3959/J XXIII. GP
Eingelangt am 28.03.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
des Abgeordneten Dr. Fichtenbauer
und weiterer Abgeordneter
an den Bundesminister für Landesverteidigung
betreffend Videokommunikationsanlagen
Die Tageszeitung „Die Presse", vom 15.03.2008, berichtete unter dem Titel „Undurchsichtige Manöver" folgendes:
„Seit Monaten tobt ein Krieg um eine Ausschreibung des Verteidigungsministeriums. Es geht um den Kauf von Videokommunikationsanlagen. Auch für den Einsatz im Tschad.
Jänner 1991 - wer erinnert sich nicht? Erstmals konnte die Welt einen Krieg vom Wohnzimmer aus verfolgen: CNN-Reporter Peter Arnett berichtete live vom Dach eines Hotels in Bagdad vom Beginn des ersten Irak-Kriegs. Historisch. Keine Frage, dass die Welt via CNN auch am zweiten Irak-Krieg teilhaben durfte.
Kurt Kerschat verbindet damit ganz besondere Erinnerungen. Was daran liegt, dass sich CNN bei der TV-Übertragung unter anderem feinster Technologie aus Graz bediente. Es war der Beginn eines steilen Höhen flugs von Kerschats Grazer Firma Scotty. Mittlerweile wird die Videokommunikation-Technologie des österreichischen Unternehmens, das in London an der Börse notiert, weltweit eingesetzt: CNN ist nach wie vor Kunde, der Fernsehsender Al-Jazeera detto. Außerdem verlassen sich 38 Armeen weltweit auf die renommierte Kommunikationstechnologie made by Scotty. Auch das Österreichische Bundesheer.
Trotzdem ist Scotty-Chef Kerschat neuerdings ein wenig unrund. Er hat nämlich ordentlich Zores - ausgerechnet mit dem österreichischen Kunden. „Offenbar gibt es beim Bundesheer die Tendenz, heimische Firmen als Lieferanten rauszudrängen", klagt Kerschat.
Das ist noch eine elegant-zurückhaltende Formulierung. In Wahrheit tobt seit einem Jahr ein regelrechter Krieg um eine Ausschreibung des Verteidigungsministeriums für acht zusätzliche Videokommunikationsanlagen (VKS) - im Wert von rund 430.000 Euro.
Eine Ausschreibung mit äußerst undurchsichtigen Manövern. Jedenfalls kann man sich angesichts der ungewöhnlichen Ausschreibungs-Chronologie des Eindrucks nicht erwehren, dass einige Verantwortliche im Ministerium keinesfalls die Firma Scotty zum Zug kommen lassen wollen. Sondern eine auf dem Gebiet eher unbekannte deutsche Firma namens Gesat.
Drei Mal ist das Bundesvergabeamt in der Angelegenheit bereits eingeschalten worden. Und drei Mal hat ebendieses Amt die Ausschreibung des Ministeriums beanstandet.
Mittlerweile wird die Angelegenheit schon ziemlich brenzlig: Ein Teil der zu bestellen-
den zusätzlichen Anlagen ist nämlich für den Österreich-Einsatz im Tschad vorgesehen. Und der startete bekanntermaßen bereits am 30. Jänner.
Dabei hatte die Sache anfangs noch sehr günstig für Scotty ausgesehen. Die Ausschreibung war erstmals im Sommer 2006 erfolgt (als von der Tschad-Mission freilich noch keine Rede war). Das Bundesheer war offenbar mit seinem Grazer Lieferanten so zufrieden, dass der damalige ÖVP-Verteidigungsminister Günther Platter Monate zuvor sogar eine interne schriftliche Weisung erteilte, eine Nachbeschaffung durch Scotty zu veranlassen. Auch Generalmajor Günter Höfler, Chef des Kommandos für Internationale Einsätze, ist Feuer und Flamme für die Grazer Technologie: „Die Scot-ty-Anlagen haben sich hervorragend bewährt", schwärmt er.
Also Ausschreibung numero eins im Sommer 2006. Vier Angebote gab es damals, Scotty war Billigstbieter. Trotzdem ging der Zuschlag im März 2007 an GESAT. Worauf Scotty einen so genannten Nachprüfungsantrag beim Bundesvergabeamt einbrachte. Was damals noch keiner wissen konnte: Es sollte beileibe nicht die einzige Begegnung mit dem Amt bleiben.
Im Mai 2007 kam dann der Bescheid der Vergabe-Spezialisten: Die Zuschlagsentscheidung des Ministeriums wurde für nichtig erklärt. Alles andere als angenehm für den Auftraggeber.
Was aber nicht bedeutete, dass man es nicht nochmals versuchte. Ende November 2007 startete somit die Operation „Nacht und Nebel": Ohne vorheriger öffentlicher Bekanntmachung verschickte das Ministerium Einladungen an mögliche Lieferanten - auch an Scotty. Mit der Aufforderung, Angebote zu hinterlegen.
Originell: Die Frist für die Zusendungen wurde nicht nur ungewöhnlich kurz bemessen. Das Ministerium machte auch noch „produktspezifische Festlegungen" und verlangte im so genannten Leistungsverzeichnis „Tandberg"-Geräte. Zufälligerweise sind das just jene Produkte, die die deutsche GESAT anbietet. Wieder drohte Scotty mit dem Bundesvergabeamt Worauf das Verteidigungsministerium das Vergabeverfahren wenige Wochen später selbst zurückzog.
Am 30. Jänner 2008 folgte schließlich Versuch numero drei: Wieder kam es zu einer nicht veröffentlichten Angebotsaufforderung. Und wieder so unsauber, dass das Bundesvergabeamt Mitte Februar eine einstweilige Verfügung dagegen aussprach.
Am 4. März folgte eine mündliche Verhandlung, bei der die Öffentlichkeit ausgeschlossen wurde. Dabei wurde, hinter verschlossenen Türen, klar, dass die Beschaffung der Ausrüstung des österreichischen Kontingents im Tschad dient. Dort sollen mehrere österreichische Stellen gleichzeitig über die Videokommunikationssysteme miteinander kommunizieren können.
Interessant sind in dem Zusammenhang auch die protokollierten Wortspenden der Verhandlungsteilnehmer. Da betont etwa der Rechtsvertreter von Scotty, dass Konkurrent Gesat keine Referenzen habe. Was von einem Vertreter des Verteidigungsministeriums so gekontert wird: Die Festlegung der Eignungskriterien sei Sache des Auftraggebers. „Dabei sind nicht zwingend Referenzen zu verlangen." Wär ja noch schöner.
Am Montag, den 10. März, schließlich kam nun der Bescheid des Bundesvergabe-amts: Das Vergabeverfahren wurde für nichtig erklärt. Wieder einmal.
Besonders aufschlussreich ist die Begründung des zuständigen Senats im Bundes-vergabeamt: Die Angebotseinholung ohne vorherige öffentlicher Bekanntmachung sei gesetzeswidrig. Außerdem müsse in einer Ausschreibung eindeutig formuliert werden, was genau verlangt wird. Dies sei in der Causa „nicht der Fall". Und dann wundert sich das Amt auch noch: „Warum keine betriebliche Kompatibilität mit den bestehenden Systemen (Scotty, Anm.) verlangt wird, kann nicht nachvollzogen werden."
Aufklärung aus dem Büro von SPÖ-Verteidigungsminister Norbert Darabos ist wohl eher nicht zu erwarten*. Auf Anfrage der „Presse" meint sein Sprecher bloß: „Ich bin mit der Sache nicht vertraut. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Bieter bevorzugt wird."
In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Landesverteidigung nachstehende
Anfrage:
1.
Warum hat GESAT im März 2007 den Zuschlag bekommen, obwohl
Scotty
der
Billigstbieter war?
2. Wer war für diese Entscheidung verantwortlich?
3.
Warum wurde die Zuschlagsentscheidung vom März 2007 vom
Bundesverga-
beamt
für nichtig
erklärt?
4.
Warum wurden bei der zweiten Ausschreibung im Leistungsverzeichnis
„Tandberg"-Geräte verlangt?
5. Wer war für diese produktspezifische Festlegung verantwortlich?
6.
Warum hat das Bundesvergabeamt gegen die dritte Ausschreibung vom 30.
Jänner 2008
eine einstweilige Verfügung ausgesprochen?
7. Wer war für diese Ausschreibung vom 30. Jänner 2008 verantwortlich?
8. Welche Referenzen hat GESAT?
9. Gab es Interventionen für GESAT?
10.Wenn ja, von wem?
11.Hat die Interne Revision Einspruch erhoben?
12. Wenn ja, warum?
13.Welche sonstigen Kriterien gab es für die Neuausschreibungen?
14. Warum wurde bei den Ausschreibungen nie eine betriebliche Kompatibilität
mit den bestehenden Systemen verlangt?
15.Welche Konsequenzen haben Sie aus den Vorgängen gezogen?