4192/J XXIII. GP

Eingelangt am 25.04.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Strache und weiterer Abgeordneter

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Generalprokuratur beim Obersten Gerichtshof

In Beantwortung der zur Zahl 3416/J (XXIII. GP) ergangenen parlamentarischen
Anfrage hat die Bundesministerin für Justiz im Rahmen ihrer zur Zahl 3368/AB
(XXIII. GP) [= BMJ-Zahl BMJ-Pr7000/0012-Pr 1/2008] erfolgten
Anfragebeantwortung dankenswerterweise in Erfüllung des in der parlamentarischen
Anfrage geäußerten Transparenzanliegens der Anfragesteller die aktuelle
Geschäftsverteilung der Generalprokuratur in ungekürzter Fassung vorgelegt und auch
veranlasst, dass die Geschäftsverteilung im Justizpalast (wie in der Anfrage unter
Hinweis auf die gesetzlichen Vorschriften gefordert) ausgehängt und solcherart der
interessierten Öffentlichkeit allgemein zugänglich gemacht wird.

Die Geschäftsverteilung der Generalprokuratur wurde jedoch erstaunlicherweise so
geändert, dass man nun nicht mehr (zumindest nicht mehr eindeutig) die Zuständigkeit
in Gw-Sachen aus der betreffenden Aktenzahl ableiten kann. Angesichts dieser
"subtilen" Lösung erstaunt der Umstand, welch ein Verwaltungsaufwand für das
Bestreben der Hintanhaltung der gebotenen Transparenz aufgewendet wird, die nicht
nur aus allgemeinen rechtsstaatlichen Erwägungen wünschenswert, sondern auch aus
in der neuen Strafprozessordnung (StPO) liegenden Gründen erforderlich wäre.

Denn § 47 Abs 1 Z 3 der neuen StPO normiert eine - begrüßenswerte - allgemeine
Regelung der Befangenheitskontrolle auch staatsanwaltschaftlicher Behörden und
gemäß § 2 StAG ist die Generalprokuratur eine staatsanwaltschaftliche Behörde.
Besagter § 47 StPO regelt, dass sich jedes Organ der Staatsanwaltschaft der Ausübung
seines Amtes zu enthalten und seine Vertretung zu veranlassen hat, wenn Gründe
vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit
in Zweifel zu ziehen. Der Befangenheitsgrund des § 47 Abs 1 Z 3 StPO hat
generalklauselartigen Charakter. Bereits Zweifel an der vollen
Unvoreingenommenheit und Unbefangenheit reichen aus, um die weitere
Amtsführung durch den Betroffenen auszuschließen. Ob dem Organ daraus auch ein
subjektiver Vorwurf gemacht werden kann (was nicht zwangsläufig der Fall ist), ist
nicht entscheidend. Grundsätzlich hat jeder Organwalter selbst das Vorliegen eines
Befangenheitsgrundes bei sich wahrzunehmen. Im Rahmen der Führung kann auch ein


Vorgesetzter durch Weisung (...) die Amtshandlung entziehen, und zwar auch dann,
wenn kein Befangenheitsgrund nach § 47 StPO vorliegt, sondern nur ein Anschein der
Befangenheit (§ 3 Abs 2 StPO) gegeben ist. (Birklbauer/Dudek/Keplinger,
Strafprozessordnung [Stand 1. Jänner 2008], 2.Auflage, Pro Libris Verlagsgesellschaft
mbH [2007], Seite 44, Anmerkungen zu § 47 StPO). Gemäß § 47 Abs 3 StPO hat über
die Befangenheit der Leiter der Behörde, der das Organ angehört, zu entscheiden und
im Dienstaufsichtsweg das Erforderliche zu veranlassen.

In   diesem   Zusammenhang   stellen   die   unterfertigten   Abgeordneten   an   die
Bundesministerin für Justiz folgende

Anfrage:

1.) Entsteht aus der von der neuen StPO eingeräumten Möglichkeit der Anzeige
potenzieller Befangenheit eines Generalanwaltes bei der Bearbeitung einer konkreten
Rechtssache nicht die Notwendigkeit, dass die Prozessparteien (rechtzeitig) erfahren
können müssen, welcher Generalanwalt für ihre Sache als Bearbeiter zuständig ist?

2.) Wäre die von der neuen StPO eingeräumte Möglichkeit der Anzeige (potenzieller)
Befangenheit nicht sinnentleert, wenn man nicht auch in Gw-Sachen rechtzeitig
erfahren könnte, wer überhaupt zuständig ist, um anhand dessen prüfen zu können, ob
nach Ansicht der Verfahrenspartei ein Ablehnungsgrund auf den betreffenden
Referenten zutrifft oder nicht?

3.) Inwiefern gibt es bei einem Generalanwalt größeren Geheimhaltungsbedarf als bei
einem Staatsanwalt, der ja noch viel mehr der Kontaktaufnahme durch
Verfahrensparteien ausgesetzt ist (dessen Zuständigkeit aber nicht geheimgehalten,
sondern für jedermann aus der öffentlich bekanntgemachten Geschäftsverteilung
ersichtlich ist)?

4.) Läuft die Geheimhaltung des zuständigen Sachbearbeiters einer Gw-Sache bei der
Generalprokuratur nicht der gebotenen Transparenz bei behördlichen Abläufen
zuwider?

5.) Gab es im laufenden Jahr bereits Befangeheitsanzeigen betreffend einen
Generalanwalt oder eine Generalanwältin bei der Generalprokuratur?

6.) Wenn ja, aus welchen Gründen und mit welchem Ergebnis?

7.) Ist es nicht gerade bei der rechtsstaatlich besonders verantwortungsvollen Tätigkeit
der - aufgrund ihrer Position in besonderem Maße als Garanten der Objektivität und


Unparteilichkeit fungierenden - Generalanwälte als oberste Hüter der
strafprozessualen Verfahrensgerechtigkeit wesentlich, vollständige Transparenz in den
Entscheidungsabläufen und der jeweiligen Entscheidungsfindung zu gewährleisten?

8.) Wie ist das Auswahlverfahren für Generalanwälte gestaltet und nach welchen
Kriterien werden Generalanwälte zu ihrem Amt berufen?

9.) Wie geht die Generalprokuratur im einzelnen bei Anregungen zur Erhebung einer
Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes üblicherweise vor?

10.) Führt jede im Rahmen einer solchen Anregung an die Generalprokuratur
herangetragene Gesetzesverletzung im Bereich der Strafgerichte zur Erhebung einer
Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes?

11.) Wäre es nicht zweckmäßig, auch die Erledigungen von Gw-Akten, die nicht zur
Erhebung einer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes führen, aber im
Rahmen der jeweiligen Begründung für eine Nicht-Erhebung einer
Wahrungsbeschwerde mitunter rechtlich sehr wertvolle und richtungsweisende
Rechtsanalysen enthalten, im Rechtsinformationssystem des Bundes zu
veröffentlichen und überdies regelmäßig in Kopie dem Parlament zur Information
zuzuleiten?

12.) Wäre es nicht erwägenswert, das ministerielle Weisungsrecht der
Generalprokuratur - als im System der StPO unabhängige gutachterliche Behörde
höchster fachlicher Kompetenz in Strafsachen - zu übertragen?

13.) Gibt es bereits Befassungen der Generalprokuratur mit zentralen - bisher noch
nicht ausjudizierten - prozessualen Fragen der neuen StPO?

14.) Wenn ja, welche bzw. mit welchem Inhalt?

15.) Wäre es möglich und Ihres Erachtens zweckmäßig, bei der für ihre hohe
Sachkompetenz anerkannten Generalprokuratur einen allgemeinen Auskunftsdienst für
aktuelle Fragen des Strafprozessrechts einzurichten, um solcherart gerade im Hinblick
auf die dem Vernehmen nach vielfältig noch bestehenden Unklarheiten insbesondere
hinsichtlich der eneuen StPO, aber auch in allgemeinen Fragen des Strafprozessrechts,
eine spezifische und richtungsweisende Information der rechtsinteressierten
Öffentlichkeit zu ermöglichen?

16.) Besteht aktuell - nicht zuletzt im Hinblick auf die zahlreichen neuen, sich aus der
StPO ergebenden Rechtsfragen - Bedarf an einer personellen Aufstockung der
Generalprokuratur?


17.) Wäre es nicht erwägenswert, der Generalprokuratur künftig auch die Möglichkeit
der Heranziehung wissenschaftlicher Hilfskräfte zu erschließen?

18.) Wird der - üblicherweise zahlreiche wesentliche Rechtsfragen behandelnden und
die aktuelle Judikaturentwicklung aufzeigenden -jährliche Bericht der
Generalprokuratur über Wahrnehmungen im Bereich der Strafrechtspflege auf der
Website der Generalprokuratur veröffentlicht und in Druckfassung auch dem
Parlament zugeleitet?

19.) Wäre es möglich und Ihres Erachtens zweckmäßig, regelmäßige der
rechtsinteressierten Öffentlichkeit zugänglich Informationsveranstaltungen
(Fragestunden) der Generalprokuratur abzuhalten, um allfällige Informationsdefizite
(die laut den Stellungnahmen der Generalprokuratur zu Rechtsmitteln hinsichtlich
deren gesetzmäßiger Ausführung durch die Verfahrensbeteiligten zu bestehen
scheinen) auszugleichen und solcherart die prozessuale Rechtsinformation zu fördern?

20.) Wäre es möglich und Ihres Erachtens zweckmäßig, künftig eine fachliche
Kooperation der Generalprokuratur mit dem nun schon mehrere Jahre regelmäßig im
Parlament auf Initiative von Prof. Dr. Hollaender (unter bisheriger Mitwirkung von
Persönlichkeiten wie RH-Präs. OStA a.D. Dr. Fiedler, OGH-Sen.-Präs. Dr. Mayrhofer,
OLG-Präsident Dr. Pilgermair, RA-Kammerpräs. Dr. Bisanz, BM a.D. Prof. Dr.
Klecatsky, RA Dr. Ainedter, OGH-Sen.-Präs.a.D. Dr. Schindler u.v.a.) realisierten
Österreichischen Grundrechtskonvent zu instituieren, um solcherart die prozessuale
Rechtsentwicklung insbesondere im Hinblick auf wesentliche Fragen der Grundrechte
im Strafprozess zusätzlich zu fördern?