3920/J XXIII. GP

Eingelangt am 17.03.2008
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Dr Gabriela Moser, Dr. Eva Glawischnig-Piesczek, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

 

betreffend Ihre Position zu Autobahn-/Schnellstraßenplänen und generell zur Verkehrssituation im steirischen Ennstal

 

 

Die steirische Landesregierung, konkret Verkehrslandesrätin Edlinger-Ploder, hat am 8. März 2008 angekündigt, eine vierspurige Schnellstrasse durchs Ennstal von Liezen nach Trautenfels bauen zu wollen.

 

Die Straße würde das Ennstal endgültig zur Transithölle machen.  Bereits heute ist die Bevölkerung im Ennstal durch den Schwerverkehr enorm durch Schadstoffe und Lärm belastet.  Eine von der TU-Wien geleitete und mit den Ennstaler Bürgerinitiativen im Sommer 2007 durchgeführte Verkehrszählung belegt die bereits heute extrem hohe Belastung durch den Transitverkehr. Diese liegt um das Zwei- bis Dreifache über dem Schnitt aller anderen österreichischen Bundesstraßen. Insbesondere in der Nacht ist die Anzahl der Schwerlastzüge enorm. Der hohe Transit-Anteil im Ennstal ist nicht zuletzt auch eine Folge der Mautflucht. Die Gesundheits-Grenzwerte bei Lärm werden am laufenden Band überschritten.

 

Das Ennstal ist zudem eines der letzten naturnah erhaltenen Alpentäler, große Teile stehen als EU-Natura 2000 Gebiet unter Naturschutz. Der Bau einer vierspurigen Straße wäre nicht nur aus naturschutz- und umweltpolitischen Gründen falsch, sondern auch demokratiepolitisch bedenklich. Das Ergebnis einer aktuellen, groß angelegten Verkehrsbefragung ist eindeutig:  Mehr als 70% der Bevölkerung sprechen sich gegen den Bau einer vierspurigen Schnellstraße aus.

 

Die steirische Landesregierung will das 400 Mio. Euro Projekt offensichtlich aus Bundesgeldern finanziert haben, wie Aussagen der steir. Verkehrslandesrätin Edlinger-Ploder zu entnehmen ist.

 


Alternativen zum Bau einer vierspurigen Schnellstraße existieren und haben von der Bevölkerung eine breite Zustimmung: eine sanfte Bestandsverbesserung (z.B. Kreisverkehre etc.) sowie ein LKW-Nachtfahrverbot und eine generelle 7,5 Tonnage-Beschränkung für das gesamte Ennstal (außer Ziel- und Quellverkehr).

 

Ihre Position zu diesem Problemkreis ist unklar.

 

Am 27.7.2007 werteten Sie in den Räumlichkeiten des BMWA die Präsentation der Buchpublikation "Verhinderte und verzögerte Infrastrukturprojekte. Kosten und Konsequenzen für Österreich" durch Ihre Anwesenheit und ein Statement auf.

 

Diese Publikation fußt inhaltlich auf einer Forschungsarbeit einer „Arbeitsgemeinschaft für wissenschaftliche Wirtschaftspolitik“. Im wesentlichen wird darin die These vertreten und illustriert, dass von Verhinderern in den letzten Jahrzehnten viele höchst notwendige, mit (Zitat) „positiven externen Effekten“ verbundene große Infrastrukturprojekte zu Lasten des Gemeinwohls zu Fall gebracht worden seien, woraus gewaltige Kosten und Belastungen für die Allgemeinheit resultieren würden. (Direkte und indirekte Kosten, die die Realisierung der Projekte haben bzw. verursachen würde, bleiben ausgeblendet.)

Als Beleg und Fallstudie für diese These wird - neben zB den Kraftwerksprojekten Hainburg und Zwentendorf (!!) - ausgerechnet das seit Jahrzehnten betriebene Projekt einer hochrangigen Straße im obersteirischen Ennstal („Ennsnahe Trasse“) zitiert, obwohl dieses bekanntlich nicht an gemeinwohlfeindlichen Verhinderern, sondern an mangelnder Genehmigungsfähigkeit und gesetzwidrigem Vorgehen der Projektbetreiber scheiterte.

 

Auch Sie äußerten bei diesem Auftritt laut SK-Aussendung die Meinung „Wir liegen mit unserer Infrastruktur zwar im Europavergleich im oberen Feld, wenn man sich aber an den Besten orientiert, haben wir Nachholbedarf“ und zogen dabei den Vergleich mit der Schweiz. Die präsentierte Untersuchung zitiert jedoch in diesem Zusammenhang – auf den Sie sich offensichtlich bezogen - die Schweizer Autobahndichte und macht hier die Milchmädchenrechnung auf,  dass die Schweiz mit nur der Hälfte der Fläche Österreichs über 85% der Autobahnnetzlänge Österreichs verfüge, die Ausstattung Österreichs mit Straßeninfrastruktur daher signifikant unzureichend sei.

 

Bei derselben Veranstaltung ergriffen auch weitere Prominente in diesem Sinn das Wort. So räsonierten Ihr Parteifreund Bundesminister a.D. Hannes Androsch ebenso wie Ihr heutiger Zimmernachbar im BMVIT und führender Aufsichtsrat bei ASFINAG und ÖBB, Horst Pöchhacker, ausgiebig über Verhinderer und die segensreichen Wirkungen, die rasch umgesetzte Projekte – darunter offensichtlich eine Transitstraße im Ennstal? – haben würden.

 

Bekanntlich hat das Projekt eines hochrangigen Straßenbau im Ennstal eine für die Öffentliche Hand aus eigenem Verschulden teure Geschichte, wurde doch für die Errichtung der „Ennsnahen Trasse“ benötigter Grund bewusst rechtswidrig und „denkunmöglich“ (Zitat VWGH) enteignet,  die Enteignungen wurden höchstgerichtlich aufgehoben. Viel öffentliches Geld wurde weiters in Verfahren, Prozessen und Schwarzbauten versenkt. Der finanzielle Schaden, den die verantwortlichen Politiker auf Landes- und Bundesebene damit angerichtet haben, ist enorm. Es wurden über 5 Mio Euro, nach anderen Angaben bis zu 30 Mio Euro an Steuergeldern für undurchführbare Planungen und illegale Bauausführungen sowie die gerichtliche und administrative „Begleitmusik“ aufgewendet. Dies hat nicht nur konkrete, rechtskonforme und umweltverträgliche Lösungen für die betroffene Bevölkerung im Großteil der Region bis heute verhindert, sondern auch in der Folge den Neustart für eine gesetzeskonforme und zeitgemäße  Verkehrsplanung erschwert. Hohe Umwelt-, Gesundheits- und Unfallkosten für die Betroffenen und die (dank fehlender Kostenwahrheit im Verkehr) kofinanzierende Allgemeinheit sind in den letzten 15-20 Jahren in dieser Region angefallen;  sie wären vermeidbar gewesen, wenn nicht immer wieder seitens der regierenden Politik versucht würde, doch noch eine hochrangige Straße „durchzudrücken“, womit zugleich kostengünstigere, stärker und schneller entlastende Lösungen blockiert wurden.

 

BMVIT und die Länder Salzburg und Steiermark beauftragten nach den heftigen Auseinandersetzungen der 90er-Jahre und langem Patt schließlich gemeinsam eine Korridoruntersuchung (Basler+Partner). Diese kommt zu einem eindeutigen negativen Fazit für ein hochrangiges Straßenprojekt im Ennstal: „Großzügigere Planungen (Planfall 4, 4-streifige Schnellstrasse) erzielen aufgrund der Nachfrage im Prognosezeitpunkt und der hohen Infrastrukturkosten geringere Nutzenüberschüsse und sind somit vergleichsweise nicht gerechtfertigt.“

 

Zusätzlich setzt das seit 2003 rechtsverbindliche Verkehrsprotokoll der Alpenkonvention neuen hochrangigen Straßen für den inneralpinen Verkehr enge Grenzen, zu neuen hochrangigen Straßen für den alpenquerenden Verkehr haben die Vertragsparteien – darunter Österreich – ihren Verzicht erklärt. Dennoch wird das Thema Autobahn/Schnellstraße von einigen politischen Repräsentanten am Köcheln gehalten.

 

Bewundernswerterweise haben die Bürgerinnen und Bürger in der Region, die allen Grund zu höchster Frustration über diese Vorgänge seitens der  Regierenden  in Bund und Land hätten,  nicht aufgegeben,  sondern haben selbst die Initiative ergriffen und  2006 eine „Intermodale Verkehrsplanung“ gemeinsam mit der regionalen Politik und der TU Wien auf die Beine gestellt. Die Verkehrssprecherin Ihrer Partei, NR-Abg. Anita Fleckl, wertete in ihrer Wortmeldung bei der 2. Bürgerversammlung am 26.3.2007 das basisdemokratische und konsensuale Vorgehen der Intermodalen Verkehrsplanung als äußerst positiv: (Zitat) „Es muss eine Lösung geben im Sinne aller.“

 

Es wurden weiters im Sommer 2007 professionelle Verkehrszählungen unter Koordination der TU Wien vorgenommen. Ihr Ergebnis:

·          über 3.000 Lkw täglich

·          mit hohem Durchzugsanteil (mit Schwer-Lkw-Anteil von 88%)

·          mit hohem Nachtanteil (an die 1.000 Lkw-Nachtfahrten mit teilweise 100% Schwer-Lkw-Anteil; Nacht-Tag-Verteilung ist bei Pkw und Lkw bis 7,5t etwa 1:10 – also überwiegend regionaler Ziel und Quellverkehr, bei Lkw über 7,5t jedoch wegen des hohen Durchzugs-Anteils 1:2 bis 1:3)

·          daher extreme Lärmbelastung, die Spitzenwerte liegen in der Nacht 9fach höher als nach der Ö-Norm für Gewerbe- und Erholungsgebiete erlaubt wäre,

·          sowie ein Schwerverkehrsanteil, der 2- bis 3mal höher als der Durchschnitt von 8-10% auf den anderen ehemaligen Bundesstraßen B in Österreich ist.

Diese Ergebnisse sind eine klare Aufforderung zu verkehrsbeschränkenden Maßnahmen.

 

Im Oktober 2007 wurden die Ennstalerinnen und Ennstaler im Rahmen dieser „Intermodalen Verkehrsplanung“ von der „Arbeitsgemeinschaft Intermodale Verkehrsplanung“ schließlich zum ersten Mal (!) um ihre Mitarbeit und Meinung in Sachen einer Verkehrslösung gefragt. Trotz eines sehr umfangreichen wissenschaftlichen Fragebogens wurde ein hoher Rücklauf von über 20% erreicht. Die Ergebnisse wurden Ende Jänner 2008 öffentlich präsentiert: Im Rahmen der repräsentativen Ergebnisse votierten 81% für ein Lkw-Nachtfahrverbot, 88% für eine 7,5 Tonnage-Beschränkung für Durchzugs-Lkw, 91% für häufigere Zugverbindungen und 92% für den Ausbau der öffentlichen Zubringerdienste. Der Neubau einer vierspurigen Schnellstraße oder Autobahn bis Trautenfels,  wie ihn sich einige Politiker wünschen, wird dagegen von 71% abgelehnt.

 

Von Ihrer Seite ist bei der erwähnten öffentlichen Präsentation im Sommer 2007 keine kritische Stellungnahme zu den sachlich verqueren Aussagen anderer Anwesender und auch keine Klarstellung zu den entsprechenden Inhalten der präsentierten Publikation in Sachen Ennstal erfolgt.

Sie haben sich auch seitdem öffentlich nicht klar zum Thema „Transitstraße Ennstal“ geäußert.

 

Somit stellt sich die Frage nach Ihrer Position. Diese Frage hat angesichts der Ergebnisse der Intermodalen Verkehrsplanung erhöhte Aktualität:

·          Die Ergebnisse der Verkehrszählung unterstreichen den Handlungsbedarf,

·          die Ergebnisse der erwähnten großangelegten Befragung in den Gemeinden der Region bei repräsentativer Beteiligung belegen eine klare Ablehnung eines hochrangigen Straßenausbaus,

·          zugleich wird jedoch offensichtlich seitens der Stmk. Landesregierung ein erneuter Vorstoß für einen Autobahn-/Schnellstraßenbau vorbereitet,

·          zweckdienliche Maßnahmen zur Reduktion der Verkehrsbelastung werden innerhalb des Landes offensichtlich nicht in zweckdienlicher Weise umgesetzt - vergleiche die fachliche Kritik am Gutachten der BH Liezen, auf dessen Grundlage ein Tonnagelimit abgelehnt wurde.

Auch weitere Faktoren verleihen dem Thema erhöhte Dringlichkeit

·          Es steht die Neuverhandlung des Zweckzuschussgesetzes an, bei der durch verantwortungsbewusste Zurückhaltung des Bundes Landes-Autobahnen zB im Ennstal verhindert werden können – bereits in den letzten Jahren haben ja vor allem finanzielle Engpässe allzu hochfliegenden Ennstal-Straßenbaupläne im Land Steiermark gebremst, nachdem die Steiermark im Zuge der seinerzeitigen Verländerung der Bundesstraßen B keine Sondergelder für ein Ennstal-Groprojekt ergattern konnte, weil aus FPÖ-parteipolitischen Gründen Kärnten und Vorarlberg den Vorzug bekamen.

·          Aufgrund von Sonder-Übergangsbestimmungen im Rahmen der Verländerung der Bundesstraßen B könnte ab Jahreswechsel auch die ASFINAG wieder mit im Spiel sein.

Ihre Zuständigkeit ist somit nicht in Zweifel zu ziehen.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 


 

ANFRAGE:

 

1.        Ist Ihnen bekannt, dass ein hochrangiges Straßenbauprojekt im Ennstal („Ennsnahe Trasse“) an der materienrechtlich wie europarechtlich nicht gegebenen Genehmigungsfähigkeit gescheitert ist?

 

2.        Stehen Sie zu den Ergebnissen der vom BMVIT mit den Ländern beauftragten Korridoruntersuchung von Basler+Partner, insbesondere zur negativen Bewertung eines hochrangigen Straßenprojekts (Zitat: „Großzügigere Planungen (Planfall 4, 4-streifige Schnellstrasse) erzielen aufgrund der Nachfrage im Prognosezeitpunkt und der hohen Infrastrukturkosten geringere Nutzenüberschüsse und sind somit vergleichsweise nicht gerechtfertigt.“)?

 

3.        Teilen Sie die Aussagen zu den Nachteilen einer Nicht-Verwirklichung einer Autobahn/Schnellstraße im Ennstal gemäß der Studie und Publikation zu Infrastruktur-Verhinderungs-Kosten, an deren öffentlicher Präsentation Sie am 27.7.2007 zusammen mit Ihrem Parteikollegen Hannes Androsch und Ihrem Vertrauten Horst Pöchhacker mitwirkten?

 

4.        Wenn ja: Ist Ihnen bekannt, dass eine hochrangige Straße im Ennstal nicht Bestandteil des ASFINAG-Bauprogramms ist?

 

5.        Wenn nein: Warum äußern Sie sich nicht klar ablehnend zu einer hochrangigen Straße im Ennstal?

 

6.        Wann und in welcher Form haben Sie Ihre Haltung gegenüber der Steirischen Landesregierung dokumentiert?

 

7.        Welche Position hat Ihr Vertreter im ASFINAG-Aufsichtsrat in der Frage Ennstal zu vertreten?

 

8.        Können Sie ausschließen, dass für ein hochrangiges Straßenbauprojekt im Ennstal zwischen dem Raum Liezen und dem Raum Altenmarkt im Pongau bzw. Teile davon in der kommenden Finanzausgleichsperiode Mittel des Bundes bereitgestellt werden?

 

9.        Wenn nein, warum nicht?

 

10.    Können Sie ausschließen, dass ein hochrangiges Straßenbauprojekt im Ennstal zwischen dem Raum Liezen und dem Raum Altenmarkt im Pongau bzw. Teile davon in den kommenden Jahren Ihre Genehmigung im Rahmen eines ASFINAG-Bauprogramms finden könnte?

 

11.    Wenn nein, warum nicht?

 

12.    Sind Ihnen die bisherigen Ergebnisse der „Intermodalen Verkehrsplanung Ennstal“ bekannt, und welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus?

 


13.    Sind Ihnen insbesondere die in der Anfragebegründung erwähnten Ergebnisse der Verkehrszählung bekannt, und welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus?

 

14.    Sind Ihnen insbesondere die in der Anfragebegründung erwähnten Ergebnisse der Lärmmessungen bekannt, und welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus?

 

15.    Sind Ihnen insbesondere die in der Anfragebegründung erwähnten repräsentativen Ergebnisse der Bürgerbefragung bekannt, und welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus?

 

16.    Wie stehen Sie angesichts der in Frage 12 bis 15 angesprochenen, in der Anfragebegründung ausgeführten Ergebnisse zu einem Fahrverbot für Lkw über 7,5 Tonnen im Ennstal durch die zuständigen Behörden?

 

17.    Wie stehen Sie angesichts der in Frage 12 bis 15 angesprochenen, in der Anfragebegründung ausgeführten Ergebnisse zu einem Nachtfahrverbot für Lkw im Ennstal?

 

18.    Welche konkreten Maßnahmen zur Attraktivierung der Schieneninfrastruktur im Ennstal werden Sie bis wann durchsetzen?

 

19.    Welche konkreten Maßnahmen zur Attraktivierung des Angebots im Schienenfernverkehr im Ennstal werden Sie bis wann durchsetzen?

 

20.    Welche konkreten Maßnahmen zur Attraktivierung des Angebots im Schienennah- und Regionalverkehr im Ennstal werden Sie bis wann durchsetzen bzw. im Wege der Bundesfinanzierung ermöglichen?

 

21.    Welche konkreten Maßnahmen zur Attraktivierung des Angebots im sonstigen Personennah- und Regionalverkehr im Ennstal werden Sie bis wann durchsetzen bzw. im Wege der Bundesfinanzierung ermöglichen?

 

22.    Welche Unterstützung des Bundes ist für Baumaßnahmen und sonstige Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung in den Orten entlang der derzeitigen Landesstraße B320 möglich?