3987/J XXIII. GP
Eingelangt am 01.04.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
des Abgeordneten Dipl.-Ing. Karlheinz Klement
und weiterer Abgeordneter
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend mögliche strafbare Machenschaften von Landeshauptmann HAIDER und VP-Obmann MARTINZ in Kärnten
Laut umfangreichen Medienberichten (vgl. z.B. Kleine Zeitung vom 1.3., 5.3. und 13. 3.2008) soll der Villacher Wirtschaftstreuhänder Dietrich Birnbacher sechs Millionen Euro (zuvor geplant: zwölf Millionen Euro) für eine angebliche Beratung des Landes Kärntens im Zusammenhang mit dem Verkauf von Kärntner Landesanteilen an der Hypo Group Alpe Adria an die bayerische Landesbank (BayernLB) erhalten. Diese Zahlung wurde vom Kärntner Landeshauptmann Jörg HAIDER (BZÖ) und vom Kärntner VP-Obmann Josef MARTINZ zugesagt.
Im Zusammenhang mit diesen rechtlich bedenklichen Gestionen wurde bereits die Staatsanwaltschaft aktiv. Die Beauftragung Birnbachers durch HAIDER und MARTINZ ohne Vertretungsbefugnis, ohne Ausschreibung und ohne Regierungsbeschluss sowie die unangemessene Höhe des Honorars begründet nämlich den dringenden Verdacht der Verwirklichung strafrechtlicher Tatbestände.
Der renommierte Kärntner Wirtschaftsprüfer DDr. Johann Neuner stellte zu dem Sachverhalt in der „Kleinen Zeitung" vom 5. 3. 2008 unter anderem Folgendes fest: „Herr Steuerberater Birnbacher hat im Rahmen seiner Auftragsabwicklung Gespräche geführt, Verträge gegengelesen und die Auftraggeber HAIDER und MARTINZ mündlich beraten. Der Käufer stand bereits fest. Eine solche Tätigkeit hat nichts mit jener einer Investmentbank zu tun. Sie ist vielmehr mit jener eines Wirtschaftstreuhänders vergleichbar. Und wenn Sie, Herr Kollege Birnbacher, im Interview mit der Kleinen Zeitung ausführen, dass jeder aus unserer Branche nach diesen Usancen sein Erfolgshonorar abgerechnet hätte, dann irren Sie gewaltig. Denn viele meiner Kollege und ich hätten diesen Auftrag inklusive Erfolgshonorar gerne um einen Bruchteil übernommen. Das wäre noch immer genug Geld für eine Arbeit für zwei Monate. Doch da die Auftragsvergabe geheim erfolgte, gab es keine Möglichkeit, sich zu bewerben. "
Und der Kärntner Strafrechtsexperte Rechtsanwalt MMag. Dr. Michael Herrmann von Dohr stellte in der „Kleinen Zeitung" vom 1. März 2008 zu diesen Machenschaften Folgendes fest: "Die Rechtfertigung der orangen und schwarzen Politiker zum (...) Honorar eines Wirtschaftstreuhänders für eine zweimonatige mündliche Beratungsleistung zeigt deutlich, dass Moral keine Kategorie der Politik ist und Maßlosigkeit gepaart mit Realitätsverlust zum Prinzip erklärt wurde. Jörg HAIDER, einst Kämpfer für Sitte und Anstand, verteidigt nunmehr eine Summe, die jenseits der Neidgrenze liegt und schweigt zu den Millionengagen seiner ehemaligen Mitstreiter Rumpold und Reichhold. Im Gegenzug lässt er sich feiern, wenn sich die Ärmsten stundenlang anstellen, um 100 Euro von ihm gnädig in Empfang nehmen zu können.
Sein Kollege MARTINZ, der sein Naheverhältnis zu dem Wirtschaftstreuhänder offen zugibt, meint, dass es furchtbar sei, dass der Vertrag öffentlich bekannt wurde (...). Rechtlich ist es zweifelsfrei so, dass die Holding laut Gesetz nur von den Vorständen verpflichtet werden kann und Aufsichtsräten keine Geschäftsführungsbefugnis zukommt, demnach wäre ein von MARTINZ und HAIDER unterzeichneter Vertrag unwirksam, sodass auch keine Zahlung zu leisten wäre. Auch die angebliche Angemessenheit darf bezweifelt werden (...). Denn üblicherweise wird für Transaktionen in diesen Dimensionen (...) auf Stundenbasis abgerechnet. Die Staatsanwaltschaft ist heute am Zug, morgen der Wähler."
Daher stellen unterfertigte Abgeordnete an die Bundesministerin für Justiz folgende
ANFRAGE:
1.) Besteht angesichts des Umstandes, dass in Kärnten von der Landes-Holding ein exorbitantes Honorar von mehreren Millionen Euro an den genannten Wirtschafts- treuhänder für eine zweimonatige mündliche Beratung ausbezahlt werden soll(te), obwohl dies offenkundig überhöht ist und es keinen Vertrag mit der Holding (sondern nur mit den - zur Vertretung der Landes-Holding nicht befugten - Aufsichtsräten Haider und Martinz) und auch keinen Regierungsbeschluss gegeben hat, der Tatverdacht einer strafrechtlichen Untreuehandlung?
2.) Welche Personen sind von dem Verdacht als mögliche Täter (sei es als unmittelbarer Täter, sei es als Beteiligungstäter) betroffen?
3.) Wie ist die angebliche Tätigkeit des genannten Wirtschaftstreuhänders dokumentiert?
4.) Ist der genannte Wirtschaftstreuhänder Makler oder Wirtschaftstreuhänder?
5.) Gibt es für Wirtschaftstreuhänder einen offiziellen Tarif für deren Honorarbemessung?
6.) Wurde dieser Tarif im anfragegegenständlichen Fall eingehalten?
7.) Erblicken Sie als rechtskundige Justizministerin in der erwähnten Auftragsvergabe sowie in der auffallenden Höhe des Honorars die Verwirklichung des Straftatbestandes der strafrechtlichen Untreue durch Jörg HAIDER und Josef MARTINZ (als unmittelbare Täter) und Dietrich Birnbacher (als Beteiligungstäter)?
8.) Erblicken Sie als rechtskundige Justizministerin in der erwähnten Auftragsvergabe ohne Regierungsbeschluss sowie in der auffallenden Höhe des versprochenen Honorars die Verwirklichung des Straftatbestandes des Amtsmissbrauches durch Landshauptmann Jörg HAIDER?
9.) Erblicken Sie als rechtskundige Justizministerin in den aufgezeigten Handlungen der vorgenannten Tatverdächtigen den Tatbestand des (allenfalls versuchten) Betruges oder einen anderen strafrechtlichen Tatbestand?
10.) Ist es zutreffend, dass die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft bisher in Richtung eines oder mehrerer der strafrechtlichen Tatbestände Wucher, Untreue, Amtsmiss- brauch und falsche Zeugenaussage Ermittlungen aufgenommen hat, und wenn ja, was genau hat die Staatsanwaltschaft bisher in dieser Causa wann unternommen?
11.) Ist es zutreffend, dass der in diesem Zusammenhang offenbar tatverdächtige Landeshauptmann HAIDER im Bestreben seiner Entlastung "drei voneinander unabhängige Gutachter" präsentiert hat?
12.) Begründet die Beauftragung und Bezahlung dieser Gutachter aus Landesmitteln - zum Zweck der Verteidigung von Landeshauptmann HAIDER in einem ihn persönlich betreffenden Strafverfahren - nicht auch den Tatverdacht strafrechtlicher Untreuehandlungen?
13.) Handelt es sich bei diesen "drei voneinander unabhängigen Gutachtern" um die Herren Nowotny, Brandstätter und Altenberger?
14.) Ist es zutreffend, dass der "Gutachter" Nowotny derzeit Hauptverdächtiger im der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt anhängigen Libro-Strafverfahren ist? (Wenn ja, wann ist in jenem Verfahren mit einer Anklageerhebung zu rechnen?)
15.) Ist es zutreffend, dass der "Gutachter" Brandstetter in selbigem Verfahren sein Strafverteidiger ist?
16.) Ist es zutreffend, dass der "Gutachter" Altenberger der von den beiden vorgenannten und/oder ihren Mitangeklagten als privater "Gegengutachter" zum vom Gericht bestellten Amtsgutachter in Erscheinung getreten ist?
17.) Stellt dies in Ihren Augen und in den Augen der Staatsanwaltschaft eine überzeugende Garantie für die Unabhängigkeit und Objektivität dieser drei "Gutachter" und ihrer Gefälligkeitsgutachten für Landeshauptmann HAIDER dar?
18.) Nach Bekanntwerden des Skandals "minderte" Wirtschaftstreuhänder Dietrich Birnbacher sein angeblich "angemessenes" ursprüngliches "Honorar" umgehend von zwölf auf sechs Millionen Euro. Ist dies ein Indiz dafür, dass der vorher ausgemachte Betrag von zwölf Millionen Euro unangemessen hoch war?
19.) Es ist bekanntlich auch der Versuch im Strafrecht strafbar (§15 StGB) und überdies auch der Betrag von sechs Millionen Euro auffallend überhöht. Ein strafbarer Versuch läge selbst dann vor, wenn die Landesholding in einen von HAIDER und
MARTINZ kompetenzwidrig vergebenen Auftrag nachträglich eintreten würde. Welche weiteren Schritte werden daher im Zuge der Strafverfolgung in der genannten Causa unternommen werden?
20.) Ist es außerdem zutreffend, dass Landshauptmann Jörg HAIDER eine rechtliche gebotene Ausschreibung der (angeblichen) Dienstleistung des Wirtschaftstreuhänders mit der Begründung abgelehnt hatte, es sei dafür „keine Zeit“ gewesen?
21.) Da man mit dieser vorgenannten, geradezu gesetzesverhöhnenden Auffassung von Landeshauptmann HAIDER durch Hinweis auf "keine Zeit" praktisch jede Ausschreibung umgehen könnte, erhebt sich auch hier die Frage, inwieweit dies die Verwirklichung des Tatbestandes des Amtsmissbrauches durch den Genannten (allenfalls im Zusammenwirken mit den übrigen Beteiligten) verwirklicht?
22.) Welcher Staatsanwalt, welcher Oberstaatsanwalt und welcher Referent im Bundesministerium für Justiz ist bisher mit dieser Causa befasst gewesen?
23.) Welche staatsanwaltschaftlichen Vorhabensberichte wurden bisher von wem und mit welchem Inhalt wann erstellt?
24.) Wann haben Sie erstmals von dem aufgezeigten Sachverhalt Kenntnis erlangt?
25.) Wann haben Sie erstmals von dem diesbezüglich eingeleiteten Strafverfahren Kenntnis erlangt?
26.) Was haben Sie daraufhin unternommen?
27.) Wann rechnen Sie mit einer Anklageerhebung gegen die Verdächtigen HAIDER, MARTINZ und Birnbacher im Zusammenhang mit den aufgezeigten Straftaten?