4075/J XXIII. GP
Eingelangt am 10.04.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten DDr. Erwin Niederwieser, Maga Gisela Wurm und
GenossInnen,
an die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend
betreffend „Stammzellenforschung Universitätsklinik für Urologie Innsbruck"
In den letzten Tagen sind einige
Artikel vornehmlich in Tiroler Medien erschienen, die
sich mit einem Konflikt zwischen der
Ethikkommission der Medizinischen Universität
Innsbruck und Forschern im Bereich einer Therapie gegen stressbedingte
Harninkontinenz beschäftigen. Darin involviert sind neben den
Forschern die
Ethikkommission die TILAK, die Universität Innsbruck, die Fa. Innnovazell und als
Genehmigungs- und Aufsichtsinstanz das
Gesundheitsministerium.
Die Idee ist,
Stammzellen in den Harnleiterschließmuskel und die Umgebung der
Harnröhre einzubringen, um die Funktionsfähigkeit des
Schließmuskels wieder
herzustellen. Ärzte dürfen Kranke nur nach
Maßgabe der „ärztlichen
Wissenschaft"
behandeln (§ 49 Abs 1 ÄrzteG) bzw „nach den
Grundsätzen und anerkannten
Methoden
der medizinischen Wissenschaft" (§12 Abs 3 Tiroler
Krankenanstaltengesetz).
Für die
Etablierung dieser auf Wissenschaft gegründeten
Behandlungsmethoden
bedarf es der wissenschaftlichen Forschung am Menschen.
Um Schaden für Prüfungsteilnehmer hintanzuhalten, benötigt die medizinische
Forschung am Menschen vor Beginn der Durchführung der klinischen Prüfungen der
Stellungnahme der Ethikkommission der
Medizinuniversität Innsbruck und der
Genehmigung des zuständigen Bundesministeriums.
Die in Fachzeitschriften über diese Methode publizierten Artikel
werfen ebenso eine
Reihe von Fragen auf, wie die Rolle der zuständigen
Beamten im
Gesundheitsministerium (früher Sozialministerium). So stößt man auf
recht
unterschiedliche Angaben hinsichtlich der Zahl der Versuchspersonen und der
Heilungsquoten. Gerade bei einer neuen Heilmethode, in welche viele leidende
Menschen neue
Hoffnung setzen, ist absolute Seriosität gefragt, damit die Situation
nicht nachher schlimmer ist als zuvor und
das Gesundheitsministerium trägt hier
ebenso eine große Verantwortung wie das
Wissenschaftsministerium, das die
Rechte der Ethikkommissionen zu garantieren hat.
Die unterzeichneten Abgeordneten
richten daher an die Bundesministerin für
Gesundheit, Familie und Jugend die
nachstehende
Anfrage:
1. Welche Verfahren nach
dem Arzneimittelgesetz wurden beim Bundesamt für
Sicherheit im
Gesundheitswesen hinsichtlich dieser neuen Methode seit dem
Jahr 2000 wann beantragt und wann genehmigt, wobei die Antragsteller die
Universitätsklinik für Urologie in Innsbruck oder die Professoren
Univ.Prof.Dr. Bartsch oder Univ.Prof. Dr. Strasser oder Dr. Pinggera oder die
Firma Innovacell Biotechnologie GmbH sind?
2.
Gab es zu diesem Verfahren andere Anträge aus dem
Bereich der
Medizinischen
Universität Innsbruck (zu Beginn noch Universität Innsbruck)
oder der TILAK
(Tiroler Landeskrankenanstalten AG)?
3.
Lagen für die Anträge jeweils Stellungnahmen der zuständigen
Ethikkommission der (Medizinischen)
Universität Innsbruck vor?
4. Wenn ja, waren diese positiv oder negativ?
5. Wenn der Arzneimittelbeirat damit nicht befasst wurde:
a) War dies ein Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz?
b) Wurde das BMGFJ anderweitig mit dieser Studie befasst?
6.
Wie erklärt sich, dass die Studie „Transurethrale ultraschallgezielte
Injektion
von autologen Myoblasten, Fibroblasten und
Kollagen" bei der
Ethikkommission zunächst als „neue
Methode" und ein Jahr später als neues
Arzneimittel nach dem Arzneimittelgesetz und dem Medizinproduktegesetz
eingebracht wurde - gab es seitens des Ministeriums zwischenzeitlich eine
diesbezügliche Aufklärung des Antragstellers?
7.
Mit wie
vielen Patienten wurden die Studien im Juni 2002 und im Juni 2003
genehmigt?
8.
Wann wurde
das BMGFJ bzw. der Arzneimittelbeirat mit der Studie „Therapie
der Stress-Inkontinenz durch transurethrale ultraschallgezielte Injektion von
autologen Myoblasten und Fibroplasten" befasst?
9.
Wurden
zwischen 2003 und 2007 von den in Frage 1 genannten natürlichen
oder juristischen Personen weitere Anträge im
Zusammenhang mit dieser
Therapie beim BMGFJ eingebracht?
10. Wenn es von
2003 bis 2007 keine weiteren Anträge gab, wie erklärt sich der
Umstand, dass in
einem LANCET Artikel vom 30.6.2006 berichtet wird, dass
von 42 mit Myoblasten und Fibroblasten
behandelten Frauen ein bestimmter
Prozentsatz geheilt wurde, obwohl
von der Ethikkommission insgesamt nur 25
Prüfungsteilnehmer genehmigt worden
sind?
11.Im Studienregister zum LANCET Artikel ist
eingetragen, dass die Studie vom
Gesundheitsministerium unter einer bestimmten Aktenzahl genehmigt wurde:
„Austrian
Ministry of Health. Date of approval: 27th August 2002 (ref: GZ
2.481.159/1-VI/A/4/02)"
Um welche Art von
Genehmigung durch das Gesundheitsministerium handelt
es sich hier?
12. Am 16.7.2007 wurde
der Mitarbeiter des BMGFJ Prof. Hrabcik vom
Vorsitzenden
der Ethikkommission der Medizinuniversität Innsbruck
verständigt, dass die im LANCET Artikel
publizierte Studie nicht von der
Ethikkommission genehmigt worden ist.
Was hat das BMGFJ daraufhin im Sinne der Einhaltung österreichischer
Gesetze unternommen?
13. Prof. Dr. Hrabcik schreibt in
seiner Funktion als Generaldirektor für öffentliche
Gesundheit in einem E-Mail am 19.9.2007 „zweitens müssten die
Juristen der
Uni Innsbruck wissen,
dass zum damaligen Zeitpunkt und unter
Berücksichtigung der untersuchten Materie
eine Befassung der
Ethikkomission nicht verpflichtend war
(2002), was zwischenzeitlich ja anders
ist." und in einem Brief am 16.10.2007, dass im Jahr 2002 „die
Befassung der
Ethikkommission nicht
verpflichtend war" bzw. „bestand
keine Verpflichtung
zur Befassung der Ethikkommission" und dass es durchaus vorstellbar
gewesen wäre, „dass an Stelle der Ethikkommission der
Arzneimittelbeirat
befasst wird."
Deckt sich dies
a) mit der Rechtsansicht Ihres Ministeriums?
b) mit der Rechtsansicht der zuständigen JuristInnen Ihres Ministeriums und
c) mit der in Ihrem Ressort in dieser Causa verfügbaren Aktenlage?
14.
Ist es rechtlich möglich, dass ein positives Gutachten
des Arzneimittelbeirates
für eine Phase
I Studie
ausreichend ist, in der Folge eine Phase III Studie mit
90-100 Patienten
durchzuführen, bei denen diesen erstmals
Stammzellen in
den Harnröhrenschließmuskel
eingebracht werden?
15.
Was war die Ursache, dass Beamte Ihres Ministeriums im November 2007
die
Geschäftsstelle der Ethikkommission inspiziert haben?
16.
Haben die zuständigen Stellen Ihres Ressorts auch in
anderen Einrichtungen
der Universität in dieser Causa Inspektionen durchgeführt?
17. Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
18. Wenn nein, weshalb nicht?
19.
Ende März, Anfang April 2008 sollte eine Inspektion
durch die PHARMMED,
einer Abteilung der
AGES, erfolgen. Gibt es darüber
schon ein Ergebnis?
20.
Verstöße gegen die Melde- und Genehmigungsregeln
stellen einen
Verwaltungsstraftatbestand dar, der nach 6
Monaten „verjährt". Halten
Sie
diese Sanktion für ausreichend, um bei Experimenten an
Menschen die
strengen nationalen und internationalen Regeln durchzusetzen?
21.
Können Sie ausschließen, dass der
sozialen Krankenversicherung aus diesen
Studien
Kosten entstanden sind?
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