4723/J XXIII. GP

Eingelangt am 08.07.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Mag. Johann Maier

und GenossInnen

an den Bundeskanzler

betreffend Warndateien (oder so genannte schwarze Listen) in Österreich -

Bonität von KundInnen - Datenschutzrechtliche Probleme“

Zahlreiche Branchen und Unternehmen bewerten vor Vertragsabschlüssen (oder bei
Schadensregulierungen) die Bonit
ät, d.h. Kreditwürdigkeit potenzieller KundInnen über
eigene Warnlisten oder zunehmend über Datenbanken Dritter (z.B. von
Auskunftsdateien oder Inkassosb
üros). Damit werden Datenschutzbestimmungen
umgangen.

Die Bonität der KundInnen wird zunehmend auch über so genannte Scoringverfahren
festgestellt, in denen nicht nur unwissenschaftlich, sondern absolut intransparent ein
Bonitätswert" automatisiert errechnet wird, der als Grundlage unternehmerischer
Entscheidungen (Vertrag ja/nein) verwendet wird. Die damit verbundenen Probleme
wurden mit der AB 3582/XXIII. GP beantwortet.

KonsumentInnen bleibt dabei in der Regel verborgen, dass ihre personenbezogenen
Daten mit personenbezogenen Daten einer Datenbank (meist Dritter) abgeglichen
werden. Es ist meistens Betroffenen überhaupt verborgen, dass ihre
personenbezogenen Daten in einer Datenbank, d.h. in einer so genannten
schwarzen
Liste" enthalten sind. Dieses Datenmaterial ist wiederum oft veraltert und von fraglicher
Herkunft, es ist nicht nachvollziehbar woher diese Daten stammen. Zunehmend gibt es
darin auch falsche Daten. KonsumentInnen finden sich damit unschuldig" in derartigen
Listen und zwar mit unliebsamen Konsequenzen (d.h. kein Vertragsabschluss), es
kommt zur sozialen Diskriminierung. Diese kann sogar existenzbedrohend sein, gerade
dann wenn Menschen von bestimmten Produkten oder Leistungen ausgeschlossen
werden.

Das österreichische Datenschutzgesetz (DSG) sieht allerdings sehr konkrete Rechte
von Betroffenen vor, um sich zur Wehr setzen zu können. In der Praxis wird aber einem
Löschungsersuchen des Betroffenen oder dessen Recht auf Richtigstellung von
Daten
aber vielfach nicht entsprochen. Das Widerspruchsrecht des Betroffenen
(wegen Führung von Daten in einer öffentlich zugänglichen Liste) zur Löschung aus den
Listen einer Wirtschaftsauskunftei wird in der Praxis vollkommen missachtet. Wird durch
Unternehmen in Datenbanken Dritter Einsicht genommen, werden
Datenschutzbestimmungen
überhaupt umgangen.

Bekannt sind in der Öffentlichkeit so genannte Warnlisten in folgenden Branchen:

Banken, Versicherungen, Immobilientreuhänder, Versandhandel,
Telekommunikationsunternehmen, Verkehrsuntemehmen, Auskunfteien und
Inkassobüros.

Konsumentenschutzminister Dr. Erwin Buchinger hat daher - wegen vielfacher
Nichteinhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen - bereits im Jahr 2007 den VKI
mit der F
ührung von Musterprozessen und Verbandsklagen beauftragt. Erste
Ergebnisse bzw. Urteile liegen nun vor:

 

Der VKI hat - im Auftrag des BMSK - eine Klage auf Löschung von Daten eines

Konsumenten nach § 28 DSG (Datenschutzgesetz) gegen eine Kreditauskunftsdatei, die

eine Bonitätsdatenbank betreibt, eingebracht und in erster Instanz Recht bekommen

(noch nicht rechtskräftig).

In diesem Fall wollte der Kläger einen Mobilfunkvertrag abschließen. Das

Mobilunternehmen verweigerte jedoch den Vertragsabschluss aufgrund eines

Negativeintrages in dieser Bonitätsdatenbank.

Der daraufhin erfolgte Widerspruch zur weiteren Verwendung seiner Daten und dem

Antrag auf Löschung binnen 8 Wochen der betreffenden Daten wurde vom Beklagten

jedoch verweigert. Das Erstgericht entschied nun sehr eindeutig:

Gemäß § 28 DSG könne der Betroffene beim Auftraggeber gegen eine nicht gesetzlich

angeordnete Aufnahme in eine öffentlich zugängliche Datei jederzeit auch ohne

Begründung seines Begehrens Widerspruch erheben. Die Daten seien binnen

8 Wochen zu löschen. Dies habe der Kläger gemacht. Wesentliche Voraussetzung für

den Löschungsanspruch sei die nicht gesetzlich angeordnete Aufnahme in eine

öffentlich zugängliche Datei" (Verbraucherrecht 1/2008).

Ähnlich die Situation in Deutschland: So hat die Stiftung Warentest herausgefunden,
dass viele Bankberater grobe Fehler bei der Kreditberatung machen. Insbesondere
durch falsche SCHUFA-Anfragen werden Kunden als nicht kreditw
ürdig eingestuft,
obwohl sie nie einen Kredit aufgenommen haben, berichtete die Zeitschrift FINANZtest"
in einer Pressemitteilung zu ihrer Februar-Ausgabe (2008).

Deutsche Datenschützer und der Bund der Versicherten haben vor kurzem auch das als
"schwarze Liste" geführte "Hinweis- und Informationssystem" (HIS) der deutschen
Versicherungswirtschaft scharf kritisiert. 9,5 Mio. Datensätze sind in dieser Datenbank
abgespeichert.

Aus deren Sicht kann die Aufnahme in diese Warndatei für die Betroffenen Existenz
bedrohend sein. Ein entsprechender Eintrag k
önne dazu führen, dass eben kein
Versicherungsschutz mehr gewährt wird. In einem Schadensfall sei als Konsequenz
denkbar, dass man dann auch bankrott wird. Der Vorsitzende der Arbeitsgruppe
Versicherungswirtschaft der Datenschutzbeauftragten hierzulande h
ält es daher
prinzipiell für sehr bedenklich, dass die Versicherungen unkontrolliert und teils
fehlerbehaftet Daten im HIS speichern und weitergeben"
(news 08.01.2008).

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundeskanzler nachstehende

Anfrage:

1.    Unterliegt die Führung (Datenanwendung) von so genannten Warnlisten (d.s.
Datenbanken) der Vorabkontrolle (§ 18 Abs. 2 DSG) durch die DSK?
Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, wie viele sind nach der Vorabkontrolle registriert?

2.   Wie viele und welche derartiger Warnlisten" (Datenbanken) in Österreich sind dem
Ressort bekannt?

Wie viele Datensätze sind in diesen Warnlisten" abgespeichert?

Wie viele Personen davon betroffen?

Wie viele sind davon als öffentlich zugängliche Datenbank anzusehen?

 

3.    Ist aus Sicht des Ressorts für die Aufnahme von personenbezogenen Daten in eine
so genannte
Warnliste" eine Zustimmungserklärung Betroffener - Konsumenten wie
Unternehmer - einzuholen?

Wenn nein, warum nicht?

Wenn ja, genügt ein entsprechender Hinweis in Allgemeinen Geschäftsbedingungen

(z.B. im Kleingedruckten)?

Oder muss diese Zustimmungserklärung ausdrücklich vereinbart werden?

4.   Oder stimmt es, dass Betroffene - Konsumenten oder Unternehmer - von der
Aufnahme ihrer Daten in sogenannten
Warnlisten" zumindest im Nachhinein
informiert werden müssen?

Wenn nein, warum nicht?

5.  Unter welchen Voraussetzungen dürfen überhaupt Daten von Personen in diese
sogenannten Warnlisten" aufgenommen werden?

6.             Welche personenbezogenen Daten dürfen in eine so genannten Warnliste"
aufgenommen werden? Inwieweit dürfen dabei auch sensible Daten" aufgenommen
werden?

7.  Dürfen bei der Aufnahme von Daten über Zahlungsverpflichtungen von Betroffenen -
Konsumenten oder Unternehmer - nur unbestrittene Forderungen aufgenommen
werden oder auch bestrittene Forderungen?

8.  Teilen Sind Sie die Auffassung, dass Forderungen in eine derartige Warnliste nur ab
einem bestimmten Betrag aufgenommen werden dürfen?

Wenn ja, ab welchem Betrag?

9.             Wie kämen sich Betroffene gegen falsche Eintragungen in so genannte Warnlisten
effektiv zur Wehr setzen?

10. Können nach der ständigen Rechtssprechung Betroffene die Löschung ihrer Daten
ohne Angabe von Gründen durchsetzen?

11. Wann müssen Daten in diesen sogenannten Warnlisten" überhaupt von den
Auftraggebern dieser Datenbanken gelöscht werden?

12. Müssen die Datenbestände einer derartigen Warnliste" durch die Auftraggeber
regelmäßig aktualisiert werden?

Wenn ja, zu welche Konsequenzen führt die Nichtaktualisierung?

13.  Wie können aus Sicht des Ressort die Rechte Betroffener gestärkt werden, damit
Falscheinträge auch tatsächlich gelöscht und veralterte Daten richtig gestellt
werden?

Sind aus Sicht des Ressorts schärfere Sanktionen notwendig?

14.  Muss gegenüber Betroffenen eine Bonitätsentscheidung" - die auf eine Eintragung
in so genannte Warnlisten zurückzuführen ist -jeweils begründet werden?

15. Unter welchen Voraussetzungen dürfen Daten aus einer so genannten Warnliste"
von den Auftraggebern bzw. Datenbankbetreibern (z.B. Wirtschaftsauskunftsdienste)
überhaupt an andere Unternehmen oder Interessensvertretungen weitergegeben
werden?

16. Unter welchen Voraussetzungen dürfen Daten aus einer so genannten Warnliste"
von den Auftraggebern bzw. Datenbankbetreibern (z.B. Wirtschaftsauskunftsdienste)
grenzüberschreitend - weitergegeben an wen auch immer - werden?

17. Unter welchen Voraussetzungen können aus Sicht des Ressorts
Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden, wenn dadurch Betroffene in
ihren Rechten geschädigt werden?

18. Trifft den Auftraggeber einer derartigen Warnliste eine Warn- oder
Informationspflicht, gegenüber allen Personen deren Daten in der Datei enthalten
sind, wenn diese Datenbankdateien verlustig gehen oder gestohlen werden?
Wenn nein, warum nicht?