichtet werden kann?
f. Welchen Eindruck haben die Vertreter der Jugendwohlfahrtsbehörde von dem Haus von außen gewonnen?
6. Wann hat ein Vertreter der Jugendwohlfahrtsbehörde jeweils mit den betroffenen Kindern persönlich gesprochen? Wie lang dauerte das Gespräch jeweils? Fand es in Gegenwart anderer Personen, insbesondere der Mutter, statt? Welchen Ein- druck hat der betreffende Mitarbeiter der Jugendwohlfahrtsbehörde dabei gewon- nen?
7. Welche Gutachten lagen dem Handeln der Jugendwohlfahrtsbehörde zugrunde?
8. Welche Fachleute hatten nach Kenntnis oder auch im Auftrag der Jugendwohl- fahrtsbehörde in den Jahren 2000 bis 2006 Kontakt mit den Kindern? Im Auftrag welcher Behörde wurden sie tätig? Welchen Auftrag hatten sie jeweils? Hatte die Jugendwohlfahrtsbehörde Kenntnis vom persönlichen Eindruck des betreffenden Fachmannes?
9. Wie erklärt sich die Jugendwohlfahrtsbehörde den Umstand, dass die mit dem Fall befassten Fachleute - großteils sogar Ärzte - ihrer Anzeige- bzw. Meldungspflicht im Fall einer Vernachlässigung Minderjähriger nicht nachgekommen sind?
10. Wie erklärt sich die Jugendwohlfahrtsbehörde insbesondere den eklatanten Wi- derspruch zwischen dem medial wiedergegebenen Eindruck der Behördenvertreter und der von Behördenseite eingesetzten Fachleute einerseits und dem Eindruck der jetzigen Betreuer der Mädchen und der Nachbarn andererseits?
11. Welche der häufigen Absenzen bzw. Einstellung des Schulbesuchs gelangte der Jugendwohlfahrtsbehörde zur Kenntnis? Wurde sie davon von der Schulbehörde oder von anderer - wenn ja welcher - Seite informiert?
12. War die Jugendwohlfahrtsbehörde vom stationären Aufenthalt der Mutter in der Psychiatrie informiert? Wenn ja, von wem erfolgte die Information? War die Di- agnose soweit bekannt, dass als Rückschlüsse auf eine Gefährdung der Kinder er- folgen konnten? Wenn nein, hat sich die Jugendwohlfahrtsbehörde um entspre- chende Informationen bemüht?
13. War die Jugendwohlfahrtsbehörde von den Entschuldigungsgründen der Mutter und den jeweils vorgebrachten medizinischen Gründen für die Schulabsenzen in- formiert? Wenn ja, wie ist sie der Frage nachgegangen, ob die angebliche Schul- unfähigkeit der Kinder nicht in ihrer unzumutbaren Lebenssituation bzw. der Er- ziehungsunfähigkeit der Mutter ihre - behebbare - Wurzel hatte? Wenn nein, wie hat sie sich darum bemüht, diese für ihr weiteres Vorgehen wesentliche Informa- tion zu erlangen?
14. In wessen Obhut und Obsorge waren die einzelnen Kinder jeweils während des stationären Aufenthaltes der Mutter in der Psychiatrie bzw. ab dem Entzug der Obsorge im Oktober 2005 bis zur Bestellung der jetzigen Sachwalterin im März bzw. September 2006?
15. Warum wurde insbesondere die Sachwalterin für das jüngste Kind erst fast ein halbes Jahr nach dem Entzug der Obsorge bestellt und erhielt die Sachwalterschaft für das mittlere Kind erst nochmals ein halbes Jahr später? Wer hatte die Obsorge in der Zwischenzeit?
16. Wann wurde jemals geprüft, ob der Vater der Mädchen die Obsorge hätte über- nehmen können? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Warum hat insbesondere die Jugendwohlfahrtsbehörde nicht eine Übertragung der Obsorge an den Vater bean- tragt, als die psychischen Probleme der Mutter und der mangelnde Schulbesuch und Schulerfolg der Kinder bekannt waren?
17. Wie wurde der Vater der Mädchen dabei unterstützt, sein Besuchsrecht wahrneh- men zu können?
18. Warum ist die Jugendwohlfahrtsbehörde nach dem Ausscheiden der ältesten Tochter aus der Schule ohne Abschluss nicht der schulischen Entwicklung der zwei jüngeren Töchter aufmerksamer gefolgt?
19. Warum ist die Jugendwohlfahrtsbehörde nicht einmal dann blitzartig eingeschrit- ten, als der Amtstierarzt die verwahrlosten Tiere in Sicherheit brachte und Mel- dung bei der Jugendwohlfahrtsbehörde erstattete?
20. Warum ist die zuständige Jugendwohlfahrtsbehörde der Meinung, dass ihr erst ab September 2005 ein Versäumnis vorzuwerfen wäre?
21. Wird der Fall für die involvierten Mitarbeiter der Jugendwohlfahrtsbehörde aus derzeitiger Sicht Konsequenzen haben?
IV. Welches Mindestmaß an persönlichem Kontakt mit den betroffenen Kindern halten Sie seitens der Jugendwohlfahrtsbehörde bzw. der von ihr beauftragten Fachleute für uner- lässlich, um solche gravierenden und das Kindeswohl massiv gefährdenden Fehlein- schätzungen künftig zu vermeiden?
V. Ist dieses Mindestmaß an Kontakt derzeit aufgrund der vorhandenen Mitteln und der Personalausstattung aus Sicht des Familienressorts leistbar?
VI. Wieviel Personal steht den Jugendwohlfahrtsbehörden der einzelnen Länder derzeit zur Verfügung? Wie haben sich die Fallzahlen und der Personalstand in den letzten 25 Jah- ren entwickelt?
VII. Welche Formen der Informationsweitergabe zwischen Behörden wäre Ihres Erachtens erforderlich, um künftig vergleichbare Fälle zu verhindern?
VIII. Werden Sie sich insbesondere dafür einsetzen, dass künftig alle kinderrelevanten Infor- mationen - nicht nur von Behörden, sondern auch von Ärzten, Spitälern und Privatper- sonen - an eine zentrale Stelle gemeldet werden müssen bzw. können, um bei einer un- gewöhnlichen Häufung von Verdachtspunkten ein rasches und effizientes Vorgehen der Jugendwohlfahrtsbehörden zu ermöglichen?
IX. Welche Änderungen des Jugendwohlfahrtsgesetzes werden Sie dem Nationalrat vor- schlagen, um vergleichbare Fälle in Zukunft zu vermeiden?
X. Ist es sinnvoll, das Grundsatzgesetz nochmals zu novellieren, obwohl die Vereinheitli- chung des Jugendschutzes ohnehin Teil des von Ihnen umzusetzenden Regie- rungsprogrammes ist?
XI. Werden Sie eine inhaltliche Änderung in der Richtung vorsehen, dass als Mittelding zwischen den von der Mitwirkung der Eltern abhängigen Aktivitäten der Jugendwohl- fahrtsbehörden und der völligen Entziehung der Obsorge auch die Möglichkeit geschaf- fen wird, die Eltern als Konkretisierung ihrer Pflichten zu bestimmten Handlungen oder Unterlassungen im Interesse ihrer Kinder vom Pflegschaftsgericht auf Antrag der Ju- gendwohlfahrtsbehörde zu verpflichten? Wenn nein, warum nicht?
XII. Welche sonstigen Gesetzesänderungen sind aus Sicht des Familienressorts erforderlich bzw. wünschenswert?
XIII. Werden Sie die Finanzierung der Besuchsbegleitung und Besuchscafes durch eine ge- setzliche Regelung sicherstellen, um allen Scheidungskindern durch die Anwesenheit von Betreuern einen spannungsfreien Kontakt zum zweiten Elternteil zu ermöglichen?