4484/J XXIII. GP
Eingelangt am 04.06.2008
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ANFRAGE
der Abgeordneten Drin Ruperta Lichtenecker, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft
Der Welser Flugplatz, der letzte größere Rest der Welser Heide, ist ein Refugium für bedrohte und äußerst seltene Arten, die ein offenes, steppenartiges Gelände benötigen. Die Grundeigentümer, die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG), möchte laut Auskunft des Bürgermeisters von Wels, Dr. Peter Koits das Areal zu einer „besseren Verwertung“ bringen. Die Stadt Wels hat den Welser Flugplatz bis zum Jahr 2072 von der BIG gepachtet. Der Flugbetrieb ist dem Verein „Weiße Möwe Wels“ bis 2027 vertraglich übertragen worden. Zukünftig möchten die BIG und die Stadt Wels ca. 40 ha von den 100 ha des Welser Flugplatzes als Gewerbegebiet nutzen. Damit ist der Lebensraum von zahlreichen vom Aussterben bedrohten Tierarten gefährdet.
Von dem ca. 100 ha großen Welser Flugplatz sind etwa 70 ha Magerwiesen, das entspricht etwa der gesamten Fläche aller Kalk-Halbtrockenrasen im oberösterreichischen Alpenvorland. Magerwiesen haben für den Naturschutz, also die Erhaltung der heimischen Artenvielfalt, eine besondere Bedeutung. Die Größe von 70 ha zusammenhängender Magerwiesenfläche ist einzigartig in Oberösterreich!
Der Welser Flugplatz bietet Lebensraum für besonders schützenswerte Tierarten: Der Große Brachvogel, der in Österreich eine vom Aussterben bedrohte Brutvogelart ist, besiedelte 1997 das Flughafengelände. Aufgrund des sehr hohen Bruterfolges vergrößerte sich der Bestand rasch. 2007 brüteten mindestens 6 Paare. Dadurch wurden Gebiete in der Umgebung vom Flugplatz aus neu besiedelt. Wenn die Brutpaare am Welser Flughafen verschwinden, sterben sehr wahrscheinlich die umliegenden Populationen ebenfalls aus.
Auf dem Welser Flugplatz brüten mindestens 50 Paare vom Kiebitz. Das ist nach dem Ibmer Moor die zweitgrößte Population in Oberösterreich.
Das in
Oberösterreich stark gefährdete Schwarzkehlchen brütet regelmäßig
in geringer Dichte am Flugplatz Wels. Die noch weit verbreitete Feldlerche
kommt hier in einer so hohen Dichte vor, wie sonst nirgends mehr in
Oberösterreich. Das durch Intensivierung der Landwirtschaft vielfach
selten gewordene Rebhuhn ist am Flugplatz ebenfalls allgegenwärtig und in
großer Anzahl zu finden. Steinschmätzer, Schafstelze und
Grauammer konnten als weitere Besonderheiten hier festgestellt werden. Die
letzteren beiden Arten sind in Oberösterreich vom Aussterben
bedroht.
Das Flughafengelände sowie das daran angrenzende
Panzerübungsgelände sind ein Lebensraum für die stark bedrohte
Wechselkröte, die flache und unbeschattete Laichgewässer
benötigt. Durch Anlegung von Flachgewässern könnte hier wieder
eine stabile Population aufgebaut werden. Es wäre dann der wichtigste
Lebensraum der Wechselkröte in Oberösterreich.
2007 konnte der Biologe des Naturschutzbundes, Dr. Martin Schwarz, die
Steppen-Furchenbiene (Lasioglossum setulosum - Wildbiene) am
Flughafengelände feststellen. Es ist dies ein Wiederfund für
Oberösterreich nach 57 Jahren, obwohl diese Tiergruppe in
Oberösterreich gut untersucht ist. Aktuell ist diese Steppenart in
Österreich sonst nur östlich von Wien bekannt.
Ebenfalls ein Wiederfund nach über 50 Jahren stellt die Kurzstiel-Sandwespe (Podalonia affinis) dar. Diese solitär lebende Art benötigt Magerrasen und andere warme, trockene Standorte mit sandigem Untergrund.
Besonders überraschend war der Fund einer für die Wissenschaft bisher
unbekannten Schlupfwespenart durch Dr. Schwarz. Von dieser
"neuen" und noch namenlosen Insektenart ist bisher, außer dass
sie existiert, noch nichts bekannt.
Aufgrund der Größe und Lage gibt es in Oberösterreich kein
vergleichbares Gebiet, in dem ähnlich gute Voraussetzungen für
eine langfristige Sicherung der an Trockenheit und Wärme gebundenen Tier-
und Pflanzenarten bestehen. Schon derzeit hat das Gelände des Welser
Flugplatzes eine enorme Bedeutung für den Naturschutz. Bei
Fortführung der derzeitigen Bewirtschaftung (keine Düngung, einmalige
Mahd mit Abtransport des Mähgutes) wird die Bedeutung noch weiter steigen.
Es ist anzunehmen, dass weitere seltene Arten sich hier ansiedeln werden.
Die Republik Österreich hat sich mit der Unterzeichnung der Konvention über Biologische Vielfalt - diese wurde auf der Konferenz der Vereinten Nationen in Rio de Janeiro 1992 beschlossen - dazu verpflichtet, dem Artensterben bis 2010 ein Ende zu setzen.
Magere Flachland-Mähwiesen (Trespen-Kalk-Halbtrockenrasen), wie sie am Flughafengelände vorkommen, sind nach der FFH-Richtlinie (Fauna-Flora-Habitatrichtlinie) der EU von gemeinschaftlichem Interesse. Diese Richtlinie hat zum Ziel, zur Sicherung der Artenvielfalt durch die Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen im europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten, für das der Vertrag Geltung hat, beizutragen. Mit der geplanten Umwidmung in Betriebsbaugebiet sind diese letzten Reste der Welser Heide unwiederbringlich verloren, der Lebensraum geschützter Tiere und Pflanzen zerstört.
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Hat das BMLFUW zur Veräußerung des Welser Flugplatzes eine Stellungnahme abgegeben? Wenn ja, wie sieht diese aus? Falls nein, warum nicht?
2. Im Falle einer negativen Stellungnahme des BMLFUW zur Veräußerung des Welser Flugplatzes, inwieweit hat diese Einfluss auf die Entscheidungen der BIG?
3. Inwieweit sind die Ministerien bzw. BIG an internationale Abkommen (z.B. Übereinkommen über die biologische Vielfalt), die von Österreich unterzeichnet wurden, gebunden?
4. Warum werden diese Übereinkommen der österreichischen Republik von Gesellschaften, die im Eigentum der Republik stehen, nicht eingehalten bzw. respektiert und Maßnahmen, die diese Übereinkommen konterkarieren, unterstützt?
5. Welche Maßnahmen werden Sie setzen um den Verkauf des Flugplatz Wels bzw. die Zerstörung des Lebensraums von gefährdeten Tierarten zu verhindern?