4008/J XXIII. GP
Eingelangt am 03.04.2008
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ANFRAGE
der Abgeordneten Glawischnig-Piesczek, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend die Verpflichtung Österreichs zur Erhaltung und Sanierung der jüdischen Friedhöfe in Österreich
Am 17. Jänner 2008 jährte sich das Washingtoner Abkommen zum siebenten Mal. 2001 hat sich Österreich dazu verpflichtet, die jüdischen Friedhöfe im Land zu sanieren bzw. zu erhalten. Die Regierungsparteien vertrösten weiterhin auf einen „geeigneten Zeitpunkt“. Zuletzt gab es im November einen entsprechenden Ministerratsbeschluss, in dem lediglich festgelegt wurde, dass Bund und Länder Gespräche über die Finanzierung aufnehmen. Unterdessen sind die Gräber auf den Friedhöfen zum Teil weiterhin dem Verfall preisgegeben. Aufgrund der Ereignisse während der NS-Zeit und der fehlenden Verantwortung in der Zweiten Republik ist der Zustand von zumindest 18 jüdischen Friedhöfen als äußerst mangelhaft zu bezeichnen. Das sind jene in Deutsch Wagram, Dürnkrut, Eisenstadt, Großenzersdorf, Hohenau, Kittsee, Michelndorf, Mistelbach, Oberstockstall, Waidhofen/Thaya, Gattendorf, Güssing, Kobersdorf, Lackenbach, Rechnitz, Währing, Innsbruck (alter Friedhof). Und Zentralfriedhof Tor 1. In Anhang A Punkt 8 zum Notenwechsel zwischen der österreichischen Bundesregierung und der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika zur Regelung von Fragen der Entschädigung und Restitution für Opfer des Nationalsozialismus vom 23. Jänner 2001 („Washingtoner Abkommen“) verpflichtet sich Österreich, zusätzliche Unterstützung für die Restaurierung und Erhaltung bekannter und unbekannter jüdischer Friedhöfe zu leisten. Eine gesetzliche Umsetzung dieser Verpflichtung ist bis heute nicht geschehen. Die Halacha, das religiöse Gesetz der Juden, verpflichtet die jüdischen Gemeinden zur immerwährenden Erhaltung ihrer Friedhöfe und Grabstätten. Aufgrund der Zerstörung der Kultusgemeinden während der NS-Zeit und der Vertreibung und Ermordung der Juden und Jüdinnen sind diese nicht dazu in der Lage, diese Aufgabe zu übernehmen. Viele Menschen in Österreich wollen dem nicht länger zusehen. Gemeinsam mit dem Bundesverband der Israelitischen Kultusgemeinden wurde bekanntlich ein Gesetzesentwurf ausgearbeitet. Der Vorschlag orientiert sich an das bereits seit 1948 bestehende und funktionierende Bundesgesetz für die Fürsorge für die Kriegsgräber und Kriegsdenkmäler. Mit der notwendigen Bereitschaft steht einem Beschluss nichts im Wege. Der mittlerweile eingebrachte Initiativantrag wurde deshalb bereits am 16. Jänner 2008 allen Klubobleuten von NR-Präsidentin Eva Glawischnig übermittelt. Der Wunsch ist, eine von allen Parteien mitgetragene, schnellstmögliche Einigung auf Basis des Grünen Gesetzesvorschlags.
Da immer wieder von Regierungsseite betont wurde, es sei entscheidend, dass „nicht noch zusätzliche Zeit verstreicht“, scheint der aktuelle Stand der Dinge für die Öffentlichkeit von besonderem Interesse. Ein konkreter Lösungsvorschlag liegt nun seit längerem auf dem Tisch. Es muss endlich gehandelt werden und das Kompetenz Hick - Hack zwischen Bund, Länder und Gemeinden ein Ende finden. Wenn das so weitergeht, haben Sie als amtierender Vizekanzler einen aktiven Beitrag geleistet, dass dieses jüdische Kulturerbe unwiederbringlich verloren geht. Peinlich genug, dass im Sommer US-Marines den Währinger Jüdischen Friedhof in einer Privataktion gereinigt haben.
Es ist eine tolle Sache wenn Personen wie beispielsweise Tina Walzer mit Freiwilligen erste wesentliche Rettungsmaßnahmen vornehmen, aber Rettungsaktionen von Privatpersonen können und dürfen nicht dazu dienen, dass der Bund und die Länder weiterhin ihre gesetzliche Verantwortung nicht wahrnehmen.
Sieben Jahre Eiertanz sind genug. Es braucht keine Arbeitskreise mehr, die beraten, wie der Friedhof erhalten werden kann, wir brauchen endlich Taten. Die Journalistin Alexandra Föderl-Schmid schrieb am 14. 3. 2008 im Standard: „Es ist auch eine Schande, dass im viertreichsten EU-Land Geld für den Erhalt und die Sanierung jüdischer Friedhöfe fehlt und Raubkunst noch nicht vollständig zurückgegeben wurde.“ Sofern Ihnen Andreas Khol lieber ist: „Es ist eine Schande, wie wir mit diesem Teil unseres kulturellen Erbes umgehen.“ Dem ist ausnahmsweise nichts hinzuzufügen.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Welchen rechtlichen Stellenwert hat die im „Washingtoner Abkommen“festgeschriebene und von Österreich unterschriebene Verpflichtung, Unterstützung für die Restaurierung und Erhaltung bekannter und unbekannter jüdischer Friedhöfe zu leisten? Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?
2. Wie sind Sie als Vizekanzler und Finanzminister diesen Verpflichtungen bisher nachgekommen? Welche konkreten Maßnahmen und Schritte für den Erhalt und die Sanierung der jüdischen Friedhöfe in Österreich haben Sie veranlasst? Bitte um detaillierte Aufzählung.
3. Gibt es die mehrfach angekündigte Arbeitsgruppe zur Sanierung und Erhaltung der jüdischen Friedhöfe in Österreich? Falls ja, wer sind die Mitglieder dieser Arbeitsgruppe? Bitte um detaillierte Aufzählung. Falls nein, warum nicht bzw. bis wann wird diese Arbeitsgruppe eingerichtet und wer werden ihre Mitglieder sein?
4. Liegt das angekündigte Gesamtkonzept zur Erhaltung aller österreichischen jüdischen Friedhöfe bereits vor? Falls ja, skizzieren Sie bitte kurz den Inhalt. Wann wird das Gesamtkonzept der Öffentlichkeit präsentiert? Falls nein, warum nicht und bis wann wird das Gesamtkonzept vorliegen?
5. Wie hoch sind die geschätzten Gesamtkosten für die Restaurierung der jüdischen Friedhöfe in Österreich?
6. Wie wird die Friedhofsrestaurierung abgewickelt? Wer ist dafür die konkrete Ansprechperson?
7. Was haben Gespräche mit dem Bundeskanzler und den Verantwortlichen der Stadt Wien konkret ergeben? Gibt es nun zusätzliche zweckgewidmete Gelder für die jüdischen Friedhöfe in Österreich? Wenn ja, in welcher Höhe und ab wann? Falls nein, warum nicht und welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?
8. Wie viel Geld ist 2008 für die anfänglich notwendige Restaurierung der jüdischen Friedhöfe im Bundesbudget budgetiert? Welche Überlegungen und Planungen gibt es für die Budgets 2009 und 2010?
9. Wie viel Geld ist 2008 für die jährliche Erhaltung und Pflege der jüdischen Friedhöfe budgetiert? Welche Überlegungen und Planungen gibt es für die Budgets 2009 und 2010?
10. Wie sieht der Zeitplan für die geplanten Schritte zur Rettung des jüdischen Friedhofs in Währing aus?
11. Wann und in welcher Reihenfolge wird mit den Maßnahmen zur Restaurierung und Erhaltung der jüdischen Friedhöfe in Österreich begonnen? Bitte um detaillierte Auflistung.
12. In Deutschland gibt es seit 1956 eine Vereinbarung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden bezüglich der Pflege jüdischer Friedhöfe. Sollte dies nicht auch das Ziel für Österreich sein?
13. Das Bundesgesetz (BGBl. Nr. 175/1948) über die Fürsorge für Kriegsgräber aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg und das Bundesgesetz (BGBl. Nr. 176/1948) über die Fürsorge und dem Schutz der Kriegsgräber und Kriegsdenkmäler funktionieren anscheinend ziemlich fiktionsfrei. Sind der Republik Österreich, abseits der gesetzlichen Verpflichtung zur Unterstützung für die Restaurierung und Erhaltung bekannter und unbekannter jüdischer Friedhöfe zu leisten, die Kriegsgräber mehr wert als die jüdischen Friedhöfe?
14. Wie erklären Sie sich die Tatsache, dass seit 1948 die Kriegsgräber gepflegt werden, bei den jüdischen Friedhöfen bis heute der Bund seiner Verantwortung nicht nach kommt?
15. Wäre ein Bundesgesetz über die Instandsetzung und Fürsorge jüdischer Friedhöfe, welches sich an das bereits seit 1948 bestehende und funktionierende Bundesgesetz für die Fürsorge für die Kriegsgräber und Kriegsdenkmäler orientiert nicht ein sinnvoller, langfristiger Lösungsansatz um die Pflege und Erhaltung der jüdischen Friedhöfe in Österreich zu gewährleisten?
16. Wie lange wird Ihrer Meinung nach das Schild mit der Aufschrift „Betreten des Friedhofes aus sicherheitstechnischen Gründen verboten!“ am jüdischen Friedhof in Währing noch Gültigkeit haben?