4068/J XXIII. GP

Eingelangt am 10.04.2008
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ANFRAGE

 

Der Abgeordneten Jan Krainer, Mag. Johann Maier

und GenossInnen

an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit

 

betreffend Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung in zentralen Bereichen des täglichen Lebens

 

 

Wirtschaftspolitisch mag es zwar so sein, dass Inflationsratenraten zwischen 2 und 3% noch kein Problem darstellen (aus volkswirtschaftlichen Gründen wird daher im Allgemeinen keine Nullinflation angestrebt). Verteilungspolitisch ist der Preisanstieg, den wir in Österreich in einigen zentralen Kategorien des Verbraucherpreisindex (VPI) beobachten mussten, allerdings sehr wohl problematisch. Die Preisssteigerungen machen ein Drittel der Gesamtausgaben eines Haushaltes aus und betreffen die wichtigsten Lebensbereiche der Menschen.

 

Seit dem letzten Quartal 2007 weist Österreich Inflationsraten von über 3% auf. Der (vorläufige) Höhepunkt wurde im Dezember 2007 mit einer Steigerungsrate von 3,6% bzw. im Jänner und Februar 2008 mit jeweils 3,2% erreicht. Es ist zum einen diese Entwicklung, die man ernst nehmen muss, als auch eine genaue Betrachtung der einzelnen Unterkategorien der Inflationsrate. Jene Bereiche, die für den Großteil der Haushalte ihre Grundversorgung darstellen, waren am meisten vom Preisanstieg gekennzeichnet: Die Preise für Nahrungsmittel, Mieten und Energie sind deutlich stärker angestiegen als andere Komponenten des Verbraucherpreisindex (VPI). So betrug die Jahresinflationsrate 2007 in den Kategorien Wohnen und Energie 4,6%, jene der Lebensmittel 4,1%. Das sind gerade jene Kategorien, für die es keine Substitutionsmöglichkeiten gibt und die vor allem einkommensschwache Haushalte und PensionistInnen besonders treffen. Dieser Bevölkerungskreis profitiert auch weniger vom inflationsdämpfenden Einfluss anderer Kategorien, wie etwa der Nachrichtenelektronik.

n      Bei genauerer Betrachtung der Daten, die von Statistik Austria vorliegen, ergibt sich folgendes Bild: Seit Jahresanfang lagen die Preiserhöhungen für Lebensmittel durchgehend über der allgemeinen Preiserhöhung: Im Dezember betrug die allgemeine Preissteigerung gegenüber dem Vorjahr 3,6%, im Jänner 2008 3,3%, die Nahrungsmittelpreise stiegen mit + 8,2% im Dezember, im Jänner um 8,3% und im Februar um 8,9% - mehr als doppelt so stark an!  (November, +6,6%, Okt. +6,2% - VPI 2,8%; Sept. 3,4%  VPI 2,1%): Gestiegen sind vor allem Molkereiprodukte: Gouda +28% (Dezember) bzw. 29% (Jänner); Vollmilch 13% (Dezember) bzw. 15% (Jänner); Butter wurde um ein Drittel teurer; Eier um 14 % (Dezember), 13% (Jänner). Gebäck  + 12% (Dezember und Jänner), Teigwaren 18% (Dezember), 33% (Jänner).

n      Auf einem bereits vorhandenen hohen Preisniveau stiegen die Preise für Wohnen, Wasser und Energie um 4,0% (Dezember) bzw. 2,8% (Jänner) bzw. 2,4% (Februar) gegenüber den Vorjahreswerten an. Im Bereich der Haushaltsenergie sind im Dezember die Preise um 6,6% gestiegen, im Jänner um 4,1% gegenüber dem Vorjahreswert.

n      Im europäischen Vergleich sind die Preissteigerungen[1] gegenüber dem Vorjahr bei Lebensmittel in Österreich besonders hoch ausgefallen: Während in den EU 27 die Preise für Nahrungsmittel im Dezember um 6% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres gestiegen sind, sind die Verbraucherpreise in Österreich um 7,5% angestiegen. Unter den Ländern der Euro-Zone weist Österreich sogar die höchste Preissteigerung bei Nahrungsmittel auf! (die Nahrunsmittelpreise in der Euro-Zone stiegen um 4,9% an, in Österreich um 7,5%) Das zeigt auch der Vergleich mit den für Österreich wichtigsten EU-Handelspartnern: Die Preise für Nahrungsmittel stiegen in  Deutschland um 6,1%, in Italien um 4,4% und in Frankreich nur um 3,3%.

n      Diese Analyse wird auch von WissenschafterInnen bestätigt: In der Presse vom 6. März 2008 wird der Wifo-Inflationsexperte Josef Baumgartner zitiert, der festgestellt hat, dass in den Bereichen „Milch, Käse, Eier“, „Fette und Öle“, „Elektrizität und Gas“, „Erzeugnisse für die Wohnungsinstandhaltung“, „Pharmazeutische Erzeugnisse“ sowie „Brenn- und Kraftstoffe“ vor allem hausgemachte Teuerungen feststellbar sind. D.h., die bisherige Argumentation der betroffenen Branchen, dass sie hohen Weltmarktpreisen gegenüberstehen, ist so nicht haltbar.

n      Auch im Gesamtjahresvergleich 2007 (gegenüber 2006) zeigt sich dieses Bild: Während die Preise für Nahrungsmittel in den Ländern der Euro-Zone im Durchschnitt um 2,7 Prozent gestiegen sind, stiegen sie in Österreich um 4,5%. Besonders stark hier wiederum die Preissteigerungen für Brot und Getreideerzeugnisse mit 3,5% Euro-Zone und 4,5% in Österreich; Milch, Käse und Eier wurden in der Euro-Zone im Durchschnitt um 3,4% teurer, in Österreich hingegen um 8,3% (!), Öle und Fette haben sich innerhalb der Euro-Zone sogar um 1,7% verbilligt, in Österreich sind sie hingegen um 5,2% angestiegen.

 

Was hat Österreich nun für Möglichkeiten, dieser Entwicklung gegenzusteuern? Einerseits können Maßnahmen zur Entlastung der einkommensschwächsten Haushalte entwickelt werden – wie dies mit der Aufhebung der Dienstnehmerbeiträge zur Arbeitslosenversicherung bei niedrigen Einkommen geschehen wird –, andererseits muss jedenfalls jener Teil der Preisentwicklung, der auf endogene Faktoren zurückzuführen ist, bekämpft werden.

 

Dazu ist es aber notwendig, jene Bereiche, in denen die Preisentwicklung stärker als im europäischen Durchschnitt ausgefallen ist, genauer zu beobachten, zu analysieren und gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen, wenn höhere Preise aufgrund von Marktversagen entstehen. Für all diese Maßnahmen gibt es in Österreich eine zuständige Stelle, die gesetzlich auch mit entsprechenden Kompetenzen ausgestattet wurde: Die Bundeswettbewerbsbehörde. Sie ist eine unabhängige Behörde, die organisatorisch beim Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit angesiedelt ist.

 

Diese wird nunmehr verstärkt in die Beobachtung der Bereiche, in denen die oben genannten enormen Preisanstiege stattgefunden haben, eingebunden. Der Ministerrat hat beschlossen, dass auf Basis des Gutachtens der Wettbewerbskommission eine Arbeitsgruppe der zuständigen Ministerien prüfen soll, welche weiteren Maßnahmen zu mehr Wettbewerb in besonders inflationssensiblen Bereichen führen können. Die unterfertigten Abgeordneten begrüßen dieses Vorgehen der Bundesregierung sehr, möchten allerdings davor warnen, die Wettbewerbsbehöde zu sehr aus der Pflicht zu entlassen, indem die Verantwortung auf die Wettbewerbskommission bzw. interministerielle Arbeitsgruppen verteilt wird. Damit die Behörde ihrer Aufgabe auch nachkommen kann, ist es allerdings auch notwendig, sie mit den entsprechenden Ressourcen zu dotieren.

 

Auf Grund dieser Bedenken und Überlegungen stellen die Abgeordneten daher an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit folgende

 

ANFRAGE

 

1)            Haben Sie in letzter Zeit mit dem Generaldirektor der Bundeswettbewerbsbehörde Gespräche zur aktuellen Preisentwicklung geführt? Wurden dabei auch die enormen Preissteigerungen bei Lebensmittel seit Ende 2007 thematisiert? 

2)            Können Sie uns darlegen, mit welchen Maßnahmen die Behörde auf die  jüngsten Preissprünge bei Lebensmittel – also seit dem letzten Quartal 2007 - reagiert hat?

3)            Wie erfolgt die Marktbeobachtung durch die Bundeswettbewerbsbehörde in auffälligen Branchen im Hinblick auf mögliches wettbewerbswidriges Verhalten (in Zusammenhang mit den steigenden Lebensmittelpreisen wären das insbesondere die Märkte für Molkereiprodukte oder jene für Brot- und Getreideerzeugnisse)?

4)            Das Bundeskartellamt hat in Deutschland im Zusammenhang mit den steigenden Lebensmittelpreisen bereits konkrete Ermittlungshandlungen – in Form von Hausdurchsuchungen - bei Süßwarenproduzenten und bei Mühlen durchgeführt. Verfügen Sie über Informationen, ob die Bundeswettbewerbsbehörde die  Marktstrukturen der dem Lebensmittelhandel in Österreich vorgelagerten Sektoren bereits untersucht hat  (Marktkonzentration, Gewinnentwicklung im Bereich der Molkereien, Mühlen usw.)? Wenn nicht, haben Sie mit dem Generaldirektor der Bundeswettbewerbsbehörde die Zweckmäßigkeit erörtert, diese vorgelagerten Branchen genauer zu untersuchen ?

5)              Sie haben die Wettbewerbskommission mit der Erstellung eines Gutachtens betraut, und ihr dafür drei Monate eingeräumt. Wie interpretieren Sie in Zusammenhang mit der von Ihnen geforderten Branchenuntersuchung durch die Wettbewerbskommission den Gesetzesauftrag gemäß §16 (1) Wettbewerbsgesetz, der vorsieht, dass die Wettbewerbskommission „… im Auftrag der Bundeswettbewerbsbehörde oder des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit Gutachten über allgemeine wettbewerbspolitische Fragestellungen erstattet? Zählt ein Gutachten, in dem u.a. festgestellt werden soll, ob sich hinter den enormen Preisanstiegen Wettbewerbsverstöße verbergen – eine Aufgabe, die nur mit den der Bundeswettbewerbsbehörde übertragenen Ermittlungsbefugnissen zu lösen ist - zu einer „allgemeinen wettbewerbspolitischen Fragestellung“? Wie soll die Wettbewerbskommission – die über keinerlei wettbewerbsrechtliche Ermittlungsbefugnisse verfügt -Iihrer Meinung nach Wettbewerbsverstöße feststellen? Haben Sie vor, in Zukunft die Wettbewerbskommission verstärkt derartige Aufgaben einzusetzen, bzw.. planen Sie in diesem Zusammenhang eine gesetzliche Änderung?

6)            Die Bundeswettbewerbsbehörde ist im Vergleich mit anderen Wettbewerbsbehörden in Europa massiv unterbesetzt. International zählt Österreich neben Slowenien und Zypern zu den Schlusslichtern bei der Personalbesetzung. Im Vergleich dazu verfügt das deutsche Bundeskartellamt über 300 Personen, die niederländische Wettbewerbsbehörde über 378, das schweizer Wettbewerbssekretariat verfügt über rund 50 Personen, bei einer weitaus geringeren Fallzahl. Auch wenn das Personal der Bundeswettbewerbsbehörde von derzeit 27 MitarbeiterInnen (davon 19 SachbearbeiterInnen) auf 33 Planstellen aufgestockt werden soll, wird dies von Experten als immer noch nicht ausreichend angesehen. Dies kann auch als Zeichen dafür angesehen werden, dass der Wettbewerbskontrolle in Österreich keine hohe Priorität eingeräumt wird. Können Sie uns die Gründe dafür nennen, warum die BWB selbst 6 Jahre nach ihrer Gründung im Vergleich zu internationalen Vorbildern noch immer massiv personell unterbesetzt ist? 

7)            Einerseits wurden bei Kartellverfahren seit 2002 Bußgelder in der Höhe von rund 10 Mio. Euro verhängt, die in das allgemeine Budget geflossen sind. Noch nicht berücksichtigt ist dabei die Rekord-Bußgeldstrafe für das Aufzugskartell in der Höhe von mehr als 75 Mio. Euro. Andererseits ist die Wettbewerbsbehörde auch finanziell sehr schlecht dotiert, wenn sie befürchtet hat, dass es ihr nicht einmal möglich ist, die Kaffeerechnungen für die Sitzungen der Wettbewerbskommission zu begleichen und sie die Kommission bittet, um diese Kosten selbst beim BMWA anzusuchen. Werden Sie sich im Zuge der Budgetverhandlungen 2008 dafür einsetzen, dass die BWB zukünftig eine höhere finanzielle und auch personelle Ausstattung bekommt? Wie hoch sollte diese Ihrer Meinung nach ausfallen? Wollen Sie der Wettbewerbskommission, die derzeit über keine eigenen Mittel verfügt, eigene Budgetmittel zur Verfügung stellen?

8)            Demnächst wird das BMSK ein Preismonitoring für bestimmte Lebensmittel durchführen. Die Ergebnisse eines solchen Preismonitorings sind wesentliche Grundlagen für ein mögliches wettbewerbspolitisches Einschreiten der Wettbewerbsbehörde. Derzeit ist von Regierungsseite geplant, in diesem Monitoringverfahren die Wettbewerbsbehörde bzw. die Wettbewerbs-kommission „zu Rate zu ziehen“. Wie stellen Sie sich diesen „Beratungs-prozess“ genau vor?

9)            Bis dato werden Daten über Konzentrationsgrad, Marktanteile u.ä., die für eine wettbewerbspolitische Beurteilung notwendig sind, von privaten Unternehmen (AC Nielsen etc) erhoben. Die Behörde selbst verfügt über keine diesbezügliche kontinuierliche, branchendeckende wettbewerbsökonomische Datenbasis. Über welche diesbezüglichen Daten verfügt das BMWA bzw. andere Ministerien?

Planen Sie ein solches im Rahmen des WIFO-Weißbuches gefordertes quantitatives Wettbewerbsmonitoring zu implementieren bzw. der Wettbewerbsbehörde die notwendigen Mittel und das notwendige Personal für die Einführung und Wartung eines solchen Wettbewerbsmonitorings zu geben?

 

 



[1] Vergleich HVPI