3917/J XXIII. GP

Eingelangt am 14.03.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

ANFRAGE

des Abgeordneten DI Karlheinz Klement

und weiterer Abgeordneter

an die Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlicher Dienst Doris Bures

betreffend die rechtliche Einordnung der Fristenlösung

In letzter Zeit sind Sie durch die rechtsirrige Behauptung, fristgerechte Abtreibungen seien nicht nur straffrei, sondern es bestünde ein Recht der Frau" darauf, negativ aufgefallen.

In der aktuellen Literatur wird die rechtliche Einordung der Fristenregelung wie folgt vorgenommen:

„a) Die von der weitaus überwiegenden Lehre vertretene Ablehnung der Fristenlösung" als Rechtfertigungsgrund ist zutreffend, die für eine Rechtfertigungswirkung ins Treffen geführten Argumente halten einer näheren Überprüfung nicht stand.

Manche versuchen, auf Basis historischer Interpretation anhand der einschlägigen Gesetzesmaterialien die Rechtfertigungswirkung des § 97 (1) Z 1 StGB zu begründen (zB Bernat und Kopetzki, jeweils aaO) und verweisen insbesondere auf den Bericht des Justizausschusses (959 Blg St Prot NR, XIII. GP). Bei genauer Betrachtung bringt jedoch gerade die Lektüre des JAB höchst unterschiedliche Anhaltspunkte zutage (Hirsch, aaO 107), sodass der von manchen daraus gezogene Schluss auf die Rechtfertigungswirkung der Fristenlösung" allenfalls vertretbar, aber keineswegs zwingend erscheint.

Des weiteren ist zu beachten, dass im Rahmen der historischen Interpretation, wenn sie denn schon in Angriff genommen wird, bei der Auswahl der Dokumente nicht selektiv (etwa durch Beschränkung auf den JAB) vorgegangen werden darf. Von tragfähigen, aus historischer Analyse gewonnenen Schlussfolgerungen kann man nur dann sprechen, wenn das vorhandene Material in einer Gesamtschau gewürdigt wird. Die von den Vertretern der Rechtfertigungsthese" vorgetragenen Überlegungen genügen diesen Anforderungen nicht. Tatsächlich zeigt eine entsprechende historische Untersuchung gerade die Widersprüchlichkeit der in der Diskussion vor Einführung der Fristenlösung" von deren (parlamentarischen) Befürwortern ins Treffen geführten Argumente, sodass auf Basis historischer Interpretation für die Rechtfertigungswirkung des §97 (1) Z 1 StGB keine hinreichenden Anhaltspunkte gewonnen werden können (Piskernigg, aaO 266 ff; zustimmend F. Bydlinski, Liber amicorum 53), wie dies etwa folgende Beispiele zeigen:

So wurde in der parlamentarischen Diskussion auch von Fristenlösungsbefürwortern immer wieder die Schutzwürdigkeit des ungeborenen Lebens betont und die partielle Aufhebung der Strafbarkeit mit der Ineffizienz der strafrechtlichen Bestimmungen begründet, welche es


gebiete, im Interesse des Lebensschutzes andere Wege zu gehen. Dieses Argument wäre von einem Standpunkt, welcher die Abtreibungsfreiheit als Frauenrecht" ansieht, evidentermaßen sinnlos, da unter dieser Prämisse ein effizientes Verbot umso mehr auf gehoben werden müsste. In der Nationalratssitzung vom 29.11.1973, in der das Strafgesetzbuch und damit die Fristenlösung" erstmals mit knapper Mehrheit beschlossen wurden, stimmte das Parlament außerdem einstimmig für einen Entschließungsantrag, demgemäß Abtreibungen nicht als gesellschaftspolitisch wünschenswerte Maßnahme angesehen werden dürfen und die Bundesregierung zur Setzung flankierender Maßnahmen zur Verhinderung von Abtreibungen aufgefordert wird.

Auch die im Zusammenhang mit dem Slogan Helfen statt strafen" stehende Argumentation ist im Bereich der Schuld- bzw. Strafausschließungsgründe angesiedelt. Wer ein Recht auf Abtreibung vertritt, braucht die Aufhebung der Strafbarkeit nicht mit Hinweis auf psychologische Motive bzw. die Hilfsbedürftigkeit der betroffenen Frau zu verteidigen. Insoweit bleibt auch der JAB selbst in sich widersprüchlich, da er einerseits von einer Rechtfertigungswirkung des § 97 ausgeht, diese Wirkung jedoch andererseits mit Überlegungen begründet, wie sie ansonsten für Schuld- bzw. Strafausschließungsgründe ins Treffen geführt werden.

Diese Argumentation erinnert an die Begründung der ebenfalls mit dem StGB erfolgten Aufhebung der (Rest-) Strafbarkeit der Prostitution unter gleichzeitiger Beibehaltung der Strafbarkeit der Begleitkriminalität (z.B. Zuhälterei), welche ebenfalls mit dem Schutz der betroffenen Frauen begründet wurde (vgl. EB zur RV vom 17.11.1971, 30 Blg StProt NR, XIII. GP, 361). Damit sollten die Prostitution besser kontrolliert und leichter Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit gesetzt werden können (vgl. etwa §§ 6 ff Wiener Prostitutionsgesetz). Dennoch bleibt die Prostitution sittenwidrig und kann z.B. nicht Gegenstand eines gültigen Vertrages werden (OGH 3 Ob 516/89; Krejci in Rummel I3 RZ 75 ff zu § 879).

Den Gesetzesmaterialien ist auch keinerlei Hinweis zu entnehmen, aus welchen Sachüberlegungen Abtreibung in den ersten drei Monaten als rechtmäßig, eine logische Sekunde später jedoch als (sogar strafbewehrtes) Unrecht angesehen werden könnte. Das (nicht) geschützte Rechtsgut bleibt nämlich dasselbe. Dasselbe Problem ergibt sich für jene, die im Fall der Indikationen die Geburt als Scheidewand zwischen Recht und Unrecht ansehen. Der bloße Entfall der Strafbarkeit aus pragmatisch-kriminalpolitischen Gründen ließe sich in beiden Fällen eher nachvollziehen.

Im übrigen wäre der Rückgriff auf die historische Interpretation hier allenfalls aus wissenschaftlichem Interesse zulässig. Rechtsverbindlichkeit könnte hingegen auch ein klares Ergebnis aus methodischen Gründen nicht erlangen; dies folgt aus der im wesentlichen allgemein anerkannten Rangfolge der Interpretationsmethoden, wie sie insbesondere von F. Bydlinski herausgearbeitet worden ist (Juristische Methodenlehre und Rechtsbegriff2 [1991] 553 ff; weiters in Rummel ABGB I3 RZ 25 f zu § 6; jeweils mwN). Demnach besteht


grundsätzlich ein Vorrang der grammatikalischen und systematisch-logischen vor der subjektiv-historischen Auslegung. Dies gilt auch für das öffentliche Recht (VfSIg 11499/1987; VwGH ZI 2001/06/0057; K. Korinek, Zur Interpretation von Verfassungsrecht, in: H. Mayer ua [Hg], Festschrift für Robert Walter [1991] 368 ff).

Wortinterpretation sowie systematisch-logische Interpretation liefern hier eindeutige Ergebnisse: Von einer Rechtfertigungswirkung ist im § 97 (1) Z1 StGB nicht die Rede. An anderer Stelle hat der Gesetzgeber des StGB, wo er eine Handlung für nicht rechtswidrig" erklären wollte, dies sehr wohl explizit ausgesprochen (vgl §90 [2] betreffend die Sterilisation). Auch der systematische Zusammenhang mit § 22 ABGB spricht eindeutig gegen die Rechtfertigungsthese; diese Bestimmung lautet:

Selbst ungeborene Kinder haben von dem Zeitpunkte ihrer Empfängnis an einen Anspruch auf den Schutz der Gesetze. Insoweit es um ihre und nicht um die Rechte eines Dritten zu tun ist, werden sie als Geborene angesehen; ein totgeborenes Kind aber wird in Rücksicht auf die ihm für den Lebensfall vorbehaltenen Rechte so betrachtet, als wäre es nie empfangen worden."

Daraus folgt, dass der nasciturus teilrechtsfähig ist ab dem Zeitpunkt der Empfängnis (Aicher, aaO RZ 2), weshalb seine Verletzung rechtswidrig ist (Aicher, aaO RZ 3). Neben dem klaren Wortlaut spricht die ebenso klare Absicht des Gesetzgebers (vgl Zeiller, Commentar über das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch I [1811] 550) für dieses Auslegungsergebnis, sodass damit die durch Auslegung nicht überschreitbare lex lata Grenze bestimmt ist (F. Bydlinski in Rummel I3 RZ 25 lit e zu § 6).

Dem Ungeborenen kommen somit ebenso wie dem Geborenen die in § 16 ABGB (Jeder Mensch hat angeborene, schon durch die Vernunft einleuchtende Rechte, und ist daher als eine Person zu betrachten. [...]) genannten Rechte zu (F. Bydlinski in Pammer/Weiler 91 f; Hirsch, aaO 105 f mwN). Diese Bestimmung hat materiell Grundrechtscharakter und beinhaltet die Anerkennung der Menschenwürde (grundlegend Ermacora, Handbuch der Grundfreiheiten und Menschenrechte [1963] 39; zur Anerkennung der gleichen Menschenwürde Ungeborener vgl bereits Zeiller, Zeitschrift für österreichische Rechtsgelehrsamkeit und politische Gesetzeskunde 1825, 211 ff). Nach der Judikatur des VfGH bildet die Menschenwürde die Grundlage unserer Rechtsordnung (VfSIg 13635/1993).

Gründe, weshalb der Vorrang der eben dargelegten grammatikalischen und systematisch- logischen Überlegungen vor allfälligen subjektiv-historischen bei (isolierter) Auslegung des § 97 StGB ausnahmsweise nicht gelten sollte und ein so für den strafrechtlichen Bereich erzieltes Auslegungsergebnis qua Funktionswandel" auch eine Änderung der bezug habenden älteren zivilrechtlichen Bestimmungen bewirken könnte, sind hier nicht gegeben (vgl F. Bydlinski in Rummel, ABGB I3 RZ 25 lit d zu § 6). Ein allfälliges anderes, auf Basis historischer Interpretation gewonnenes Ergebnis - welches, wie bereits gezeigt, hier ohnehin


nicht vorliegt - könnte somit schon aus methodischen Gründen nicht als Begründung verbindlicher Rechtsakte herangezogen werden.

b)     Für die Rechtfertigungsthese wird weiters eine Dominanz des Selbstbestimmungsrechts der Schwangeren im Anfangsstadium" in den Raum gestellt (vgl Kienapfel/Schroll, aaO). Tatsächlich ist die Frau zur Erreichung der Straflosigkeit im Rahmen der Fristenlösung" an keine inhaltlichen Begründungserfordernisse gebunden. Aus dem bloßen Selbstbestimmungsrecht" ein Recht auf Tötung eines anderen abzuleiten, setzt freilich voraus, dass dem Lebensrecht des Todgeweihten (hier: des Ungeborenen) praktisch keinerlei Bedeutung zukommt, was angesichts des § 22 ABGB eindeutig nicht der Fall ist. Eine Tötungsbefugnis unter bloßer Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht" kommt nach aktueller Rechtslage nicht einmal mehr bei Tieren in Betracht. Die Tötung von Tieren ist vielmehr nur aus bestimmten Gründen zulässig (vgl § 6 Tierschutzgesetz [TSchG]). Umso weniger kann daher das Selbstbestimmungsrecht" per se einen rechtfertigenden Grund darstellen, ein ungeborenes Kind zu töten bzw. töten zu lassen, das, soweit es dessen Rechte betrifft, den Geborenen gemäß § 22 ABGB gleichgestellt wird (zu Spezifika des Verhältnisses zwischen Schwangerer und ungeborenem Kind und sich daraus allenfalls ergebenden Schlussfolgerungen siehe unten Pkt 4. b).

c)     Darüber hinaus wird versucht, ein systematisches Argument für die Rechtfertigungsthese aus § 97 (3) StGB (Benachteiligungsverbot) zu gewinnen: Wenn Abtreibung im Rahmen der Fristenlösung" tatsächlich rechtswidrig wäre, wäre auch der bezughabende Vertrag ungültig und der Arzt bzw die Schwangere eventuell sogar Nothilfehandlungen ausgesetzt, was gegen das Benachteiligungsverbot verstieße (Bernat, FS Steffen, 40). Die Bedeutung des §97 (3) StGB für die Frage der Rechtmäßigkeit von Abtreibungen im Rahmen der Fristenlösung" erscheint tatsächlich bisher ungeklärt (Lewisch in Wiener Kommentar2 RZ 39 aE zu § 3). Die Klärung hat nun unter den oben (a) dargelegten methodischen Rahmenbedingungen zu erfolgen.

Der Begriff Benachteiligung (Diskriminierung) als Gegensatz zur Gleichbehandlung beinhaltet in seiner Grundaussage jede benachteiligende Differenzierung, die ohne sachliche Rechtfertigung vorgenommen wird" (so etwa für den arbeitsrechtlichen Bereich Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht7 [1999] 407). Dem entspricht im wesentlichen die vom VfGH im Rahmen der Judikatur zum Gleichheitssatz entwickelte Terminologie (vgl aus der älteren, bereits zum Zeitpunkt der Vorbereitung bzw. Erlassung des StGB einschlägigen Judikatur zB VfSIg 2088, 3754, 4392). Für das in diesem Bereich immer mehr an Bedeutung gewinnende Gemeinschaftsrecht unterscheidet in Zusammenschau der unterschiedlichen Diskriminierungsbereiche (allgemeine Diskriminierung, Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit etc) Plötscher (Der Begriff der Diskriminierung im Europäischen Gemeinschaftsrecht [2003] 277 f) unmittelbare und mittelbare Diskriminierung.


Maßgebliches Kriterium für die unmittelbare Diskriminierung ist demnach die tatbestandliche Anknüpfung an das jeweils untersagte Differenzierungskriterium, d.h. eine unmittelbare Anordnung unterschiedlicher Rechtsfolgen für die Vergleichsgruppen. Im Blickfeld steht damit die direkte Ungleichbehandlung und weniger die ungleiche Auswirkung einer Maßnahme im Ergebnis." Dagegen sind mit dem Begriff der,mittelbaren Diskriminierung'[...] partielle Verschiebungen bzw Erweiterungen hin zu, neutralen' Unterscheidungsmerkmalen verbunden. [...] Zu prüfen sind immer zwei Elemente: (1) eine spezifische unterschiedliche Betroffenheit der Vergleichsgruppen durch die Anwendung eines ,neutralen' Kriteriums sowie (2) das Fehlen einer sachlichen Rechtfertigung für das betroffene Kriterium." Diese Begrifflichkeit war in wesentlichen Punkten bereits zum Zeitpunkt der Erlassung des StGB gegeben (vgl Übereinkommen über die politischen Rechte der Frau, BGBl Nr 256/1969; Internationales Übereinkommen über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl Nr 377/1972; Übereinkommen über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf, BGBl Nr 111/1973; Bundesverfassungsgesetz vom 3. 7.1973 zur Durchführung des internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl Nr 390/1973) und darf daher als vom Gesetzgeber des StGB vorausgesetzt gelten.

Die für die Rechtfertigungsthese als im Widerspruch zu § 97 (3) StGB ins Treffen geführten, bei gegenteiliger Auffassung auftretenden Rechtsfolgen (zB Nichtigkeit des Abtreibungsvertrages) entsprechen den oa Diskriminierungsbegriffen nicht. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Benachteiligungsverbot als bloß staatsgerichtet oder auch inter privatos geltend angesehen wird (grundsätzlich gegen die Geltung inter privatos Schmoller, aaO RZ 39 zu § 97; eine gewisse Rechtswirkung auch unter Privaten bringt allerdings § 6 [3] KAKuG mit sich, demgemäß Anstaltsordnungen in [auch privaten] Krankenanstalten keine nachteiligen Folgen für an Abtreibungen beteiligte Personen enthalten dürfen). Die fraglichen Rechtsfolgen knüpfen nämlich nicht an der Abtreibung an sich an, sondern gelten ganz allgemein für jegliche rechtswidrige Handlung, sodass keine unmittelbare Diskriminierung iS einer unmittelbare(n) Anordnung unterschiedlicher Rechtsfolgen für die Vergleichsgruppen" (hier: rechtswidrig wegen Verstoßes gegen § 22 ABGB gegenüber rechtswidrig wegen Verstoßes gegen andere Rechtsnormen Handelnde) vorliegt. Auch eine mittelbare Diskriminierung ist aus denselben Gründen nicht ersichtlich, da weder eine unterschiedliche Betroffenheit der Vergleichsgruppen von den Rechtswidrigkeitsfolgen noch das Fehlen einer sachliche Rechtfertigung gegeben sind.

Dementsprechend wird etwa von der Judikatur (vgl OGH 2 Ob 702/87, ihm folgend die hL, vgl Schmoller, aaO RZ 40 zu § 97) zB anerkannt, dass Abtreibung grundsätzlich als schwere Eheverfehlung (nunmehr § 49 EheG) einen Scheidungsgrund darstellen kann. Eine Scheidung aus Verschulden zieht freilich gravierende (nicht nur vermögensrechtliche) Folgen für den schuldigen Teil nach sich. Auch der OGH folgt somit der Ansicht, jegliche mit einer Abtreibung verbundene negative Rechtsfolge widerspreche § 97 (3) StGB, offenkundig nicht.


Ein Größenschluss idS, dass, sofern bereits negative organisationsrechtliche Folgen (vgl § 6 [3] KAKuG) für an Abtreibungen Beteiligte unzulässig sind, dies umso mehr für die zT noch weit drastischeren allgemeinen Rechtswidrigkeitsfolgen gelten müsse (Piskernigg, aaO 261 ff), ist unzulässig, da dabei die Inkommensurabilität der in Frage stehenden Rechtsfolgen übersehen wird. Kein Diskriminierungsverbot kann den von ihm geschützten Subjekten eine schlechthin unangreifbare, den sonstigen Ge- und Verboten der Rechtsordnung exemte Rechtsstellung verleihen.

Dies möge folgendes Beispiel illustrieren: Straftätern einen Weg zurück in die Gesellschaft zu ermöglichen (Resozialisierung"), ist Zweck verschiedener Gesetzesbestimmungen (zB §§ 32 [2], 36, 50 ff StGB; §§ 6 [1] Z 2 lit a, 20, 24, 48, 56 ff, 75, 93 ff, 144 ff Strafvollzugsgesetz [StVG ]; vgl weiters etwa das Bewährungshilfegesetz). Von diesem Zweck her könnte man analog zu den oa Antidiskriminierungsbestimmungen ein Benachteiligungsverbot zugunsten von Straftätern (sogar im privatrechtlichen Bereich) vertreten, damit diese nicht an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden können (was auch in Bezug auf die von Abtreibungen betroffenen Frauen zu den unbestrittenen Zwecken der befristeten Straffreistellung gehören dürfte) und so deren Resozialisierung erleichtert wird. Einem Straftäter dürfte damit bloß aufgrund seiner kriminellen Vergangenheit zB kein Lokalverbot erteilt werden, er dürfte keine arbeitsrechtlichen Nachteile erleiden (etwa wenn sein Arbeitgeber von der kriminellen Vergangenheit erfährt) etc.

Selbst wenn man aber ein solches Diskriminierungsverbot sogar bei strafbewehrten Handlungen bejahen (oder sogar explizit gesetzlich festschreiben) würde, folgte daraus keineswegs, dass die an die rechtswidrige (bzw sogar strafbewehrte) Handlung als solche anknüpfenden Rechtsfolgen aufgehoben würden. Wenn man daher auch zB einem Hehler Diskriminierungsschutz zubilligen wollte, so folgte daraus selbstverständlich nicht die Rechtsgültigkeit des Vertrages über die hehlerische Handlung.

Selbstverständlich ist hier keine abschließende Stellungnahme zur Frage des Benachteiligungsverbots von Straftätern beabsichtigt. Diese Überlegung soll lediglich folgendes verdeutlichen: Hier wie dort nehmen die Folgen rechtswidriger Handlungen Ihren Ausgangspunkt nicht in der vor Diskriminierung geschützten Eigenschaft (Straftäter- eigenschaft, Beteiligtsein an Abtreibungen als solche), sondern in der allgemeinen Stellung eines Rechtsunterworfenen, und können daher nicht als dem Diskriminierungsverbot widersprechend angesehen werden bzw qua Größenschluss beseitigt werden.

Dagegen kann auch nicht das an sich zutreffende methodische Argument, demgemäß einer Rechtsnorm durch Auslegung grundsätzlich nicht der Anwendungsbereich entzogen bzw die Norm im Zweifel nicht so interpretiert werden darf, dass sie überflüssig wird, weil sich ihre Rechtsfolgen praktisch bereits aus anderen Normen ergeben (F. Bydlinski in Rummel, ABGB I3 RZ 18 zu § 6), ins Treffen geführt werden. Staatsgerichtet stellt § 97 (3) StGB nämlich klar, dass etwa beim Bezug öffentlicher Leistungen bzw im Rahmen der


Privatwirtschaftsverwaltung an Abtreibung beteiligte Personen aufgrund dessen nicht benachteiligt werden dürfen. Inwieweit sich die Schutzrichtung - über §6(3) KAKuG hinaus - auch inter privatos erstreckt, kann hier dahingestellt bleiben. Wäre dies der Fall, folgte daraus die Einschränkung der Privatautonomie (die Privaten grundsächlich auch unsachliche Differenzierungen gestattet) um einen weiteren Antidiskriminierungstatbestand, was ebenfalls einen eigenständigen normativen Gehalt mit sich brächte. Schließlich ist nicht zu übersehen, dass § 97 (3) StGB, sofern er sich nur an den Staat richtete, jedenfalls auch eine bloße Normwiederholung - nämlich das sich selbstverständlich schon nach allgemeinen Regeln ergebende Benachteiligungsverbot zugunsten nicht an Abtreibung Beteiligter (somit rechtmäßig Handelnder) - enthielte, sodass selbst bei Fehlen eigenständiger normativer Bedeutung das hier erörterte methodische Argument nicht einschlägig wäre; dieses gilt nämlich nur im Zweifel, der damit widerlegt wäre.

Dagegen können aus methodischen Gründen schließlich ebenso wenig allfällige aus historischer Interpretation gewonnene gegenteilige Anhaltspunkte ins Treffen geführt werden, zumal solche angesichts der Widersprüchlichkeit des Anschauungsmaterials überdies nicht mit hinreichender Sicherheit auszumachen wären (vgl oben a)."

(F. Bydlinski / Th. Mayer-Maly (Hrsg.), Mensch von Anfang an?, 2008 Springer-Verlag Wien, Seite 14 bis Seite 21)

Der OGH ist dem im Ergebnis gefolgt (vgl. 6 Ob 101/06 f).

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesministerin für Frauen, Medien und öffentlicher Dienst folgende

ANFRAGE

1)            Was hat Sie, vor dem eindeutigen rechtlichen Hintergrund der Rechtswidrigkeit von Abtreibungen im Rahmen der Fristenlösung dazu bewogen, wiederholt von einem Recht der Frauen darauf zu sprechen?

2)            Wie beurteilen Sie vor diesem rechtlichen Hintergrund die Öffnung von öffentlichen Spitälern für rechtswidrige Abtreibungen?

3)            Haben Sie in Ihrem Kompetenzbereich Möglichkeiten Missständen im Sinne der Frage 2 entgegenzuarbeiten?

4)            Wenn ja, was haben Sie bereits unternommen?

5)            Wenn Sie nichts unternommen haben, warum haben Sie nichts unternommen?

6)            Tun Ihnen die im Rahmen der Fristenlösung rechtswidrig getöteten Kinder leid?