3961/J XXIII. GP

Eingelangt am 27.03.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Mag. Hauser
und weiterer Abgeordneter

an die Bundesminister für Inneres

betreffend straffällige Marokkaner und Asylwerber in Tirol

Die Kronenzeitung vom 9. Februar berichtete:

Seit einigen Jahren führt die Polizei einen verbissenen Kampf gegen Marokkaner, die
Innsbruck mit ihren Straftaten verunsichern. Trotz enormer Anstrengungen sind Ab-
schiebungen aber fast unm
öglich. Derzeit laufen daher zwölf zweifelsfrei identifizierte
Marokkaner, die Straftaten ver
übten, bei uns frei herum".

Mitte des Jahres 2004 tauchten in Innsbruck die ersten Nordafrikaner auf, die die kri-
minelle Szene in extrem auffälliger Weise "bereicherten". Großteils handelt es sich um
Marokkaner, die aus Italien anreisten und hier ihre Drogengesch
äfte abwickelten. Dabei
kam es unter den Nordafrikanern immer wieder zu heftigen "Revierkämpfen", die nicht
selten mit Messern ausgetragen wurden. 283 Personen aus dieser Szene wurden bis-
her wegen Straftaten von der Polizei registriert", stellt Peter Oehm von der Fremdenpoli-
zei fest. "Einige fassten inzwischen lange Haftstrafen aus, andere tauchten unter, dafür
kamen wieder andere nach." Derzeit besteht die Szene aus etwa 50 bis 60 Mitgliedern,
die allerdings nicht mehr so auff
ällig sind, seit sie durch Schutzzonen aus dem Rapoldi-
park vertrieben wurden. Oehm beschreibt die unglaubliche Problematik bei der Abschie-
bung der straffällig gewordenen Marokkaner, bei denen inzwischen auch die Asylansu-
chen das die meisten bei der ersten Festnahme stellten rechtskr
äftig negativ entschie-
den wurden: "Nur in neun F
ällen konnten wir die Identität marokkanischer Straftäter bis
zum Fr
ühjahr 2007 zweifelsfrei feststellen.

Fünf davon konnten abgeschoben werden, der Rest tauchte unter." Seit Mai ist die Si-
tuation besser geworden. Nach Intensivierung der Kooperation verschiedener Polizeiab-
teilungen und dem "Genieblitz" eines Wipptaler Polizisten konnten mit Hilfe der Interpol
in Rabat in dieser Zeit zw
ölf marokkanische Straftäter zweifelsfrei identifiziert werden.
"Bis zu gecharterten Privatflugzeugen steht nun alles Gewehr bei Fu
ß, um sie abzu-
schieben. Aber die marokkanischen Behörden verweigern uns die nötigen Heimreisezer-
tifikate", klagt Oehm. In Schubhaft k
önnten diese Personen auch nicht verwahrt werden.
Mit Hungerstreiks, Brandanschlägen und ähnlichem erzwingen sie ihre "Haftuntauglich-
keit" und laufen daher frei herum ..."

Die Tiroler Tageszeitung vom 9. Februar berichtete:

Mitte 2004 sah sich die Innsbrucker Polizei erstmals mit einem neuen Phänomen konf-
rontiert: Kriminelle aus Nordafrika, vornehmlich aus Marokko, tauchten an den gut fre-
quentierten Plätzen der Stadt auf. Nach wenigen Wochen hatten sie den Drogenhandel
an sich gerissen, die Kriminalitätsrate in der Stadt stieg in gleichem Maß, wie das Si-
cherheitsgef
ühl sank. Nach einer längeren Nachdenkphase reagierte die Polizei. Mit
mobiler Video
überwachung, verstärkter Kontrolltätigkeit und der Einrichtung von so ge-
nannten Schutzzonen gelang es den Uniformierten, das Problem in den Griff zu be-
kommen. "Die öffentliche Wahrnehmung dieser Art von Kriminalität ist zurückgegangen",
sagt Peter Öhm.

 

Bei dem Juristen der Bundespolizeidirektion laufen die Fäden in Sachen Marokkaner-
Szene zusammen - und zwar österreichweit. "Unsere Klienten sind inzwischen nicht
mehr nur in Innsbruck aktiv, auch aus Wien, Salzburg, Graz und zuletzt Villach gibt es
Meldungen." Letztlich landen aber doch alle Fälle auf Öhms Schreibtisch: "Weil
wir die größte Erfahrung in diesem Bereich haben."

Mittlerweile umfasst die Marokkaner-Kartei der Innsbrucker Polizei fast 300 Personen.
M
änner, die straffällig wurden, von denen aber nur ein verschwindend kleiner Teil ein-
wandfrei identifiziert ist. Und von denen sich immer nur knapp 50 in Tirol aufhalten. Der
Rest h
ält sich nach Angaben der Polizei im oberitalienischen Raum auf. Seit 2004 ver-
sucht
Öhm, rechtskräftig verurteilte Marokkaner, die ihre Strafe verbüßt haben und de-
ren Asylverfahren abgeschlossen ist, in ihr Heimatland abzuschieben. Mit bescheide-
nem Erfolg: "In den Jahren 2004 und 2005 hat uns die Botschaft genau neun so ge-
nannte Heimreisezertifikate erteilt, ohne die eine Abschiebung nicht möglich ist. Fünf
Personen wurden tatsächlich abgeschoben, die anderen sind untergetaucht." Meist aber
weigert sich Marokko, die eigenen Landsleute zurückzunehmen. Grund: Deren Identität
sei unklar.

Tatsächlich stellte die zweifelsfreie Identifizierung bis jetzt Öhms größtes Problem dar.
Deshalb wurden innerhalb der Polizei neue Strukturen geschaffen, die nicht nur den
Kampf gegen die Kriminalit
ät vor Ort ermöglicht, sondern auch die internationale Ver-
netzung im Auge hat. "Jetzt laufen alle Daten zu dieser Personengruppe bei der Bun-
despolizeidirektion Innsbruck zusammen. Über das Bundeskriminalamt werden sie dann
mit Interpol abgeglichen. "Seither tauchen immer wieder Meldungen auf, dass unsere
Leute auch in anderen L
ändern Straftaten begehen." Seit einiger Zeit arbeiten die In-
nsbrucker auch mit Interpol Rabat zusammen. "Das l
äuft super", freut sich Öhm,
"auf diese Weise haben wir schon zw
ölf Marokkaner einwandfrei identifiziert."
Wer nun glaubt, einwandfreie Identifizierung bedeute auch Abschiebung, der irrt: Die
zw
ölf Kriminellen laufen frei herum! Bis jetzt hat Marokko keine Ausreisepapiere ge-
schickt - und ohne Papiere keine Abschiebung. Die M
öglichkeit, sie in Schubhaft zu
nehmen und so von der Stra
ße fernzuhalten, taugt ebenfalls nur bedingt, sagt Ohm: "In
Schubhaft halten wir diese Personen maximal zehn Tage, danach treten sie entweder
in Hungerstreik oder zünden ihre Zelle an, damit wir sie wegen Haftunfähigkeit entlassen
müssen."

Die Bilanz der Polizei fällt somit zwiespältig aus. Es gelingt zwar, immer mehr Marokka-
ner als Straftäter zu überführen: Allein 2007 wurden 110 Personen angezeigt. Damit
erhöht sich die Zahl der polizeilich erfassten Kriminellen aus Marokko auf 283. Tatsäch-
lich abgeschoben wurden fünf - und das ist nicht nur Peter Öhm zu wenig."

In einem interview mit dem damaligen Oberstaatsanwalt Rainer zur Nordafrikaszene am
14.2.2007 stellte dieser fest, dass Justiz und Polizei derzeit die Hände gebunden sei-
en". Weiters:
Für Teile dieser Nordafrikaszene wurde die Justiz und die Polizei wir-
kungsvollere Gesetze ben
ötigen. Ohne rechtspolitische Maßnahmen sind uns derzeit
die H
ände aber gebunden."

 

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Herrn Bun-
desminister für Inneres folgende

Anfrage:

1.             Wie viele straffällige Asylwerber gab es in Tirol im Jahr 2007?

  1. Wie viele Asylwerber davon konnten in einen Zusammenhang mit dem Drogen-
    handel gebracht werden?
  2. Ist es richtig, dass vor allem Asylwerber den Drogenhandel in Innsbruck betrei-
    ben?
  3. Gibt es Informationen wer die Hintermänner dieses Drogenhandels sind?
  4. Wie viele von den straffälligen Asylwerbern aus Tirol wurden 2007 abgeschoben?
  5. Welche neuen Strukturen wurden innerhalb der Polizei diesbezüglich geschaf-
    fen?
  6. Gibt es eine eigene Sonderkommission oder Einsatzgruppe?
  7. Wie viele Exekutivbeamte sind mit diesen Fällen betraut?
  8. Werden Sie die Exekutive in diesem Bereich verstärken?
  9. Wenn nein, warum nicht?
  10. Wenn ja, wie viele Exekutivbeamte werden in Innsbruck - Stadt insgesamt einge-
    setzt?
  11. Wie gestaltet sich in diesem Zusammenhang die Zusammenarbeit mit den Kolle-
    gen aus Italien?
  12. Welche Möglichkeiten der Identifizierung werden angewendet?
  13. Warum werden die genannten Personen nicht abgeschoben?
  14. Welche Verbesserungen diesbezüglich sind geplant?
  15. Ist ein Hungerstreik ein Grund die in Schubhaft befindliche Person wieder freizu-
    lassen?
  16. Ist das Anzünden der Zelle ein Entlassungsgrund?
  17. Wie oft kam eine Entlassung aus der Schubhaft auf Grund von Hungerstreik im
    Jahr 2007 in Österreich vor?
  18. Wie oft kam eine Entlassung aus der Schubhaft auf Grund von Hungerstreik im
    Jahr 2006 in Österreich vor?
  19. Wie oft kam eine Entlassung aus der Schubhaft auf Grund von Hungerstreik im
    Jahr 2007 in Tirol vor?
  20. Wie oft wurde österreichweit im Jahr 2007 von Personen in Schubhaft die Zelle
    angezündet?
  21. Wie oft führte dieses Vorgehen im Jahr 2007 österreichweit zu einer Entlassung
    aus der Schubhaft?
  22. Wie oft wurde österreichweit im Jahr 2006 von Personen in Schubhaft die Zelle
    angez
    ündet?
  23. Wie oft führte dieses Vorgehen im Jahr 2006 österreichweit zu einer Entlassung
    aus der Schubhaft?
  24. Wie oft wurde in Tirol im Jahr 2007 von Personen in Schubhaft die Zelle ange-
    zündet?
  25. Wie oft führte dieses Vorgehen im Jahr 2007 in Tirol zu einer Entlassung aus der
    Schubhaft?
  26. Welche gesetzlichen Maßnahmen, aufbauend auf die Kritik von Oberstaatsanwalt
    Rainer, haben Sie gesetzt?
  27. Wieso unterstützen Sie nicht die Initiative der FPÖ, straffällige Asylwerber in An-
    haltezentren zu verwahren bis die Abschiebung erfolgen kann?
  28. Welche bilateralen und multilateralen Anstrengungen haben Sie unternommen,
    damit Staaten wie Marokko ihre straff
    älligen Staatsbürger zurücknehmen müs-
    sen?
  29. Wie viele straffällige marokkanische Asylwerber wurden von Marokko seit 2004
    zurückgenommen?