4739/J XXIII. GP
Eingelangt am 08.07.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der
Abgeordneten Werner Neubauer, und Kollegen
an den Bundeskanzler
betreffend: Views des UN-Menschenrechtsausschusses
Der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen stellte im Beschwerdeverfahren des österreichischen Staatsbürgers Dr. Wolfgang LEDERBAUER gegen die Republik Österreich in einer an die Österreichische Bundesregierung gerichteten Mitteilung (Views) vom 13.7.2007 wörtlich fest: „Der Ausschuss stellt eine Verletzung Ihres Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 14 (1) CCPR) fest. Er befindet des weiteren, dass dem Beschwerdeführer ein Anspruch auf ein Rechtsmittel zur Korrektur dieser Verletzung sowie auf angemessenen Schadenersatz zusteht.“
Dennoch hat die österreichische Bundesregierung bis heute (trotz darauf gerichteter Aufforderungen durch den Einschreiter), diese Feststellungen des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen nicht umgesetzt.
Die Zuständigkeit des Bundeskanzlers ergibt sich aus seiner Stellung als monokratisches Verwaltungsorgan an der Spitze der ihm beigegebenen Dienststelle „Bundeskanzleramt“ und aus seiner gesetzlichen Funktion als Vorsitzender der österreichischen Bundesregierung.
In bisherigen parlamentarischen Anfragebeantwortungen (858/AB XXIII. GP vom 20.7.2007 und 4016/AB XXII. GP vom 22.5.2006) wurde seitens des Bundeskanzlers (sowohl des jetzigen als auch seines Amtsvorgängers) die Auffassung vertreten, dass die Views des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen nicht verbindlich seien.
Dem stehen jedoch mittlerweile folgende aktuelle rechtliche Erkenntnisse entgegen:
Der renommierte Menschenrechtsexperte Prof. Dr. Manfred NOWAK hielt in einer gutachterlichen Stellungnahme vom 4.10.2005 fest, dass die Views des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen für Österreich verbindlich seien und von Österreich umgesetzt werden müssen.
Der renommierte Verfassungsexperte Prof. Dr. Bernd-Christian FUNK bestätigte dies in einer gutachterlichen Stellungnahme vom 11.10.2005.
Diese von den genannten Juristen vertretene Rechtsauffassung deckt sich mit den von den gleichermaßen renommierten Grundrechtsexperten Prof. Dr. Alexander MORAWA und Prof. Dr. Adrian HOLLAENDER erstatteten Rechtsgutachten vom 12.10.2005 bzw. vom 31.12.2007 sowie mit der von dem letztgenannten Grundrechtsexperten Professor HOLLAENDER in der Januar-Ausgabe 2008 der Fachzeitschrift „Anwalt aktuell" veröffentlichen rechtswissenschaftlichen Publikation zum Thema der rechtlichen Bedeutung der Views des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen.
Im gleichen Sinne hat auch die österreichische Volksanwaltschaft auf Seite 356 des Berichts der Volksanwaltschaft 2004 an den Nationalrat und an den Bundesrat, III-148 der Beilagen zu den Stenographischen Protokollen des Nationalrates, XII.GP., - infolge eines von dem von der SPÖ nominierten Volksanwalt Dr. Peter KOSTELKA behandelten Anlassfalles - ausdrücklich festgehalten: „Nach Auffassung der Volksanwaltschaft wäre es daher unbillig und dem Grundsatz von Treu und Glauben widerstreitend, wenn die Republik Österreich einerseits die Zuständigkeit des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen anerkennt, über die Einhaltung der aus dem Pakt für bürgerliche und politische Rechte erfließenden Rechte zu wachen, andererseits aber dann seine Entscheidung - wenn für die Republik Österreich negativ - mit dem Argument mangelnder Rechtsverbindlichkeit für unbeachtlich erklärt.“
Auch der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen selbst hat in seiner Entscheidung N° 504/1992 vom 19. Juli 1994, A/49/40 II (1994), Annex X.P (S. 322), § 6.3., in der Rechtssache "Roberts versus Barbados" explizit festgehalten: „It is an obligation for the State party to adopt appropriate measures to give legal effect of the views of the Committee as to the interpretation and application of the Convenant.“.
In diesem Zusammenhang stellen die unterfertigten Abgeordneten an die Bundesminister….. folgende
Anfrage:
1.) Haben Sie Kenntnis davon, dass der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen im Beschwerdeverfahren des österreichischen Staatsbürgers Dr. Wolfgang LEDERBAUER gegen die Republik Österreich in einer an die Österreichische Bundesregierung gerichteten Mitteilung (Views) vom 13.7.2007 eine Verletzung des Rechts des Beschwerdeführers Dr. LEDERBAUER auf ein faires Verfahren durch die Republik Österreich festgestellt und des weiteren befunden hat, dass dem Beschwerdeführer ein Anspruch auf ein Rechtsmittel zur Korrektur dieser Verletzung sowie auf angemessenen Schadenersatz zusteht?
2.) Wurde Ihres Wissens Dr. LEDERBAUER von der Republik Österreich mittlerweile ein Rechtsmittel zur Korrektur dieser Verletzung eingeräumt?
3.) Wurde Ihres Wissens Dr. LEDERBAUER von der Republik Österreich mittlerweile angemessener Schadenersatz geleistet?
4.) Bei Verneinung der Fragen 2 und 3: Wann und wie werden Sie der Auffassung des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen im Beschwerdeverfahren des österreichischen Staatsbürgers Dr. Wolfgang LEDERBAUER gegen die Republik Österreich Umsetzung verleihen oder gedenken Sie die Auffassung des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen zu ignorieren?
5.) Haben Sie bisher mit dem erfolgreichen Beschwerdeführer Dr. LEDERBAUER ein Gespräch über diese Angelegenheit geführt?
6.) Haben Sie bisher den parlamentarischen Menschenrechtsausschuss über diese Angelegenheit informiert und ihn damit befasst?
7.) Wenn ja, wann und in welcher Weise?
8.) Wenn nein, wann werden Sie dies tun?
9.) Sofern Sie - im Widerspruch zu den eingangs zitierten Expertenmeinungen - nach wie vor die Auffassung vertreten sollten, dass die Views des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen innerstaatlich nicht unmittelbar verbindlich seien, weil der UN-Menschenrechtspakt vom Nationalrat seinerzeit unter dem Vorbehalt genehmigt wurde, dass er im Sinne des Art. 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist: Wann werden Sie (angesichts des Umstandes, dass der erwähnte Pakt durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist) in den Ministerrat ein entsprechendes Erfüllungsgesetz zur Beschlussfassung vorlegen?
10.) Sind Sie - angesichts der (sowohl in der Diskussion um den EU-Reformvertrag als auch bei zahlreichen anderen Gelegenheiten) von der Österreichischen Bundesregierung immer wieder befürworteten, hervorgehobenen und für notwendig erachteten Verbesserung der Grundrechtssituation - der Ansicht, dass es im anfragegegenständlichen Anlassfall verstärkter Bemühungen der Bundesregierung bedarf, um dem Grundrechtsschutz in concreto zum Durchbruch zu verhelfen und wenn ja, was werden Sie zu diesem Zweck wann tun?