3816/J XXIII. GP
Eingelangt am 11.03.2008
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ANFRAGE
des Abgeordneten Ing. Westenthaler
Kollegin und Kollegen
an den Bundeskanzler
betreffend Missachtung der Grundrechte auf freie Meinungsäußerung durch ein vom Bundeskanzler indirekt verhängtes „Suderverbot“
Gemäß Art. 13 Staatsgrundgesetz vom 21. Dezember 1867 hat jedermann das Recht, (...) seine Meinung innerhalb der gesetzlichen Schranken frei zu äußern. In der Europäischen Menschenrechtskonvention, die im Verfassungsrang steht, ist die Freiheit der Meinungsäußerung in Artikel 10 insofern normiert als dort klar zum Ausdruck kommt, dass dieses Recht die Freiheit der Meinung und die Freiheit zum Empfang und zur Mitteilung von Nachrichten und Ideen ohne Eingriffe öffentlicher Behörden (...) einschließt.
Im ORF-„Report“ vom Dienstag, den 4. März 2008 waren Sie im Originalton mit der an Ihre Staatssekretärin gerichtete Frage zu hören: „Und das wird heute was Ordentliches oder das übliche Gesudere?“
Die damit von Ihnen zum Ausdruck gebrachte Ablehnung gegenüber Andersdenkenden, die ihre Meinungen - Ihrem Sprachgebrauch zufolge - durch „Gesudere“ dem Empfänger zur Kenntnis bringen, bezieht sich ganz offensichtlich auf Ihre bisherigen Wahrnehmungen im Zuge einer Image(korrek)tour. Nach entsprechenden Besuchen in Wiener Neustadt und Imst mussten sie offenbar zurecht befürchten, dass auch bei der am angesprochenen Abend in Donawitz stattfindenden Veranstaltung die Menschen einmal mehr von ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten subjektiven Grundrecht auf freie Meinungsäußerung oder „übliches Gesudere“ (zit. Gusenbauer) Gebrauch machen würden.
Dazu kommt, dass das Hauptthema der genannten Imagetour „Politik mit einer sozialen Handschrift“ darstellt und es daher gerade in Zusammenhang mit dem Thema Soziales nicht tolerierbar ist, wenn ein Bundeskanzler als oberstes Organ, der auf die österreichische Bundesverfassung angelobt wurde und an die Grundrechte gebunden ist, auch nur den Anschein von Intoleranz und Einschränkung der freien Meinungsäußerung seiner Mitbürgerinnen und –bürger dadurch erweckt, dass er via öffentlich rechtlichen Rundfunk sein Zusammentreffen mit denselben von deren Wohlverhalten in Abhängigkeit bringt.
Im Wissen um die Bedeutung insbesondere des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung für die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundeskanzler nachstehende
Anfrage
1. Wie sehen Sie die von Ihnen im ORF-„Report“ am 4. März 2008 getätigte Aussage, mit welcher Sie klar zum Ausdruck bringen, dass eine von Ihrer Meinung abweichende Position nicht gewünscht wird, im Verhältnis zum Grundrecht auf freie Meinungsäußerung?
2. Auf welchen der in der EMRK Art 10 Abs. 2 normierten möglichen Gesetzesvorbehalte zur Einschränkung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung berufen Sie sich in Hinblick auf den konkreten Fall der durch Sie erfolgten indirekten Einschränkung dieses Grundrechts gegenüber Ihren eigenen Parteigenossen?
3. War die durch Sie erfolgte Einschränkung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung durch ein öffentlich ausgesprochenes „Suderverbot“ im Interesse der nationalen Sicherheit erforderlich?
4. War die durch Sie erfolgte Einschränkung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung durch ein öffentlich ausgesprochenes „Suderverbot“ im Interesse der territorialen Sicherheit erforderlich?
5. War die durch Sie erfolgte Einschränkung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung durch ein öffentlich ausgesprochenes „Suderverbot“ im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der Verbrechensverhütung erforderlich?
6. War die durch Sie erfolgte Einschränkung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung durch ein öffentlich ausgesprochenes „Suderverbot“ im Interesse des Schutzes der Gesundheit und der Moral erforderlich?
7. War die durch Sie erfolgte Einschränkung des Grundrechts auf freie Meinungsäußerung durch ein öffentlich ausgesprochenes „Suderverbot“ im Interesse des Schutzes des guten Rufes erforderlich?
8. Planen Sie die Vorlage einer entsprechenden Gesetzesinitiative, um künftig die Verhinderung derartiger zu befürchtender freier Meinungsäußerungen unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger rechtlich abzusichern und sich so als Bundeskanzler den komplizierten Umweg über den öffentlich rechtlichen Rundfunk zu ersparen?
9. Bezieht sich der von Ihrer Seite für Ihre Parteifreunde in Donawitz verhängte „Suderverbot“ auch auf jene in Wels, die im Reigen Ihrer Imagekorrektur Berichten zufolge in Bälde von Ihnen aufgesucht werden?
10. Wenn nein, wie gedenken Sie in diesem Fall die Betroffenen von der von Ihnen beabsichtigten Einschränkung der freien Meinungsäußerung in Kenntnis zu setzen?
11. Fällt die in diesem Zusammenhang an Ihrer Person geübte Kritik durch den Kärntner SPÖ-Landesgeschäftsführer Passegger sowie seinen niederösterreichischen Kollegen Leitner ebenso unter das von Ihnen „verordnete Suderverbot“?