4114/J XXIII. GP
Eingelangt am 17.04.2008
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ANFRAGE
des Abgeordneten Zinggl, Freundinnen und Freunde
an die Bundesministerin für Unterricht, Kunst und Kultur
betreffend die Tutanchamun-Ausstellung und andere Merkwürdigkeiten im Museum für Völkerkunde
Seit 9. März ist die Ausstellung „Tutanchamun und die Welt der Pharaonen“ im Museum für Völkerkunde Wien (MVK) zu sehen. Sie läuft noch bis zumindest 28. September und funktioniert nach dem vermeintlich bewährten Blockbuster-Prinzip. Veranstalter dieser Schau ist nicht das MVK oder das Kunsthistorische Museum (KHM), sondern die Zeitschrift National Geographic gemeinsam mit Arts and Exhibitions International und AEG Exhibitions, die sich des MVK bloß als Ausstellungshalle bedienen und dessen Infrastruktur nutzen.
Die Eintrittspreise sind exorbitant hoch. Ein Ticket für einen Erwachsenen kostet 18 Euro, eine vierköpfige Familie hat insgesamt 43 Euro zu bezahlen. Um diesen Preis bekommen die BesucherInnen dann ganze 151 Exponate zu sehen, wovon merkwürdigerweise nicht ein einziges Exponat aus der ägyptologischen Sammlung des KHM stammt.
Auch die vollmundig angekündigte Exklusivität und Einzigartigkeit der Schau ist zumindest zu relativieren: Zurzeit (8. März bis 29. Juni) läuft in Zürich die Ausstellung „Tutanchamun – sein Grab und die Schätze“, und in London ist noch bis 30. August „Tutankhamun and the Golden Age of the Pharaos“ zu sehen.
Offensichtlich hat das KHM die Ausstellungsfläche des MVK an die amerikanischen Veranstalter vermietet und erhält dafür einen bestimmten Betrag. Dem MVK wird dadurch der Status einer Messehalle zugewiesen, einer leeren Hülle, die mit beliebigen Inhalten gefüllt werden kann. Das mag zwar Geld bringen, bedeutet aber, konsequent zu Ende gedacht, das Ende der Kulturpolitik im Bereich der Bundesmuseen. Diese Strategie ist – gerade in Anbetracht ähnlicher Vorgänge im Burgtheater, das während der Euro 08 zur Private-Viewing-Arena für Besserverdiener umfunktioniert wird – kulturpolitisch höchst bedenklich.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Wie hoch ist die Miete, die die Ausstellungsveranstalter zur Durchführung der Ausstellung „Tutanchamun und die Welt der Pharaonen“ an das Kunsthistorische Museum leisten?
2. Ist das Kunsthistorische Museum an den Einnahmen durch Eintritte, Shoperlöse etc. beteiligt? Wenn ja, nach welchem Aufteilungsschlüssel?
3. Werden die Miet- und sonstigen Einnahmen aus der Ausstellung „Tutanchamun und die Welt der Pharaonen“ dem Museum für Völkerkunde zugute kommen, etwa zur Durchführung eigener Sonderausstellungen?
4. Aus welchen Gründen haben nicht einmal Mitglieder des International Council of Museums (ICOM), dem ja auch die österreichischen Bundesmuseen angehören, freien Eintritt in die Ausstellung?
5. Behindert die Ausstellung „Tutanchamun und die Welt der Pharaonen“ die augenblicklich laufenden Umbau- und Renovierungsarbeiten im Museum für Völkerkunde?
6. Laut Website des Museums für Völkerkunde wird die permanente Sammlung „voraussichtlich Mitte 2008“ wiedereröffnet. Da dieses Datum nur mehr zweieinhalb Monate entfernt ist: Existieren diesbezüglich bereits genauere Zeitpläne?
7. Wird die Wiedereröffnung die gesamte permanente Sammlung umfassen oder nur Teilbereiche?
8. Falls Letzteres der Fall ist: Welche Teilbereiche werden vorrangig behandelt und bis wann ist mit der endgültigen, neu gestalteten Präsentation der gesamten permanenten Sammlung des Museums für Völkerkunde zu rechnen?
9. Wie hoch waren die ursprünglichen Kostenschätzungen für den Umbau des Museums für Völkerkunde, welche Beträge wurden dafür jeweils in den Jahren 2003, 2004, 2005, 2006, 2007 und 2008 budgetiert?
10. Wie viel Geld wurde für den Umbau des Museums für Völkerkunde in den Jahren 2003, 2004, 2005, 2006 und 2007 für welche baulichen Maßnahmen jeweils tatsächlich verbraucht?
11. Wie viel an finanziellen Mitteln ist für die Fertigstellung des Umbaus des Museums für Völkerkunde noch notwendig?
12. Inwieweit ist das wissenschaftliche Personal des Kunsthistorischen Museums und des Museums für Völkerkunde in die Konzeption und Umsetzung der Ausstellung „Tutanchamun und die Welt der Pharaonen“ eingebunden?
13. Aus welchen Gründen wurde darauf verzichtet, Exponate aus der ägyptologischen Sammlung des Kunsthistorischen Museums im Rahmen der Ausstellung „Tutanchamun und die Welt der Pharaonen“ zu zeigen?
14. Wie viele und welche Sonderausstellungen wird das Museum für Völkerkunde in den Jahren 2009 und 2010 zeigen?
15. Welche Sonderausstellungen des Kunsthistorischen Museums sind für 2009 und 2010 im Museum für Völkerkunde geplant?
16. Existieren Ausstellungskonzepte des wissenschaftlichen Personals im Museum für Völkerkunde, die noch nicht realisiert wurden? Falls ja, welche und wann ist mit deren Realisierung zu rechnen?
17. In „Wien heute“ hat KHM-Geschäftsführer Paul Frey zuletzt angekündigt, dass es während der Euro 08 ein spezielles, verbilligtes „Lady-Ticket“ für Frauen geben werde, die an Fußball nicht so sehr, an Tutanchamun dafür umso mehr interessiert seien. Wie viel wird dieses Lady-Ticket kosten, und wer trägt die Kosten der Differenz zur regulären Eintrittskarte?
18. Die EDV-Abteilung des Kunsthistorischen Museums residiert im Augenblick in repräsentativen Ausstellungsräumen in einem Trakt der Neuen Hofburg. Gleichzeitig klagen sowohl das Kunsthistorische Museum, das Museum für Völkerkunde als auch die benachbarte Nationalbibliothek über chronischen Mangel an Ausstellungsfläche. Würden Sie es für sinnvoll halten, die jetzigen EDV-Räume umzuwidmen und die EDV-Abteilung in weniger prominenter Umgebung anzusiedeln?