4443/J XXIII. GP
Eingelangt am 28.05.2008
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ANFRAGE
der Abgeordneten Drin Ruperta Lichtenecker, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
betreffend Anerkennung der völkerrechtlichen Verbindlichkeit des Melker Abkommens
Am 14.12.2006 wurde mit Zustimmung aller Parteien eine Entschließung verabschiedet, wonach die Bundesregierung an die Regierung der Tschechischen Republik als Vertragspartnerin des Melker Protokolls herantreten und mit der erfolgten Kollaudierung des AKW Temelin umgehend den Nachweis der Umsetzung
aller offenen Sicherheitsmaßnahmen wie im Anhang I des Melk-Abkommens (BGBl. 2001/266) festgelegt einfordern sollte. Für den Fall, dass ein solcher Nachweis nicht erbracht werden sollte, wurden internationale Rechtsschritte verlangt.
Die Bundesregierung kam der Entschließung am 4.6.2007 nach, indem sie die tschechische Vertragsseite in einem Schreiben offiziell auf die Verletzung des Melk-Abkommens aufmerksam machte und seine Einhaltung einforderte. In anschließenden Verhandlungen der Regierungschefs wurde die weitere Behandlung der Problematik der Umsetzung des Melk-Abkommens im Rahmen einer bilateralen parlamentarischen Kommission angeregt. Die Kommission nahm im Juli 2007 ihre Tätigkeit auf. Auf Expertenebene konnten einige der Sicherheitspunkte des Anhang I des Melk-Abkommens einer Klärung zugeführt werden. Die wichtigsten Sicherheitspunkte, welche auch wiederholt Eingang in internationale Berichte gefunden haben, bleiben hingegen nach wie vor ungelöst.
Die österreichische Seite geht, gestützt durch mehrere Gutachten, von der völkerrechtlichen Verbindlichkeit des Melk-Abkommens aus. Von der tschechischen Seite wurden bisher keine völkerrechtlichen Gutachten zu diesem Thema präsentiert. Aufgrund terminlicher Probleme auf der tschechischen Seite konnte diese grundlegende Frage erst im Rahmen der dritten Sitzung der bilateralen Kommission am 17. Dezember 2007 behandelt werden. Die Position der tschechischen Seite wurde von Minister Cyril Svoboda präsentiert. Nach seinen Aussagen sieht die tschechische Regierung das Melk-Abkommen nicht als völkerrechtlich verbindlich an. Eine Voraussetzung für die völkerrechtliche Verbindlichkeit wäre die von Anfang an bekundete diesbezügliche Absicht beider Vertragsparteien. Eine solche Absicht wäre jedoch von der tschechischen Seite angeblich niemals vorhanden gewesen.
Diese Darstellung steht im Widerspruch zu den bekannten Fakten aus den Verhandlungen des Melk-Abkommens. Von beiden Vertragsseiten wurde von Anfang an die völkerrechtliche Verbindlichkeit des Abkommens angestrebt, welche durch die Verankerung im Beitrittsvertrag und der damit verbundenen Einklagbarkeit vor dem Europäischen Gerichtshof abgesichert werden sollte.
Angesichts der Tatsachen, dass die Umsetzung des Melker Abkommens und die Suche nach einem Streitbeilegungsmechanismus die zentralen Aufgaben der bilateralen Kommission Temelin darstellen, entzieht die Position der tschechischen Seite zur völkerrechtlichen Verbindlichkeit des Melk-Abkommens der weiteren Tätigkeit der Kommission ihre Basis.
Die einwandfreie Klärung der Frage der völkerrechtlichen Verbindlichkeit des Melk-Abkommens stellt daher eine Voraussetzung für die weiteren Schritte zu seiner Umsetzung sowie auch für die Einleitung in der Entschließung vom 14. Dezember 2006 genannten internationalen Rechtsschritte.
Aus den oben genannten Gründen sowie in Kenntnis der Notwendigkeit einer raschen Umsetzung des Melk-Abkommens im Interesse der Sicherheit der österreichischen Bevölkerung besteht dringender Handlungsbedarf.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Sehen Sie im Melker Abkommen einen völkerrechtlich verbindlichen Vertrag? Falls ja, inwieweit treten Sie für die völkerrechtliche Verbindlichkeit des Melker Abkommens gegenüber der tschechischen Regierung ein? Falls nein, warum nicht?
2. Wurden der tschechischen Seite seit Aufnahme der Arbeitstätigkeit der bilateralen Parlamentarierkommission völkerrechtliche Gutachten Österreichs zur Stellungnahme übergeben? Wenn ja, welche Gutachten? Wenn nein, warum nicht?
3. Hat die tschechische Seite in schriftlicher Form zu den unter 2) angefragten Gutachten Stellung genommen und wenn ja durch wen und mit welchem Inhalt?
4. Ist seit Aufnahme der bilateralen parlamentarischen Kommission die Erstellung eines einschlägigen völkerrechtlichen Gutachtens bei einem/r unabhängigen international anerkannte/n VölkerrechtsexpertIn erwogen bzw. beauftragt worden? Wenn ja, wie lautet das Ergebnis?
5. Fanden außerhalb der Beratungen der ParlamentarierInnen Treffen zwischen österreichischen und tschechischen RegierungsvertreterInnen seit Juni 2007 statt, in denen das Thema AKW Temelin Behandlung gefunden hat? Wenn ja, wann, welche Regierungsmitglieder waren beteiligt und was waren die Ergebnisse?
6. Seit Aufnahme der Arbeit der bilateralen Parlamentarierkommission fanden bilaterale Treffen auf ExpertInnenebene statt. Wann haben diese statt gefunden und zu welchem Thema?
7. Wurden die jeweiligen Parlamentarierdelegationen im Vorfeld von den ExpertInnen-Treffen bzw. von deren Ergebnissen im Nachhinein informiert? Wann ist jeweils eine Information erfolgt?
8. Welche weiteren Arbeitsschritte (Treffen und ihre Themenschwerpunkte, ExpertInnentreffen etc.) sind unabhängig von der Arbeit der bilateralen Parlamentarierdelegation auf Beamtenebene zum Themenkreis Temelin bis Ende 2008 vorgesehen?
9. Wurde die Regierung der Tschechischen Republik um die Übermittlung von völkerrechtlichen Gutachten ersucht, auf deren Basis die im Rahmen der Sitzung der bilateralen parlamentarischen Kommission „Temelin“ am 17. Dezember 2007 von Minister Cyril Svoboda vorgetragene Rechtsmeinung beruht? Wenn ja, bis wann wird die tschechische Regierung ein Rechtsgutachten auf den Tisch legen? Wenn nein, warum nicht?
10. So die unter 9) angefragte tschechische Expertise bereits der Bundesregierung vorliegt, wann wurde diese der österreichischen Parlamentarierdelegation übermittelt? Wenn dies bislang nicht erfolgt ist, warum unterblieb dies?
11. So die unter 9) angefragte tschechische Expertise bereits der Bundesregierung vorliegt, wurde eine Beurteilung aus rechtlicher Sicht beauftragt? Wer hat wen hiermit beauftragt und seit wann liegt ein entsprechendes Ergebnis vor? So die entsprechende Beurteilung vorliegen sollte, wann wurde diese der österreichischen Parlamentarierdelegation zugeleitet und wenn nicht, warum nicht?
12. Hat die Bundesregierung die Causa Temelin, insbesondere die Nichterfüllung des Melker bzw. Brüssler Abkommens, im Rahmen der diesjährigen Versammlung der Vertragsstaaten zur Konvention über nukleare Sicherheit der internationalen Staatengemeinschaft öffentlich thematisiert? Wenn ja, in welcher Form und mit welchen Unterlagen? Wenn nein, warum nicht?