4419/J XXIII. GP

Eingelangt am 26.05.2008
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Anfrage

des Abgeordneten Dr. Martin Graf

und anderer Abgeordneter

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

betreffend mögliche Umweltbombe Arsenal, 1030 Wien.

Das Arsenal, ein ehemaliger militärischer Gebäudekomplex im 3. Wiener Gemeindebezirk gelegen, wurde aus Anlass der Revolution 1848 von 1849 bis 1856 erbaut und seitdem bis 1925 hauptsächlich als Waffen- und Munitionsfabrik genutzt.

Im Ersten Weltkrieg waren im Arsenal - das auch über eine eigene Energieversorgung, Stahlwerk und Gießerei verfügte - bis zu 20.000 Menschen in 18 Fabriken beschäftigt.

Nach 1918 wurde der militärisch-industrielle Betrieb in eine Gemeinwirtschaftliche Anstalt mit dem Namen "Österreichische Werke Arsenal" umgewandelt. Es gab aber nahezu unlösbare Konversionsprobleme beim Übergang zur Friedensproduktion, die Produktpalette war zu groß, und die Misswirtschaft beträchtlich. Die Mitarbeiterzahl sank kontinuierlich, und das Unternehmen wurde zu einem der großen wirtschaftlichen Skandalfälle der Ersten Republik.

Bis Mai 1919 sank der Arbeiterstand bereits auf etwa 3000 Personen. Als erste organisatorische Maßnahme erfolgte nach Ende des Ersten Weltkrieges die Loslösung aus der militärischen Verwaltung. Eine Kommission im Staatsamt für Kriegs- und Übergangswirtschaft riet zur Umstellung auf Friedensproduktion. Diese erwies sich aber als schwierig.

Die genannte Kommission hatte die Aufgabe des Standorts Arsenal und die Errichtung neuer Ersatzbetriebe empfohlen, die Arbeiter vor Ort und die Metallarbeitergewerkschaft hatten dies aber wegen der Gefahr des Verlustes weiterer Arbeitsplätze strikt abgelehnt. In der gespannten politischen Atmosphäre des Jahres 1919 wurden daher radikale Maßnahmen vermieden und die Generaldirektion der staatlichen Industriewerke übernahm den schwer defizitären Betrieb im Oktober 1919. Dieser befand sich nach dem Historiker Rudolf Gerlich damals in einem Zustand völliger Desorganisation". Es gab keine wirkliche Produktionstätigkeit, die Beschäftigten hatten aber Arbeiterwehren gebildet, zeigten syndikalistische Tendenzen und stellten ein revolutionäres Potential dar.

Die Generaldirektion der staatlichen Industriewerke trat im Sommer 1920 in Verkaufsverhandlungen mit privaten Interessenten, so mit der Creditanstalt, deren Konzern auch Rüstungsbetriebe angehörten. Die Bank wollte aber keine Arbeitsplatzgarantie abgeben, woraufhin die Gewerkschaften und die Sozialdemokratie (SDAP) diesen Vorschlag ablehnten. Auf Vorschlag von Otto Bauer kam es dann Anfang 1921 zur Umwandlung in eine Gemeinwirtschaftliche Anstalt unter dem Namen Österreichische Werke. Das Unternehmen gewann in den nächsten     Jahren     Symbolcharakter     für     die     Chancen     und     Probleme

gemeinwirtschaftlicher Wirtschaftsführung, wobei besonders die Gegner der Sozialisierung häufig auf die Defizite und die Misswirtschaft im Arsenal hinwiesen.

Die Betriebsverfassung der österreichischen Werke enthielt weitgehende Mitbestimmungsrechte der Betriebsräte, denen aber bald Abgehobenheit und Verfolgung eigener Interessen vorgeworfen wurde. Ein einheitlicher Plan zur Entwicklung des Unternehmens bestand nicht, die einzelnen Teilbetriebe wirtschafteten isoliert, die Produktion war zersplittert. 1922 wurden etwa Drehbänke, Bohrmaschinen, Holzbearbeitungsmaschinen Sägen, Pflüge, Pistolen, Jagdgewehre, Möbel und sogar Kleinautos produziert.

Bereits wenige Monate nach der Gründung der Österreichischen Werke kam es zu größeren finanziellen Schwierigkeiten. Auch ein von Hugo Breitner vermittelter Kredit der Zentralsparkasse konnte an der katastrophalen Situation nicht ändern. Im Oktober 1924 zog sich Generaldirektor Max Ried aus sämtlichen Funktionen des Unternehmens zurück. Er wurde durch einen Vertrauensmann der Niederösterreichischen Escomptebank ersetzt. 2.000 Mitarbeiter wurden entlassen. Bis Ende des Jahres 1925 wurden die Österreichischen Werke auf die Maschinenfabrik reduziert. Vorräte und Maschinen wurden bis 1929 abverkauft.

Während des Zweiten Weltkrieges wurden im Arsenal - wenn auch im kleinen Rahmen - Panzer produziert und repariert. Diese Tätigkeiten wurden jedoch durch massive Bombentreffer der Alliierten oftmals unterbrochen. Überhaupt wurde 1945 das Areal schwer durch Bombentreffer beschädigt, es wurde aber nach dem Krieg weitgehend in den ursprünglichen Formen wiederhergestellt. Es kamen aber vor allem im südlichen Teil und im ehemaligen Innenhof mehrere Neubauten hinzu, so 1959 bis 1963 die Dekorationswerkstätten der Bundestheater und die in den 1990er Jahren errichtete Probebühne des Burgtheaters, 1961 bis 1963 das Fernmeldezentralamt und 1973 Betriebs- und Bürogebäude der Post- und Telegraphendirektion für Wien, Niederösterreich und das Burgenland (heute Technologiezentrum Arsenal der Telekom Austria) mit dem 150 Meter hohen Funkturm Wien-Arsenal.

Auch das Österreichische Forschungs- und Prüfzentrum Arsenal, nunmehr Arsenal Research, das sich durch eine der größten Klimakammern weltweit (inzwischen nach Floridsdorf übergesiedelt) einen Namen gemacht hat, war in dem Komplex untergebracht. Ein kleinerer Teil der Anlage wird auch heute noch vom Österreichischen Bundesheer als Kaserne genutzt. Des weiteren ist die Zentraldesinfektionsanstalt der Gemeinde Wien im Arsenal untergebracht.

In einem Teil des Areals wurden auch Wohngebäude errichtet. Ende 2003 wurde das Arsenal im Zusammenhang mit anderen Liegenschaften von der staatlichen Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) an eine private Investorengruppe verkauft. Seit Anfang 2006 sind der Badener Anwalt Rudolf Fries und der Industrielle Walter Scherb Mehrheitseigentümer der 72.000 m2 großen historischen Wohnanlage, die sie sanieren und nach Möglichkeit neu vermieten" wollen. Fries plant auch, die vorhandene Wohnfläche um mehr als die Hälfte (etwa 40.000 m2) zu vergrößern.

Nun besteht der Verdacht, dass im Zuge der ursprünglichen und langjährigen Nutzung des Arsenals als Waffen- und Munitionsfabrik die für das 19. Jahrhundert typischen Umweltsünden begangen wurden. Vor allem im Zuge der Munitionsherstellung dürften Rückstände gefährlicher Chemikalien einfach in den Boden gekippt worden sein. Vor allem in der Zeit, in welcher der Historiker Gerlich den Betrieb in einem Zustand völliger Desorganisation" bezeichnete (1919); vor allem aber auch in der Zeit des Abbaues und Verkaufes der Österreichischen Werke (1925) dürfe auf fachgerechte Entsorgung von Altlasten kaum Rücksicht genommen worden sein. In Anbetracht dessen, dass die derzeitigen Besitzer des Arsenals nunmehr beabsichtigen, die Wohnfläche in großem Ausmaß zu vergrößern, besteht die Gefahr, dass die dort wohnenden Menschen durch mutmaßliche Umweltbomben wie Bodenkontaminationen etc. gefährdet werden.

In diesem Zusammenhang richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft folgende

Anfrage:

1.             Ist   die   Liegenschaft   Arsenal   bzw.   Teile   davon   im   Altlastenatlas   des Umweltbundesamtes verzeichnet?

2.             Ist die Liegenschaft Arsenal bzw. Teile davon im Verdachtsflächenkataster des Umweltbundesamtes verzeichnet?

3.             Wenn ja, was ist in welchem verzeichnet?

4.             Gibt es Verdachtsmomente auf Bodenkontaminationen?

5.             Hat es bis dato Untersuchungen auf Bodenkontaminationen im Bereich des Arsenals gegeben?

6.             Wenn ja, mit welchen Ergebnissen?

7.             Wenn nein, warum nicht?

8.             Falls Bodenkontaminationen vorhanden sind, wer ist für die Beseitigung kostenpflichtig?