4607/J XXIII. GP

Eingelangt am 11.06.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Dr. Beatrix Karl
Kolleginnen und Kollegen

an den Bundeskanzler

betreffend datenschutz- und dienstrechtliche Beurteilung des internen E-Mail-
Verkehrs

E-Mails sind heutzutage zum bevorzugten Kommunikationsmittel avanciert, sei es im
dienstlichen Gebrauch oder im privaten Bereich. Damit stellt sich naturgemäß eine
Reihe von Fragen betreffend deren rechtliche Beurteilung. Die f
ür die Bundesministe-
rien verbindliche Büroordnung regelt E-Mails unter dem Titel Formlose Erledigun-
gen" in
§ 19. Derartige formlose, weil nicht aktenmäßig dokumentierte, Erledigungen
sind demzufolge zulässig. In einem Aktenvermerk oder in einem Akt sind diese
Gesch
äftsfälle bzw. E-Mails dann festzuhalten sofern der Vorgang von weiterer
Bedeutung sein kann" (
§ 19 Abs. 3 Büroordnung).

In innerministeriellen Richtlinien ist Genaueres über den E-Mail-Verkehr enthalten.
So werden regelm
äßig Namens- ebenso wie Organisationspostfächer primär für den
Dienstgebrauch vorgesehen, die private Nutzung ist allerdings dann erlaubt, wenn
sie sich im unbedingt erforderlichen Rahmen bewegt. Den Inhabern von Namens-
postf
ächern wird dabei auch regelmäßig die Vertraulichkeit ihrer Postfächer garan-
tiert, indem - abgesehen von der Zugriffsm
öglichkeit durch Exchange-
Administratoren aus technischen Gr
ünden - ausschließlich die Inhaber der
Namenspostfächer sowie von den Inhabern explizit ermächtigte Bedienstete Zugriff
auf diese Postf
ächer haben".

Im Bereich des Arbeitsrechts wird von der herrschenden Lehre die Auffassung
vertreten, dass der Zugriff auf private Daten/Dateien/Informationen grunds
ätzlich
unzul
ässig ist. Zur Begründung werden insbesondere das Grundrecht auf Achtung
des Privat- und Familienlebens nach Art 8 EMRK sowie das Grundrecht auf Schutz
der personenbezogenen Daten (
§ 1 DSG 2000) herangezogen. Diese
Pers
önlichkeitsrechte entfalten zwischen Privatrechtssubjekten entweder wie § 1
DSG 2000 unmittelbare Wirkung oder
über § 16 ABGB mittelbare Drittwirkung. Die
umfassende Pflicht zur Achtung der Privatsph
äre des Arbeitnehmers ist auch
zentraler Bestandteil der F
ürsorgepflicht des Arbeitgebers. Ausgehend davon wird
einhellig die Auffassung vertreten, dass die Einsichtnahme in private E-Mails von
Arbeitnehmern jedenfalls verboten ist (s zB Brodil, Die Kontrolle der Nutzung neuer
Medien im Arbeitsverh
ältnis, ZAS 2004,156; dens, Anmerkung zu OGH 25.10.2001,
8 Ob A 218/01, ZAS 2002, 144; Obereder, E-Mail und Internetnutzung aus
arbeitsrechtlicher Sicht, DRdA 2001, 75).

Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass § 79c BDG 1979 die Einführung und
Verwendung von Kontrollma
ßnahmen und technischen Systemen, welche die
Menschenw
ürde bloß berühren, für unzulässig erklärt. Der Gesetzgeber will mit der
Anknüpfung an die Menschenwürde" erreichen, dass die freie Entfaltung der
Persönlichkeit des Arbeitnehmers keinen übermäßigen Eingriffen ausgesetzt ist.

Ausgehend von der Judikatur zur Installierung von Telefonregistrieranlagen (s zB
VwGH 11.11.1987, 87/01/0034, ZAS 1988, 104 [zust. Marhold]; OGH 13.6.2002, 8
Ob A 288/01 p, ZAS 2004, 40) ist das Lesen oder gar Kopieren von privaten E-Mails
jedenfalls unzul
ässig, wird doch die Menschenwürde dadurch nicht nur berührt,
sondern sogar verletzt.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher an den Bundeskanzler folgende

Anfrage:

1.        Welche dienstrechtlichen Bestimmungen gelten im Bundesdienst für den Um-
gang mit E-Mails?

2.        Wann müssen von öffentlich Bediensteten E-Mails im Dienstbetrieb veraktet
werden?

3.        Entspricht es den Tatsachen, dass öffentlich Bedienstete regelmäßig ihre im
Dienst genutzten Namenspostfächer auch im unbedingt erforderlichen
Rahmen privat nutzen d
ürfen?

4.        Welche rechtlichen Bestimmungen regeln dies anders?

5.        Darf der öffentliche Dienstgeber Einblick in die Namenspostfächer seiner
Bediensteten nehmen?

Wenn ja, auf welchen rechtlichen Grundlagen beruht dies und wie werden die

Grundrechte der Bediensteten gewahrt?

Wenn nein, welche rechtlichen Bestimmungen sprechen dagegen?

6.  Vertreten Sie die Auffassung, dass ein privater Dienstgeber Einblick in die
Namenspostf
ächer seiner Arbeitnehmer nehmen darf?

Wenn ja, auf welche rechtlichen Grundlagen stützen Sie diese Auffassung und

wie werden die Grundrechte der Arbeitnehmer gewahrt?

Wenn nein, welche rechtlichen Bestimmungen sprechen dagegen?

7.  Darf der öffentliche Dienstgeber Namenspostfächer aller seiner Bediensteten
nach gewissen Schlagworten durchsuchen?

Wenn ja, auf welchen rechtlichen Grundlagen beruht dies und wie werden die

Grundrechte der Bediensteten gewahrt?

Wenn nein, welche rechtlichen Bestimmungen sprechen dagegen?

8.  Darf ein privater Dienstgeber die Namenspostfächer aller seiner Arbeitnehmer
nach gewissen Schlagworten durchsuchen?

Wenn ja, auf welchen rechtlichen Grundlagen beruht dies und wie werden die

Grundrechte der Arbeitnehmer gewahrt?

Wenn nein, welche rechtlichen Bestimmungen sprechen dagegen?

9.  Vertreten Sie die Auffassung, dass der öffentliche Dienstgeber einen seiner
Bediensteten dazu verpflichten kann, alle seine E-Mails (somit auch die nicht
verakteten und privaten E-Mails) der Dienstbeh
örde vorzulegen?

Wenn ja, auf welche rechtlichen Grundlagen stützen Sie diese Auffassung und wie werden die Grundrechte der Bediensteten gewahrt?

Wenn nein, welche rechtlichen Bestimmungen sprechen dagegen?

10. Vertreten Sie die Auffassung, dass der private Dienstgeber seine
Arbeitnehmer verpflichten kann, alle seine E-Mails den Vorgesetzten
vorzulegen?

Wenn ja, auf welche rechtlichen Grundlagen stützen Sie diese Auffassung und
wie werden die Grundrechte der Arbeitnehmer gewahrt?
Wenn nein, welche rechtlichen Bestimmungen sprechen dagegen?

11. In welchen Fällen kann eine Veröffentlichung von E-Mails aus Gründen des
Datenschutzes untersagt sein?

12.    Welche dienstrechtliche Handhabe hat der öffentliche Dienstgeber gegenüber
einem seiner Bediensteten, wenn dieser nicht alle relevanten E-Mails in einem
Aktenvermerk oder einem Akt festhält?

13.    Ist es sachlich gerechtfertigt, dass öffentlich Bedienstete auch dann noch
Zugriff auf ihr ursprüngliches Namenspostfach haben, wenn sie die
entsprechende Funktion im
öffentlichen Dienst nicht mehr ausüben?

14.    Wie lange haben öffentlich Bedienstete ihre E-Mails aufzubewahren?

15.    Teilen Sie die Auffassung, dass eine Kontrollmaßnahme, im Zuge derer
private E-Mails gelesen und kopiert werden, die Menschenw
ürde verletzt bzw.
zumindest berührt, so dass ihre Einführung und Verwendung gemäß § 79c
BDG 1979 unzul
ässig ist?