4776/J XXIII. GP
Eingelangt am 10.07.2008
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ANFRAGE
der Abgeordneten Weinzinger, Freundinnen und Freunde
an den Bundesministerin für Inneres
betreffend den Umgang von Bediensteten der Sicherheitsbehörden mit Opfern sexualisierter Gewalt und insbesondere die auf Voreingenommenheit und Ausbildungsdefizite der Kriminalpolizei beruhenden Ermittlungmängel bei Aufklärung von Sexualdelikten im Zusammenhang mit psychotropen Substanzen
Am 19. Juni 2006 wurde eine parlamentarische Anfrage (4385/J; XXII.GP.) an die Frau Bundesministerin für Inneres wegen der skandalösen Umstände anlässlich einer Vergewaltigungsanzeige eingebracht. Die sich auf den konkreten Anlassfall beziehenden Fragen wurden unter Hinweis auf „laufende Ermittlungen“ in der Beantwortung vom 14. August 2006 nicht bzw falsch beantwortet. Inzwischen sind zu diesem Anlassfall aber weitere aufklärungsbedürftige Umstände bekannt geworden, die generell ein bedenkliches Licht auf den Umgang der Sicherheitsbehörden mit Anzeigen wegen sexualisierter Gewalt werfen.
Dieser Fall führt deutlich vor Augen, dass trotz aller behaupteten Schulungen die polizeiliche Reaktion gegenüber Opfern weiterhin häufig von offensiv gezeigtem Misstrauen und opferfeindlichen Vorstellungen dominiert wird. Solange sich dieser polizeiliche Umgang mit Opfern sexualisierter Gewalt nicht ändert und solange sich der Umgang mit konkreten Missständen nicht an Aufklärung sondern an Vertuschung orientiert, werden die Appelle des Herrn Innenministers, „bei Verdachtsfällen sexueller Gewalt hinzuschauen und nicht wegzuschauen“ und sich als „Partner an die Polizei“ zu wenden nicht zu der von ihm erhofften Steigerung der Anzeigebereitschaft führen.
Im Unterschied zu anderen Straftaten sind die Ermittlungen der Polizei bei sexuellen Gewalttaten primär daran orientiert zu überprüfen, ob das Opfer lügt, wenn es einen Mann einer sexuellen Gewalttat beschuldigt (Steffen, 1987, Gewalt von Männern gegenüber von Frauen, Bayer. Landeskriminalamt). Dabei ist wissenschaftlich belegt, dass das Vortäuschen einer Straftat gerade in diesem Deliktsbereich eine absolute Ausnahme darstellt. Hingegen vermuten Kriminalbeamte aufgrund ihres „Bauchgefühls“ in zwei Drittel der aus Beweisgründen eingestellten Fälle eine Falschanzeige (Studie „Vergewaltigung und sexuelle Nötigung in Bayern“, 2005). Wie der gegenständliche Fall exemplarisch zeigt, bleibt diese Voreingenommenheit nicht ohne Auswirkungen auf die Qualität des Ermittlungsverfahrens, was auch für die niedrige Verurteilungsrate in diesem Deliktsbereich mitverantwortlich ist.
Insbesondere Frauen, die Opfer sexualisierter Gewalt nach unbewusster Verabrechung von KO-Tropfen geworden sind, haben in besonderem Maße mit dem Vorurteil der Unglaubwürdigkeit zu kämpfen, weshalb sich Täter sicher fühlen können und kaum mit strafrechtlichen Folgen zu rechnen haben (Deutsches Ärzteblatt, März 2008). Dazu tragen nicht nur die vom Innenministerium gegenüber der Volksanwaltschaft eingestandenen Schulungsdefizite bei, sondern generell das Fehlen jeglicher Bereitschaft, auch nicht sofort nachvollziehbare Angaben objektiv und unvoreingenommen zu würdigen. Die Annahme, dass es sich dabei nur um einen kaum existenten Deliktstypus handelt ist verfehlt: so wurden zB allein in den ersten vier Monaten des Jahres 2007 zumindest 12 Fälle in der Uniklinik Innsbruck behandelt („Der Standard“ vom 24.5.2007).
Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Bevor die Frau am 21.5.2006 im Kommissariat Wien Nord die Anzeige wegen Vergewaltigung erstatten konnte, wurde sie und ihre Vertrauensperson trotz des Hinweises auf die wahrscheinliche Verabreichung einer Droge von einem Beamten mit der Bemerkung weggeschickt, in einer Stunde wieder zu kommen, da die zuständige Beamtin gerade auf Mittagspause sei. Ist es zulässig und üblich, dass Sontagsdienst leistende Kriminalbeamte Mittagspausen von mehr als einer Stunde ausserhalb des Kommissariats verbringen und dabei nicht einmal für den Fall dringend notwendiger Maßnahmen (zB zwecks Beweissicherung rasche Blutabnahme) Vorsorge für eine Vertreteung getroffen bzw eine vorzeitige Rückkehr der Beamtin aus der Pause veranlasst wird? Welche Konsequenzen wurden im konkreten Fall angeordnet?
2. In einem Schreiben des Innenministeriums vom 10.7.2006 an den Gatten der Geschädigten wird mitgeteilt, dass die Verwendung von KO-Tropfen zur Begehung strafbarer Handlungen bekannt sei und „in Bezug auf die Aus- und Fortbildung mangelnde Qualifikation nicht erkannt werden“ könne. Wie ist es zu erklären, dass aber gegenüber der Volksanwaltschaft eingestanden wurde, dass die Beamten in dieser Hinsicht nicht explizit geschult seien, wodurch es schließlich zu der von der Volksanwaltschaft festgestellten „eindeutig unangemessenen Vorgangsweise“ und zu einer völligen Fehlbeurteilung der Symptome gekommen ist? Weshalb wird durch das Fehlen einer expliziten Schulung bewusst in Kauf genommen, dass Missbrauchsopfer aufgrund falscher Beurteilung der Symptome durch die Polizei als unglaubwürdig bezeichnet, Fehler in der Beweissicherung begangen und wie im gegenständlichen Fall „eindeutig unangemessen“ behandelt werden?
3. In wie vielen Fällen wurde in den beiden letzten Kalenderjahren in Österreich und speziell in Wien von Frauen Anzeige wegen eines Sexualdeliktes in Verbindung mit dem Verdacht auf KO-Tropfen erstattet? Wenn es dazu Zahlen gibt, welche Aussagekraft haben diese angesichts der großen Wahrscheinlichkeit einer Fehlbeurteilung aufgrund der eingestandenen Schulungsmängel? Wenn es dazu keine Zahlen gibt, auf welche Grundlage stützt das BMI die im oben erwähnten Schreiben vom 10.7.2006 getätigte Auskunft, wonach KO-Tropfen „vorzugsweise von weiblicher Täterschaft zur Begehung von Beischlafdiebstählen“ angewendet würden und der von der Geschädigten angezeigte Tatablauf in Wien noch überhaupt nie angezeigt worden wäre?
4. Gibt es zu diesen Verdachtsfällen eine ständige Vernetzung zwischen Polizei und Frauenberatungsstellen (Drogenambulanzen), um einen Überblick über die nicht angezeigten Delikte zu erhalten? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, wieviele nicht angezeigte Verdachtsfälle sind in den letzten beiden Jahren in Wien bekannt geworden? Wie hoch wird die Dunkelziffer in diesem besonderen Bereich eingeschätzt, wenn schon allgemein bei Sexualdelikten von einem Verhältnis 1:10 ausgegangen wird?
5. Ist es richtig, dass aus dem Hinweis des Innenministeriums an die Volksanwaltschaft, die Beamten seien „in dieser Hinsicht noch nicht explizit geschult“, abzuleiten ist, dass der Themenbereich „psychotrope Substanzen“, insbesondere zum Zwecke der Begehung strafbarer Handlungen, auch schon vor Mai 2006 einen grundsätzlichen Bestandteil der kriminalpolizeilichen Ausbildung gebildet hat? Wenn ja, wäre dann zumindest das Vorhandenseins eines Basiswissen über die möglichen Wirkungen dieser Substanzen und die Erfordernisse rascher Beweissicherung zumindest bei den Bediensteten des Sittlichkeitsbereiches zu erwarten gewesen? Wenn KriminalbeamtInnen aufgrund eines entsprechenden Basiswissen einen möglichen Drogeneinfluss mitberücksichtigen sollten, wie anders als mit genereller Voreingenommenheit ist dann aber die von der Volksanwaltschaft im gegenständlichen Fall festgestellte mangelnde Objektivität der Beamtin, die Nichtberücksichtigung eines möglichen Drogeneinflusses trotz ausdrücklichen Hinweises, die „Folgefehler“ im Zusammenhang mit der Beweissicherung sowie die „eindeutig unangemssene Vorgangsweise“ bei der Einvernahme eines Vergewaltigungsopfers zu erklären?
6. Im Schreiben vom 10.7.2006 wird darauf hingewiesen, dass „das Bundesministerium für Inneres in dem äußerst sensiblen Bereich der Sexualdelikte größten Wert auf Behutsamkeit und Feingefühl beim Umgang mit Opfern sexueller Gewalt“ legen würde. Wie ist es daher zu erklären, dass es die in diesem sensiblen Bereich angeblich geschulte Beamtin beim Erstkontakt mit der Geschädigten in Anwesenheit der Vertrauensperson nicht für notwendig befunden hat, zu grüßen und sich namentlich vorzustellen?
7. Wie ist es zu erklären, dass die bereits bei einem ausführlichen Vorgespräch mit zwei uniformierten Beamtinnen anwesende Vertrauensperson zur Einvernahme nicht zugelassen und die Geschädigte auch nicht über ihr Recht gemäß § 6 Richtlinienverordnung, eine Vertrauensperson beizuziehen, aufgeklärt wurde?
8. Ist es richtig, dass gegenüber der Volksanwaltschaft behauptet wurde, diese Rechtsbelehrung wäre erst nach Ausschluss des anwesenden Zeugen erfolgt? Wenn ja, wie ist es zu erklären, dass diese angebliche Rechtsbelehrung und der von der Beamtin behauptete plötzliche Rechtsverzicht der Geschädigten als Gegenstand der Verhandlung nicht in die Niederschrift aufgenommen und somit überhaupt nicht dokumentiert wurde, was auch nach Meinung der Volksanwaltschaft nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Dokumentation entspricht?
9. Die folgende Einvernahme hat nicht nur in einer skandalös unangemessenen Weise stattgefunden, sondern wurde sogar der Verdacht geäussert, dass nachträgliche Änderungen an der Niederschrift vorgenommen wurden. Weshalb können Sie ausschließen, dass die Rechtsbelehrung vorsätzlich unterlassen wurde, um die Anwesenheit eines Zeugen zu verhindern und dass die Behauptung der nicht dokumentierten angeblichen späteren Rechtsbelehrung bloß eine Schutzbehauptung zur Vertuschung einer vorsätzlichen Unkorrektheit darstellt? Falls Sie dies nicht ausschließen können, welche internen Erhebungen wurden in diese Richtung geführt?
10. Wie erklären Sie vor dem Hintergrund der von der Volksanwaltschaft in diesem Zusammenhang kritisierten wesentlichen Dokumentationsmängel den Umstand, dass auch bei einer weiteren Einvernahme im Kommissariat Zentrum Ost die Belehrung über das Recht der Anwesenheit einer Vertrauensperson unterblieben ist und sich dazu ebenfalls keinerlei Dokumentation im Akt befindet? Deutet diese „zufällige“ zweifache Nichtdokumentation einer gesetzlich verpflichtenden Belehrung innerhalb kürzester Zeit, die nach Meinung der Volksanwaltschaft jedenfalls zu dokumentieren gewesen wäre, nicht eher auf eine systematische Vorgangsweise der Kriminalpolizei hin, die Belehrung vorsätzlich zu unterlassen, um Zeugen der Einvernahme zu verhindern? Wenn nein, in wieviel Prozent der Anzeigefälle wegen eines Sexualdelikts wurde es in Wien in den letzten beiden Kalenderjahren unterlassen, die Belehrung über das Recht der Beiziehung einer Vertrauensperson schriftlich zu dokumentieren? Sollte es dazu keine Zahlen geben, woher wissen Sie, dass es sich bei der Verhinderung von Einvernahmezeugen um keine systematische Vorgangsweise handelt?
11. Wie ist bezüglich zwingender Belehrungspflichten die Weisungslage zu deren schriftlicher Dokumentation (als Inhalt der Niederschrift bzw zumindest als Aktenvermerk) und wie ist die Weisungslage generell hinsichtlich des Inhalts von Niederschriften? Immerhin hat die Beamtin zwecks Rechtfertigung ihrer von der Volksanwaltschaft als „unangemessenen“ beurteilten Vorgangsweise im Zuge einer Beschwerde behauptet, die Geschädigte hätte „mit mehreren Gegenfragen gekontert“. Wie ist es zu erklären, dass sie „zufällig“ keine einzige (!) dieser angeblichen „Gegenfragen“, die laut Volksanwaltschaft im Hinblick auf den Hauptzweck der Niederschrift auch für das Strafverfahren wesentlich gewesen wären, in der Niederschrift dokumentiert hat, obwohl sogar die Übergabe eines Folders schriftlich dokumentiert wurde?
12. Auf welche Fragen der Beamtin hätte die Geschädigte mit Gegenfragen „gekontert“ und wie haben diese angeblichen Gegenfragen der Geschädigten gelautet? Falls zu diesem auch strafrechtlich wichtigen Aspekt in der Zwischenzeit keine schriftliche Dokumentation vorgenommen wurde: wie ist dies zu erklären, zumal es in dieser Angelegenheit bereits ab Juni 2006 umfangreiche Erhebungen aufgrund einer unmittelbar danach eingebrachten parlamentarischen Anfrage, eine Volksanwaltschaftsbeschwerde, Erhebungen des Menschenrechtsbeirates und schließlich Erhebungen wegen Verdacht des Amtsmissbrauchs gegeben hat?
13. Wie beurteilen Sie diese schwerwiegenden Dokumentationsmängel angesichts der Wichtigkeit der ersten Niederschrift für das Strafverfahren und können Sie angesichts der zahlreichen Mängel ausschließen, dass es sich bei der Behauptung angeblicher Gegenfragen nur um eine Schutzbehauptung der Beamtin handelt, um ihre Voreingenommenheit (zB Vorwurf der Unglaubwürdigkeit) zu vertuschen und Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Geschädigten hervorzurufen? Wenn ja, weshalb können Sie dies vor dem Hintergrund der zahlreichen weiteren von der Volksanwaltschaft kritisierten Dokumentationsmängel ausschließen?
14. In der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage durch die Frau Bundesministerin vom 11.8.2006 zu Frage 7 wird ausgesagt, über den Ausschluss von Vertrauenspersonen würde keine separate Statistik geführt. Gleichzeitig wird behauptet, es handle sich dabei um eine „sehr selten angewendete Maßnahme“. Auf welchen Informationen beruht die Auskunft der „Seltenheit“, wenn es dazu gar keine statistischen Daten gibt?
15. Ist es richtig, dass die Kriminalbeamtin bei der Anzeigenaufnahme nicht nur einen möglichen Drogeneinfluss völlig ignoriert, sondern weiters eine veraltete Dokumentenvorlage verwendet, sich bei verschiedenen Schriftstücken mehrmals im Datum geirrt, die Beginnzeit der Einvernahme nicht wie gesetzlich vorgeschrieben (§ 14 Abs 2 AVG) protokolliert, keinerlei dokumentierte Rechtsbelehrung (zB § 47a StPO) vorgenommen und überhaupt eine in zahlreichen wesentlichen Punkten auch von der Volksanwaltschaft festgestellte mangelhafte Dokumentation (zB hinsichtlich der Personalien der Zeugen) vorgenommen hat? Wenn ja, welche Erklärung gibt es für diese Häufung von Mangelhaftigkeiten ausgerechnet unmittelbar nach Rückkehr der Beamtin aus der ausgedehnten Pause und wurden in diesem Zusammenhang Erhebungen zB im Rahmen des vom „Büro für besondere Ermittlungen“ eingeleiteten Verfahrens wegen Verdacht des Amtsmissbrauchs geführt?
16. Wie beurteilen Sie die gesprächseinleitende Äußerung der Beamtin gegenüber dem Opfer einer Straftat „Was glauben Sie wieviele Frauen da her kommen, um mit einer Anzeige wegen KO-Tropfen einen Seitensprung zu vertuschen?“ sowie die Verabschiedung mit den Worten „Ich hoffe dass Ihr Mann Ihnen glaubt“? Entspricht dieses Verhalten der erforderlichen Behutsamkeit und Unvoreingenommenheit bei der Einvernahme?
17. Wurden gegen diese Beamtin schon zu einem früheren Zeitpunkt Beschwerden wegen ihres Verhaltens eingebracht und welche Konsequenzen hatte ihre auch von der Volksanwaltschaft kritisierte Vorgangsweise im konkreten Fall?
18. Ist es KriminalbeamtInnen im Sittlichkeitsbereich schon aufgrund ihrer Basisaubildung bekannt, dass KO-Tropfen nur kurze Zeit im Blut bzw Harn nachzuweisen sind? Wenn ja, wie ist es zu erklären, dass, obwohl von der Frau bereits im Vorgespräch in Anwesenheit der Vertrauensperson der begründete Verdacht einer Verabreichung von KO-Tropfen ausgesprochen wurde (was ja der Grund der Anzeige war), die Kriminalbeamtin nicht sofort eine Blutabnahme im nächstgelegenen Spital angeregt hat, sondern die Geschädigten erst nach Beendigung der fast zweistündigen Einvernahme ohne Angebot der Begleitung und ohne Anzeigebestätigung auf eigene Faust ins Spital fahren musste, was aufgrund der damit verbundenen Wartezeiten zu einer weiteren Zeitverzögerung geführt hat? Wenn nein, welchen Inhalt hat die Basisausbildung von KriminalbeamtInnen zum Thema „psychotrope Substanzen“ dann überhaupt?
19. Gibt es inzwischen eine Dienstanweisung, wie die Bediensteten im Falle des Verdachtes von KO-Tropfen vorzugehen haben und falls ja, welchen Inhalt hat diese? Wenn nein, ist bekannt, dass die Verabreichung dieser Substanzen auch zum Tod führen kann?
20. Sind zumindest den KriminalbeamtInnen im Sittlichkeitsbereich aufgrund ihrer Basisausbildung und/oder Erfahrung die wichtigsten bewusstseinsbeeinträchtigenden Symptome von KO-Tropfen, insbesondere die typische Amnesie, bekannt? Wenn ja, wie ist es zu erklären, dass die angeblich „mangelhafte Klarheit der Antworten“ und der von der Geschädigten dargestellte substanztypische Erinnerungsverlust („Filmriss“) von der Beamtin schon nach wenigen Minuten als Zeichen der Unglaubwürdigkeit gewertet und diese Beurteilung sogar in der Niederschrift schriftlich (!) festgehalten wurde? Wenn nein, wie können es die Sicherheitsbehörden verantworten, Bedienstete, die nicht einmal über laienhafte Grundkenntnisse zu diesem Deliktsbereich verfügen, mit Ermittlungsaufgaben in diesem sensiblen Bereich zu betrauen?
21. Wie ist zu erklären, dass der Vorwurf der Unglaubwürdigkeit gegenüber der Geschädigten von der Beamtin insbesondere damit begründet wurde, dass sich die Geschädigte gegen Ende einer mehrstündiger Amnesie wieder an manche Einzelheiten erinnern konnte? Auf Grundlage welcher sich mit den Wirkungen psychotroper Substanzen beschäftigenden wissenschaftlichen Studie, die eine solch selektive Wahrnehmung als untypisch ausweist, hat die Bedienstete diese Aussage getroffen?
22. Falls dieser Vorwurf der Unglaubwürdigkeit einem Vergewaltigungsopfer gegenüber auf keiner wissenschaftlichen Grundlage sondern auf einer möglichen Fehlbeurteilung beruht, hat sich die Sicherheitsbehörde inzwischen für diese verletzende Unterstellung beim Opfer entschuldigt? Wenn nein, entspricht dieses laut Volksanwaltschaft „eindeutig unangemessene“ Verhalten dem ministeriellen Verständnis einer „feinfühligen und behutsamen Behandlung“, auf das das Innenministerium laut Schreiben vom 10.7.2006 ja „größten Wert“ legt ?
23. Ist es aus aussagepsychologischer Sicht im Interesse der Aufklärung einer Straftat überhaupt sinnvoll, anstatt eine objektive Sachverhaltsaufnahme mit ergänzenden offenen Fragen durchzuführen, gegenüber einer Frau, die aus eigenem Entschluss eine Anzeige erstattet und noch kurz zuvor unter der Wirkung einer bewusstseinsbeeinträchtigenden Substanz gestanden sein dürfte, schon nach wenigen Minuten durch den offen formulierten Vorwurf der Unglaubwürdigkeit ein Glaubwürdigkeitsenzugssignal zu setzten? Entspricht dies dem Inhalt der laut Schreiben des BMI vom 10.7.2006 widerkehrenden aussagepsychologischen Schulungen und wenn nein, weshalb glaubte die Beamtin, dass diese Vorgangsweise dazu geeignet sei, die in dieser Situation erforderliche Vertrauensbasis zu schaffen?
24. Lässt sich Ihrer Einschätzung nach aus der angefertigten Niederschrift überhaupt auf einen der Opfersituation und der Deliktspezifik angemessenen Vernehmungsablauf schließen, bei dem mögliche posttraumatische Störungen und Opferbedürfnisse berücksichtigt wurden und zumindest im Ansatz dem Bedürfnis nach Verständnis, Trost und Unterstützung entsprochen wurde? Wenn ja, aufgrund welcher Formulierungen? Wenn nein, welche Konsequenzen hatte dieses verletzende und wohl gegen § 5 Richtlinienverordnung verstoßende Verhalten für die Beamtin vor dem Hintergrund der von Ihnen in der Anfragebeantwortung vom 11.8.2006 zu Frage 13 (letzter Satz) getätigten Antwort?
25. Rechtfertigt es die Konsumation von ¾ Liter Wein in Verbindung mit der gleichen Menge Wasser während eines Zeitraumes von zehn Stunden, einem Vergewaltigungsopfer einen „erheblichen“ Konsum alkoholischer Getränke zu unterstellen und den ausdrücklichen schriftlichen Vorhalt, sich damit selbst in diese Lage gebracht zu haben? Wenn nein, weshalb hat die angeblich im feinfühligen Umgang mit Opfern sexueller Gewalt geschulte Beamtin durch diesen unangemessenen Selbstverschuldensvorwurf bewusst eine zusätzliche Traumatisierung der Geschädigten in Kauf genommen?
26. Wie anders als mit der Voreingenommenheit der Beamtin ist dieser suggestive Selbstverschuldensvorwurf zu erklären, angesichts der Denkunmöglichkeit, dass die genannte Menge Alkohol zu mehrstündiger Amnesie und den von der Geschädigten dargestellten psychovegetativen Auffälligkeiten führen kann? Entsprechen derart unbegründete Vorhalte eines Selbstverschuldens einem respektvollen und behutsamen Umgang mit Opfern sexualisierter Gewalt, oder soll das Opfer damit verunsichert und zur Zurückziehung der Anzeige veranlasst werden?
27. Weshalb wurde der Geschädigten von der Beamtin und kurz darauf auch von deren Vorgesetzten die gesetzlich gebührende Kopie der Niederschrift ohne Begründung verweigert und weshalb gibt es dazu keinerlei Dokumentation im Akt?
28. Ist es richtig, dass die Verweigerung der Kopie der Niederschrift gegenüber der Volksanwaltschaft mit der mangelnden Parteistellung der Vertrauensperson begründet wurde? Wenn ja, wie glaubwürdig ist diese Darstellung, wenn das Verlangen der juristisch ausgebildeten Vertrauensperson in Anwesenheit der Geschädigten (!) und in ihrem Namen geäußert wurde?
29. Ist die Äußerung des Vorgesetzten (!) der Beamtin gegenüber der Geschädigten und ihrer Vertrauensperson, die Geschädigte sei „wohl zu empfindlich gewesen“, angesichts der von der Volksanwaltschaft festgestellten „eindeutig unangemessenen Vorgangsweise“ der Beamtin mit der gesetzlichen Verpflichtung zur Achtung der Würde der Person (§ 47a StPO) und der behutsamen Behandlung von Opfern sexueller Gewalt vereinbar? Wenn nein, welche dienstrechtlichen Konsequenzen wurden gezogen?
30. Wie ist es zu erklären, dass Einwendungen der Geschädigten unter Missachtung des § 14 Abs 4 AVG in den Text eingearbeitet wurden und die mehrseitige Niederschrift einer fast zweistündigen Einvernahme von der Beamtin ohne jegliche Speicherung verfasst und offenbar direkt in die EDV Dokumentenvorlage geschrieben wurde? Hat die konkrete Beamtin generell die von ihr aufgenommenen Anzeigen trotz der Gefahr des Datenverlustes nicht gespeichert? Falls ja, war diese Vorgangsweise üblich und wie war im Mai 2006 die Weisungslage dazu? Falls nein, weshalb hat sie ausgerechnet im gegenständlichen Fall auf die Speicherung verzichtet und weshalb kann unter Berücksichtigung der sonstigen Ungereimtheiten ausgeschlossen werden, dass durch die Nichtspeicherung bloß die Nachvollziehbarkeit späterer Änderungen verunmöglicht werden sollte?
31. Weshalb hat im gegenständlichen Fall die Geschädigte nur die letzte Seite der Niederschrift zur Unterschrift vorgelegt erhalten, während in anderen Kommissariaten auch Zeugen jede Seite unterschreiben? Was ist die übliche Vorgangsweise? Gab bzw gibt es dazu dienstrechtliche Regelungen? Wenn nein, weshalb nicht? Kann ausgeschlossen werden, dass dadurch lediglich die Vornahme nachträglicher Änderungen auf den nicht die Unterschrift tragenden Seiten ermöglicht werden sollte?
32. Wird das Bundesministerium für Inneres für die Zukunft sicher stellen, dass nachträgliche Änderungen an Einvernahmeprotokollen von Zeugen nicht mehr möglich sind bzw Änderungen zumindest edv-technisch nachvollziehbar sind? Wenn ja, wie? Weshalb werden Einvernahmen nicht generell mit Tonband aufgezeichnet, wodurch nachträgliche Manipulationen verhindert werden könnten und außerdem die gesamte Einvernahmesituation dokumentiert wäre?
33. In der Beantwortung der parlamentarischen Anfrage vom 14.8.2006 wird zu Frage 11 ausgeführt, dass nach Beendigung der Sachverhaltsaufnahme eine Broschüre betreffend Prozessbegleitung ausgehändigt wird. Erachten Sie damit die gesetzliche Verpflichtung gemäß § 47a StPO idF 2006 erfüllt, der eine Information (und nicht bloß die Aushändigung eines Folders) spätestens vor der ersten Befragung vorschreibt oder soll durch diese Vorgangsweise lediglich eine Rechtsbelehrung vor der Einvernahme vermieden werden?
34. Wie ist es zu erklären, dass in der Anfragebeantwortung vom 14.8.2006 von der Frau Bundesministerin zwecks Betonung der angeblichen Korrektheit der Einvernahme ausdrücklich auf angebliche handschriftliche Vermerke der Geschädigten im Zusammenhang mit der Aufnahme der Niederschrift im Kommissariat Wien Nord hingewiesen wurde, obwohl das Bundesministerium für Inneres im April 2007 gegenüber der Volksanwaltschaft eingestehen musste, dass es sich dabei tatsächlich um Vermerke eines Polizisten gehandelt hat?
35. Mit welchen Dienststellen wurde im Zuge der offenbar umfangreichen Erhebungen, die Mitte August 2006 noch immer nicht abgeschlossen waren, Kontakt aufgenommen, um die Herkunft dieser Vermerke zu klären? Auf wessen Auskunft ist die Falschbeantwortung zurück zu führen und insbesondere welche Darstellung zum Zustandekommen dieser handschriftlichen Vermerke hat jene Beamtin des Kommissariats Wien Nord abgegeben, die die Niederschrift angefertigt hat? Falls sie nicht befragt wurde: warum nicht?
36. Hat sich das Bundesministerium für Inneres zwecks Beantwortung der parlamentarischen Anfrage den gesamten Akt vorlegen lassen? Wenn ja, wie war es möglich, diese Vermerke der Geschädigten und zeitlich dem Tag der Anzeigeerstattung zuzuordnen, wenn sich unter anderem aus dem Inhalt der Vermerke und der Faxkennungszeile klar ergibt, dass sie zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt entstanden sein müssen? Wenn nein, woher hatte es Kenntnis von diesen Vermerken?
37. Weshalb haben sich die Erhebungen zur parlamentarischen Anfrage im vorliegenden Fall so zeitaufwendig gestaltet, dass es dem Ministerium innerhalb der zweimonatigen Beantwortungsdauer nicht möglich war, eine einzige Frage zu einer nur zweistündigen Einvernahmesituation zu beantworten und eine entsprechend ausreichende Beantwortung gegenüber der Volksanwaltschaft ganze zehn Monate in Anspruch genommen hat? Ist ein Zusammenhang mit dem Termin der Nationalratswahl 2006 gegeben?
38. Wie ist zu erklären, dass trotz der Anzeige eines Sexualdelikts (!) gemäß Aktenvermerk vom 21.5.2006 nicht einmal eine gynäkologische Untersuchung vorgeschlagen wurde und wie ist angesichts der angeblich wiederkehrenden Ausbildungen zum Thema Betäubungsmittel und Spurensicherung, auf die das BMI im Schreiben vom 10.7.2006 ausdrücklich hingewiesen hat, der durch den gleichen Aktenvermerk belegbare Umstand zu erklären, dass keine Harnabnahme vorgeschlagen wurde, obwohl derartige Substanzen im Harn bekanntermaßen länger nachweisbar sind? Wird es in derartigen Fällen generell unterlassen, auf die Sinnhaftigkeit einer Harnuntersuchung hinzuweisen?
39. Wie ist es zu erklären, dass zwar laut Schreiben des BMI vom 10.7.2006 „Anfang Juni 2006 für die Bediensteten des Deliktsbekämpfungsbereiches Sittlichkeitsdelikte ein mehrtätiges Seminar stattgefunden hat, bei dem die neuesten Erkenntnisse zum Thema Betäubungsmittel und Spurensicherung vermittelt wurden“, aber schon ein paar Tage später am 22.6.2006 vom Kommissariat Zentrum Ost nur ein Antrag auf Untersuchung des Blutes, nicht jedoch des Harns, bei Gericht eingebracht wurde und es sogar unterlassen wurde, kurz darauf am 27.7.2006 die am Tatort vorgefundenen Tropfen als potenzielle Beweismittel sicher zu stellen?
40. Welche Untersuchungseinrichtungen werden in Österreich damit beauftragt, Blut bzw Harn auf KO-Tropfen, insbesondere GHB, zu untersuchen? Wieviele Blut- und wieviele Harnuntersuchungen auf KO-Tropfen, insbesondere GHB, wurden in den letzten Jahren von der Polizei beantragt und mit welchen Ergebnissen? Wieviele Anzeigen mit Verdacht auf KO-Tropfen hat es im gleichen Zeitraum gegeben?
41. Ist es richtig, dass bei der im gegenständlichen Fall angewandten Erfassungsgrenze von 200 Nanogramm GHB pro ml Blut und einer Halbwertszeit von 1 Stunde de facto nie ein postives Untersuchungsergebnis erzielt werden kann, da bereits bei 150 Nanogramm Bewusstlosigkeit eintritt und somit die Blutprobe bereits unmittelbar nach Verabreichung der Droge abgenommen werden müsste? Wenn ja, welche Erfassungsgrenzen werden üblicherweise verwendet und wie beurteilen Sie bei dieser Erfassungsgrenze die Sinnhaftigkeit und Beweisrelevanz derartiger Analysen?
42. Anfang Juli 2006 wurde in der Zeitschrift NEWS über einen weiteren Fall sexuellen Missbrauchs im Zusammenhang mit GHB berichtet. Wurden angesichts der zeitlichen Nähe Ermittlungen in diese Richtung aufgenommen und allfällige Verbindungen zum gegenständlichen Fall geprüft? Wenn nein, weshalb nicht?
43. Weshalb hat das für die Ermittlungen zuständige Kommissariat Zentrum Ost erst nach über zwei Monaten den zur Identifizierung des Tatverdächtigen führenden Telefonanruf bei dessen Geschäftspartner vorgenommen, obwohl alle Informationen dazu bereits kurz nach Anzeigeerstattung vorgelegen sind? Wurde durch diese unnötige Verzögerung in Kauf genommen, dass in der Zwischenzeit auch andere Frauen Opfer des Tatverdächtigen werden könnten? Wenn ja, welchen Stellenwert haben Anzeigen von Sexualdelikten wenn nicht einmal so einfache Ermittlungsschritte in angemessener Zeit erfolgen?
44. Wie ist zu erklären, dass keinerlei Nachforschung in den tatortnahen Lokalen getätigt und das angefertigte Phantombild nicht einmal für Nachforschungen in diesem Zusammenhang verwendet wurde? Ist dieser Ermittlungsaufwand angesichts der Schwere des Delikts angemessen und weshalb wurde von der Behörde nicht aufgrund der bei Sexualdelikten gegebenen Beweisproblematik mehr Engagement beim Hervorbringen allfälliger Beweise (zB Zeugen) gezeigt?
45. Wie stehen Sie zur Äußerung der Kriminalbeamtin gegenüber der Geschädigten anlässlich der Gegenüberstellung und in Anwesenheit der Vertrauensperson, „ob sie dem Tatverdächtigen etwas auswischen wolle“? Ist eine solche Behandlung eines Opfers sexueller Gewalt bei der Konfrontation mit ihrem Vergewaltiger mit der Verpflichtung zur Achtung der Würde der Frau und der erforderlichen schonenden Behandlung zu vereinbaren?
46. Gibt es einen sachlichen Grund dafür und ist es üblich, dass anlässlich von Einvernahmen zusätzlich zu den Niederschriften interne Berichte für den Gerichtsakt angefertigt werden, in die angebliche Äußerungen der einvernommenen Person bzw sonstiger Personen aufgenommen werden, ohne dass diese auch in der zur Unterschrift vorgelegten Niederschrift enthalten sind? Ist eine solche Vorgangsweise, wie sie anlässlich der Gegenüberstellung am 27.7.2006 stattgefunden hat, mit den Grundsätzen ordnungsgemäßer Dokumentation, wie sie schon hinsichtlich der Einvernahme am 21.5.2006 von der Volksanwaltschaft kritisiert wurde, und mit § 14 AVG, wonach eben die Niederschrift den Inhalt der Verhandlung widerzugeben hat, vereinbar?
47. Weshalb wurden im konkreten Fall am 27.7.2006 bestimmte Aussagen der Geschädigten in die Niederschrift und ausgerechnet jene angeblichen Aussagen, die geeignet wären, Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit zu wecken, in einen ihr nicht vorgelegten Bericht und somit ohne Möglichkeit, dagegen Einwendungen zu erheben, aufgenommen? Gibt es einen Grund, weshalb darüber keine weitere Niederschrift angefertigt wurde und weshalb kann ausgeschlossen werden, dass der Geschädigten dadurch nicht getätigte Aussagen unterschoben werden sollten, um bei der Staatsanwaltschaft Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit zu wecken, in der Absicht, eine möglichst rasche Verfahrenseinstellung zu erreichen?
48. Wie ist zu erklären, dass von der Kriminalpolizei trotz des ausdrücklichen Wunsches der Geschädigten nicht beantragt wurde, einen Sachverständigen auf dem Gebiet der Wirkung von KO-Tropfen beizuziehen, um eine sachverständige Beurteilung ihrer Symptome zu ermöglichen, insbesondere da es ja laut Stellungnahme des BMI gegenüber der Volksanwaltschaft an einer expliziten Schulung der Beamten fehlt?
49. Wäre es angesichts der Deliktspezifik und der aufgrund der hohen Erfassungsgrenze de facto Unmöglichkeit, einen positiven Nachweis im Blut zu erbringen, nicht erforderlich gewesen, sich im Rahmen der Ermittlungstätigkeit auch mit anderen Beweismitteln (zB psychologische Symptom- und Glaubwürdigkeitsbeurteilung, Motivbeurteilung, weitere Zeugeneinvernahmen) zu beschäftigen? Weshalb wurde keinerlei Aktivität in diese Richtung entfaltet?
50. Wie ist in diesem Zusammenhang zu erklären, dass entgegen dem ausdrücklichen schriftlich vorgebrachten Wunsch der Geschädigten sogar auf die Einvernahme jener beiden Zeugen verzichtet wurde, die als letzte bzw erste Person vor bzw nach der Tat psychovegetative Auffälligkeiten der Geschädigten bestätigen hätten können? Wie ist zu erklären, dass sogar auf die Einvernahme des Ehemannes verzichtet wurde, um sich ein Bild von einem allfälligen Motiv für eine Falschanzeige zu machen?
51. Berichtet die im Dienste der Strafjustiz tätige Kriminalpolizei der Staatsanwaltschaft bzw dem Gericht über durchgeführte Ermittlungshandlungen, insbesondere über eine allenfalls vorgenommene erkennungsdienstlichen Behandlung eines mutmaßlichen Sexualtäters? Wenn ja, wie ist zu erklären, dass sich im gegenständlichen Fall keinerlei Hinweis auf eine erkennungsdienstliche Behandlung im Akt befindet? Wenn nein, woher kann der Staatsanwalt bzw das Gericht wissen, ob das aufgrund eines Mundhöhlenabstriches gespeicherte DNA Profil eines Tatverdächtigen anlässlich des aktuell zu beurteilenden Falles oder bereits aufgrund einer einschlägigen früheren Vormerkung (EDE bzw KPA) in der DNA Datenbank vorhanden ist?
52. Wann wurde im konkreten Fall der Mundhöhlenabstrich vom Tatverdächtigen, der seinem in der DNA Datenbank gespeicherten DNA Profil zugrunde gelegen ist, abgenommen und weshalb befindet sich über diesen wichtigen Ermittlungsschritt keinerlei Dokumentation im Gerichtsakt? Wann und an welche Untersuchungsanstalt wurde dieses genetische Material geschickt, um die DNA zu extrahieren?
53. Ist es richtig, dass Personen, die wegen Verdacht der Vergewaltigung zur Anzeige gebracht werden, generell erkennungsdienstlich behandelt werden (Fotos, Fingerabdrücke, Mundhöhlenabstrich), insbesondere um einen Vergleich mit in der DNA Datenbank gespeicherten Daten zu ermöglichen? Wenn ja, weshalb war dies im gegenständlichen Fall nicht erforderlich und weshalb hat die Übermittlung der Daten des Tatverdächtigen an das LPK ausgereicht, um sein DNA Profil an die Gerichtsmedizin zu übermitteln?
54. Wird die Staatsanwaltschaft bzw das Gericht über eine allfällige Vormerkung eines wegen eines Sexualdeliktes Tatverdächtigen im „Kriminalpolizeilichen Aktenindex“ bzw der „Erkennungsdienstlichen Evidenz“ informiert, insbesondere dann, wenn sich diese Vormerkung auf ein einschlägiges Sexualdelikt bezieht? Wenn nein, weshalb nicht? Wenn ja, wie erfolgt diese Information und weshalb ist diese Information im gegenständlichen Fall unterblieben?
55. Weshalb wurde keine Hausdurchsuchung am Tatort beantragt, obwohl der begründete Verdacht durch mehrere Zeugenaussagen untermauert wurde und offenbar sogar das DNA Profil des Tatverdächtigen aufgrund eines einschlägigen früheren Verdachtsfalles bereits in der DNA Datenbank gespeichert gewesen sein dürfte?
56. Ist es richtig, dass zwischen Inkenntnissetzung des Tatverdächtigen von dem gegen ihn bestehenden Verdacht und Durchführung einer freiwilligen Nachschau mehrere Stunden vergangen sind? Welchen Zweck im Zusammenhang mit der Hervorbringung allfälliger Beweismittel hatte diese am Tatort durchgeführte freiwillige Nachschau, die mehrere Stunden nach der Information des Tatverdächtigen von dem gegen ihn bestehenden Verdacht erfolgte und sich im wesentlichen nur auf einen Überblick über die am Tatort vorhandenen Einrichtungsgegenstände beschränkt hat? Entspricht eine solche Vorgangsweise ermittlungstechnischen Standards oder wurde damit bewusst die Vernichtung von Beweismitteln durch den Tatverdächtigen zwischen Inkenntnissetzung und Nachschau in Kauf genommen?
57. Wie ist es angesichts der im Schreiben des BMI vom 10.7.2006 behaupteten Schulung der Beamten zum Thema Betäubungsmittel und Spurensicherung zu erklären, dass nicht einmal die im Zuge der freiwilligen Nachschau am Tatort vorgefundenen Tropfen sicher gestellt wurden? Hatte diese besonders gravierende Nachlässigkeit, durch die potenzielle Beweismittel ignoriert wurden und die Überführung eines Vergewaltigers möglicherweise verhindert wurde, Konsequenzen für die zuständigen Beamten?
58. Laut Auskunft der zuständigen Beamtin gegenüber der Geschädigten und deren Gatten sei die Sicherstellung der bei der freiwilligen Nachschau am Tatort vorgefundenen Tropfen deshalb unterlassen worden, weil „es sich dabei um andere Tropfen gehandelt“ habe und die freiwillige Nachschau „erst drei Monate nach der Tat erfolgt“ sei. Ist diese Beamtin tatsächlich so gut geschult, dass sie mit freiem Auge den Unterschied von GHB zu anderen Tropfen feststellen kann? Wenn nein, wie erklären Sie sich diese Aussage?
59. Weshalb kann ausgeschlossen werden, dass das Hervorbringen von belastenden Beweisen und Indizien deshalb vermieden wurde, um eine rasche Einstellung des Strafverfahrens zu erreichen, etwa da im Falle einer Anklageerhebung vor der Nationalratswahl 2006 allfällige nachträgliche Manipulationen an der ersten Niederschrift thematisiert und öffentlich geworden wären? Wenn ja, wie sonst ist diese mangelhafte Ermittlungstätigkeit zu erklären?
60. Hat es im Zeitraum Juni, Juli 2006 einen direkten oder indirekten Kontakt zwischen dem BMI und dem Kommissariat Zentrum Ost in dieser Angelegenheit gegeben? Wenn ja, wann und zwischen wem bestand dieser Kontakt und was war der Inhalt?
61. Wie ist zu erklären, dass die EKIS Abfragemaske des Tatverdächtigen, aus der auch die nachfolgenden Strafverfolgungsbehörden allfällige positive Treffer ersehen hätten können, nicht in den Akt aufgenommen wurde, während die EKIS Abfragemaske der Geschädigten sehr wohl dem Gerichtsakt beigelegt ist? Welche Gründe rechtfertigen die unterschiedliche Behandlung von Tatverdächtigem und Opfer und wird dieses Dokument eines Tatverdächtigen bei Sexualdelikten üblicherweise dem Gerichtsakt beigelegt? Wenn ja, weshalb war dies im gegenständlichen Fall nicht der Fall?
62. Hinsichtlich des Tatverdächtigen wurden nur zwei ausgewählte Negativtreffer aus der EKIS Abfrage dem Gericht übermittelt, nicht jedoch die Abfragen aus der EDE und dem KPA. Welche Begründung gibt es dafür und wie ist die übliche Vorgangsweise? Falls der Tatverdächtige tatsächlich bereits in einer dieser Evidenzen vorgemerkt gewesen ist, sollten durch die Unterschlagung dieser Information der Staatsanwaltschaft bzw dem Gericht Hinweise auf die Hintergründe der Vormerkung vorenthalten werden, um eine Anklageerhebung zu verhindern?
63. Weshalb hat im gegenständlichen Fall mit der Einvernahme des Tatverdächtigen die Ermittlungstätigkeit der Kriminalpolizei geendet und sind trotz zB Widersprüchen zu Zeugenaussagen bzw zur Meldeabfrage keinerlei weitere Aufklärungsarbeiten durchgeführt worden? Weshalb wurde keine einzige vom Tatverdächtigen bei der Einvernahme gemachte Aussage überprüft, um Hinweise auf seine Glaubwürdigkeit zu erhalten und wieweit entspricht diese, den Tatverdächtigen schonende Vorgangsweise der üblichen Praxis?
64. Das „Büro für besondere Ermittlungen“ hat am 25.11.2007 Anzeige wegen Verdacht des Amtsmissbrauchs gegen jene Kriminalbeamtin erstattet, die die Anzeige im Kommissariat Wien Nord entgegen genommen hat, da sie im Verdacht stand, nachträgliche Änderungen an der Niederschrift zu Lasten der Geschädigten vorgenommen zu haben. Die Einvernahme der Beamtin hat sich im wesentlichen auf die Frage beschränkt, ob sie dieses Delikt begangen hat oder nicht. Ist dieser Umfang an Ermittlungstätigkeit angesichts der Schwere des Delikts „Amtsmissbrauch“ üblich und ausreichend, um dem Staatsanwalt bzw dem Gericht die Wahrheitsfindung anhand objektiver Ermittlungsergebnisse zu ermöglichen?
65. Weshalb wurde es im gegenständlichen Fall nicht einmal für notwendig erachtet, die inkriminierte Niederschrift forensisch (zB auf Fingerabdrücke) zu untersuchen, die Vertrauensperson der Geschädigten einzuvernehmen, ein sprachwissenschaftliches Gutachten zu den auffälligen Textbrüchen in der Niederschrift in Auftrag zu geben oder die Beamtin auf die schwerwiegenden Dokumentationsmängel anzusprechen, um eine Beurteilung ihrer Glaubwürdigkeit zu ermöglichen? Weshalb kann ausgeschlossen werden, dass durch das Unterlassen dieser Ermittlungsschritte das Hervorkommen eines objektiven, die Beamtin allenfalls belastenden Beweises vermieden werden sollte?