4839/J XXIII. GP

Eingelangt am 11.07.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Ing. Hofer, Kickl
und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz

betreffend gesellschaftliche Kosten unzureichender Integration von Zuwanderern

Ausgangslage

Die Zusammenhänge zwischen Integrationsprozessen bei Zuwanderinnen und Zuwanderern und gesellschaftlichen Kosten sind in der aktuellen politischen Diskussion eine wichtige Frage. Zur näheren Untersuchung derselben sowie zur Abschätzung des Potenzials an gesellschaftlichem Nutzen, welcher durch gezielte Integrationsmaßnahmen ausgelöst werden kann, hat die Bertelsmann Stiftung durch das Büro BASS per April 2007 ein Gutachten erstellen lassen, in welchem ein Konzept für die Messung der gesellschaftlichen Kosten unzureichender Integration von Zuwanderinnen und Zuwanderern entwickelt wurde (Fritschi / Stutz / Schmugge 2007).

Der vorliegende Schlussbericht stellt die Resultate der empirischen Umsetzung dieses Konzepts dar. Ziel des Forschungsprojekts war es, folgende Fragestellungen zu beantworten:

       Wie hoch sind die gesellschaftlichen Kosten unzureichender Integration für das Jahr 2005 in Deutschland insgesamt zu veranschlagen? Auf welchen gesellschaftlichen bzw. staatlichen Ebenen fallen diese Kosten an?

       Welches   sind   die   mit  der  unterschiedlichen   Arbeitsmarktbeteiligung   der  weniger integrierten Zuwanderungsbevölkerung zusammenhängenden gesellschaftlichen Kosten pro Kopf? Dabei werden insbesondere Steuereinnahmen, Sozialversicherungsbeiträge und Bezüge von Sozialtransfers betrachtet.

       Zur Beantwortung dieser Fragestellungen sind im Voraus folgende beide Fragen zu beantworten.

       Welcher Anteil der Personen mit Migrationshintergrund in Deutschland sind aufgrund eines Integrationsindexes, welcher aus den Bereichen Bildung, Sprache und soziale Integration gebildet wird, als weniger integriert zu bezeichnen?

       Welches     sind     die     statistischen      Differenzen      in     der     durchschnittlichen Arbeitsmarktbeteiligung zwischen gemäß Integrationsindex integrierten bzw. weniger integrierten Zuwanderinnen und Zuwanderern? Dabei werden der Erwerbsstatus und die erzielten Erwerbseinkommen untersucht.

Modell zur Berechnung der Kosten unzureichender Integration

Die Messung der gesellschaftlichen Kosten unzureichender Integration bezieht sich in der vorliegenden Untersuchung auf die Personen im Erwerbsalter (zwischen 16 und 64 Jahren). Die Kosten unzureichender Integration lassen sich anhand der Unterschiede in der Beteiligung der integrierten bzw. weniger integrierten Zuwanderinnen und Zuwanderer am deutschen Arbeitsmarkt messen. Dies geschieht in Form einer Fiskalbilanz der betreffenden Individuen (Steuern, Sozialversicherungen, öffentliche Sozialtransfers) gegenüber den verschiedenen staatlichen Ebenen Deutschlands (Kommune, Land, Bund, Sozialversicherungen). Dabei wird explizit die Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen und Männern in Betracht gezogen in einer Analyse auf der Basis von repräsentativen Individualdaten des Sozioökonomischen Panels SOEP (2005).

 

Ein wichtiger Faktor für eine erfolgreiche Integration von Personen im Erwerbsalter ist ihre Teilnahme am Arbeitsmarkt des Aufnahmelandes. Diese Teilnahme basiert allerdings meist auf gewissen Voraussetzungen der Integration in anderen Lebensbereichen. Für die Chancen auf dem deutschen Arbeitsmarkt ist es ausschlaggebend, ob die Personen mit Migrationshintergrund der deutschen Sprache mächtig sind und ein adäquates Bildungsniveau aufweisen. Andererseits ist es bei der Suche nach Arbeit hilfreich, wenn die Personen mit Migrationshintergrund ein soziales Netzwerk aufweisen.

Diese Zusammenhänge werden in ein Wirkungsmodell integriert, welches den Berechnungen der Kosten unzureichender Integration von Zuwanderern in Deutschland zugrunde liegt. Das Wirkungsmodell konzentriert sich auf die Erklärung der monetären Aspekte der Arbeitsmarktbeteiligung.

Als Vergleichsgruppe für die weniger integrierten Zuwanderer sollen die integrierten Zuwanderer dienen, nicht die Aufnahmebevölkerung. Dies aus dem Grund, dass diese den tatsächlich mittels Integration erreichbaren Zustand besser repräsentieren.

Zuwanderergruppen in Deutschland

Die in die Untersuchung mit einzubeziehenden Gruppen von Zuwanderinnen und Zuwanderern werden wie folgt definiert (Anteile an der Bevölkerung im Erwerbsalter):

       Ausländer/innen der ersten Generation (6,9 %)

       Eingebürgerte der ersten Generation (4,0 %)

       Spätaussiedler/innen der ersten Generation (1,7 %)

       In  Deutschland geborene  Personen  mit mindestens einem  im Ausland geborenen Elternteil (zweite Generation, 2,7 %).

Die betrachtete Bevölkerung ist hier nur ein Ausschnitt der Gesamtbevölkerung, nämlich die Personen im erwerbsfähigen Alter (insgesamt 53 Mio.). Daher beträgt der Gesamtanteil der Personen mit Migrationshintergrund nur rund 15 Prozent statt 19 Prozent wie in der Gesamtbevölkerung im Jahr 2005.

Integration in den Bereichen Bildung, Sprache und Soziales

Zur Unterscheidung von integrierten und weniger integrierten Zuwanderinnen und Zuwanderern wurde ein Integrationsindex gebildet. Dieser setzt sich aus Indikatoren in drei Bereichen zusammen, welche selber aus mehreren Merkmalen gebildet werden, und verdichtet diese zu einem Gesamtindex:

       Bildung

       Sprache

       Soziale Integration

Diese Zusammensetzung entspricht den festgestellten Haupteinflussgrößen auf die Zielvariablen im Bereich Arbeitsmarkt und Gesundheit. Es wurde bei der Konzeption der Indikatoren sowie des Gesamtindexes darauf geachtet, dass für die Zuordnung zu den Gruppen Integrierte" und Weniger Integrierte" möglichst klar definierte Merkmale identifiziert wurden. Dabei wurden im Rahmen der Vorstudie verschiedene Varianten geprüft, von welchen die mit den verfügbaren Daten am besten umsetzbare gewählt wurde. Die Abgrenzung wurde zudem so gewählt, dass der Gruppe der Integrierten aufgrund der Integrationsmerkmale grundsätzlich gleichwertige Chancen wie der Aufnahmebevölkerung attestiert werden können.

Bildung

Im Bereich Bildung wurden drei Bedingungen aufgestellt, welche alle erfüllt sein müssen, damit ein Individuum als bildungsintegriert bezeichnet werden kann:

        mehr als neun Jahre Bildung,

        mindestens Hauptschulabschluss,

        mindestens zwei Jahre Bildung in Deutschland.

Insgesamt sind 28 Prozent der Zuwanderer nach den genannten Kriterien als bildungsintegriert zu bezeichnen, 61 Prozent sind bezüglich Bildung weniger integriert. Dabei muss angemerkt werden, dass es sich hier nicht um eine reine Beurteilung der Bildungsqualifikation handelt, sondern dass auch das Kriterium zwei Jahre Bildung in Deutschland" als relevant in Bezug auf das Integrationsmaß angesehen wird. Für 11 Prozent der Zuwanderer konnte der Integrationsgrad im Bildungsbereich nicht bestimmt werden.

Sprache

Im Bereich Sprache wurde die Selbsteinschätzung der Zuwanderer bezüglich des Beherrschens der deutschen Sprache als Indikator genommen. Es wurde sowohl die Selbsteinschätzung für

        Sprechen der deutschen Sprache als auch

        Schreiben der deutschen Sprache

mit einbezogen. Als Kriterium wurde die Angabe von mindestens gut" entweder für das Sprechen oder das Schreiben der deutschen Sprache genommen. Dies vor dem Hintergrund, dass die nachgefragten Kompetenzen auf dem Arbeitsmarkt sowohl Sprechen als auch Schreiben sein können.

Insgesamt sind 74 Prozent der Zuwanderer nach den genannten Kriterien als sprachintegriert zu bezeichnen, 26 Prozent sind bezüglich Sprache weniger integriert.

Soziale Integration

Die soziale Integration der Zugewanderten in der Aufnahmebevölkerung ist über das Konzept des Sozialkapitals fassbar. Sozialkapital in seiner allgemeinen Form als Anzahl Kontakte pro Zeiteinheit mit Personen der Aufnahmebevölkerung war aufgrund der Datenlage als Integrationsindikator nicht operationalisierbar. Daher wurde auf eine institutionelle Form von Sozialkapital zurückgegriffen, die Tätigkeit in Freiwilligenorganisationen. Dabei wurden zwei institutionelle Formen von freiwilligem sozialem Engagement einbezogen, die ehren-amtliche Tätigkeit in Vereinen, Verbänden oder sozialen Diensten und die Beteiligung an Bürgerinitiativen, Parteien oder in der Kommunalpolitik.

Bei Teilnahme an Bürgerinitiativen oder bei Angabe ehrenamtlicher Tätigkeit wurden die betreffenden Individuen als sozial integriert bezeichnet. Dies trifft auf insgesamt 24 Prozent der Personen mit Migrationshintergrund zu.

Zusammenfassender Integrationsindex

Wie erwähnt, wurde aus den drei Indikatoren für die Bereiche Bildung, Sprache und soziale Integration ein Integrationsindex gebildet, welcher eine Kombination aus den drei Einzel- Indikatoren darstellt. Dieser Integrationsindex soll dazu dienen, die Zuwanderinnen und Zuwanderer in zwei Gruppen einzuteilen, in integrierte und weniger integrierte Individuen.

Die Zuordnung erfolgt nach einem einfachen Prinzip: Ist das Individuum in zwei der drei Bereichen als integriert zu bezeichnen, so gilt es insgesamt als integriert, andernfalls als weniger integriert.

Ein wichtiges Anliegen bei der Konzeption war es sicherzustellen, dass keine Person mit Migrationshintergrund aus rein institutionellen Gründen als integriert bzw. weniger integriert bezeichnet wird, z. B. durch Einbürgerung oder durch den obligatorischen Besuch des Bildungssystems. In der spezifizierten Integrationsanforderung ist eine gewisse Leistungskomponente (Eigenleistung der Zugewanderten) enthalten, welche auf Freiwilligkeit beruht und damit auch die Motivation der Individuen widerspiegelt.

38 Prozent der Personen mit Migrationshintergrund sind als insgesamt integriert zu bezeichnen. Etwas mehr als die Hälfte, nämlich 55 Prozent der Zuwanderinnen und Zuwanderer, sind nach dem verwendeten Integrationsindex als weniger integriert zu bezeichnen. Bei 7 Prozent der Zuwanderinnen und Zuwanderer ist der Integrationsstatus nicht bestimmbar. Für diese Personen wird erwartet, dass sie auf dem deutschen Arbeitsmarkt in etwa adäquate Erwerbschancen aufweisen wie die autochthone Bevölkerung.

Die Unterschiede in der Häufigkeit des Integrationsstatus insgesamt integriert" sind zwischen den Zuwanderergruppen groß. Am häufigsten sind die Zuwanderinnen und Zuwanderer der zweiten Generation als insgesamt integriert zu bezeichnen (75 %), am seltensten die Ausländer/innen der ersten Generation (18 %). Die Gruppen der Eingebürgerten der ersten Generation sowie der Aussiedler/innen weisen eine identische Häufigkeit der insgesamten Integration von 44 Prozent auf. Es zeigt sich also ein klarer Unterschied im Integrationsgrad der ersten und der zweiten Generation der Zugewanderten.

Interessant ist, dass die Zuwanderer der ersten und der zweiten Generation einen sehr unterschiedlichen Zusammenhang zwischen Alter und Integrationsgrad aufweisen. Während bei der ersten Generation unter den älteren Zuwanderern der Anteil Integrierter geringer ist als bei den Jüngeren, steigt der Anteil der integrierten Personen bei den Zuwanderinnen und Zuwanderer der zweiten Generation mit steigendem Alter an.

Berechnung von Modellvarianten

Für die Berechnungen wurde ein Matching-Verfahren angewendet. Bei diesem werden zwei Gruppen von Individuen gebildet, welche sich in einer zentralen Größe unterscheiden. In unserem Zusammenhang ist dies die Frage nach dem Integrationsstatus. In der Berechnung werden Differenzen zwischen zwei Gruppen in definierten Zielvariablen gemessen, dies sind im vorliegenden Zusammenhang die Merkmale der Arbeitsmarktbeteiligung sowie der fiskalischen Beiträge und Belastungen. Beim Matching werden verschiedene Einflüsse auf die Zielvariablen kontrolliert", indem nur Individuen aus den beiden Gruppen mit identischen bzw. sehr ähnlichen Werten in den Kontrollvariablen verglichen werden.

Es wurden mehrere Modellvarianten mit unter-schiedlichen Kontrollvariablen durchgeführt. Schließlich wurden die drei am besten auf das Wirkungsmodell zutreffenden Modelle ausgewählt.

       Modell 1: Es wurden die Kontrollvariablen Geschlecht, Alter, Zuwanderergruppe und Bundesland verwendet. In diesem Modell werden also Individuen verglichen, welche dasselbe Geschlecht und Alter haben, derselben Zuwanderergruppe angehören und in demselben Bundesland wohnhaft sind.

       Modell   2:   Zusätzlich   zu   den   Kontrollvariablen   des   Modells   1   wurde   noch   die Kontrollvariable Herkunftsland nach Gruppen verwendet. Dabei wurden folgende sechs Gruppen    von    Herkunftsländern    gebildet:    Deutschland    (zweite    Generation    der Zuwanderer), EU 15, EU Osterweiterung (EU27), Türkei, weiteres Europa und OECD, nichteuropäische Nicht-OECD Länder. In diesem Modell werden Individuen verglichen, welche nebst dem, dass sie das gleiche Geschlecht, Alter, die gleiche Zuwanderergruppe und   denselben   Wohnsitz   (Land)   aufweisen,   auch   aus   derselben   Gruppe   von Herkunftsländern stammen.

■ Modell 3: Zusätzlich zu den Kontrollvariablen des Modells 2 wurde die Kontrollvariable Aufenthaltsdauer der Zuwanderer in Deutschland verwendet. In diesem Modell werden Individuen verglichen, die nebst dem, dass sie das gleiche Geschlecht, Alter, die gleiche Zuwanderergruppe, denselben Wohnsitz (Land) und dieselbe Herkunftsländergruppe aufweisen, auch etwa gleich lang in Deutschland wohnhaft sind. Dies ist vor dem Hintergrund, dass über die Zeit eine gewisse Integration automatisch stattfinden kann, von Bedeutung.

Die Resultate aus den drei Modellen haben eine unterschiedliche Aussage: In Modell 1 wird ungeachtet der Herkunft und der Aufenthaltsdauer ermittelt, welche Unterschiede sich in der Arbeitsmarktbeteilung zwischen den integrierten und weniger integrierten Zuwanderern in Deutschland ergeben. Diese Unterschiede können als gesellschaftliches Brutto-potenzial der Integration betrachtet werden.

In Modell 2 wird zusätzlich berücksichtigt, dass die Zuwanderer aus unterschiedlichen Herkunftsländern unterschiedliche Voraussetzungen für eine erfolgreiche Integration in den deutschen Arbeitsmarkt mitbringen können. Die unter diesen Bedingungen bestehenden Unterschiede zwischen integrierten und weniger integrierten Zuwanderern können als gesellschaftliches Bruttopotenzial der Integration betrachtet werden, wenn die Herkunft der migrierten Personen als gegeben angesehen wird. Die Differenz in den Unterschieden zwischen Modell 2 und Modell 1 kann als durch eine nach Herkunftsländern diskriminierende Einwanderungspolitik beeinflussbares Potenzial der Integration betrachtet werden.

In Modell 3 wird nicht nur die Herkunft der Zugewanderten als gegeben angesehen, sondern auch die Länge ihres Aufenthalts in Deutschland. Die Unterschiede, welche nach Berücksichtigung der unterschiedlichen Aufenthaltsdauer der Zugewanderten zwischen Integrierten" und weniger Integrierten" bestehen, stellen das Nettopotenzial der Integration dar, welches über Integrationsmaßnahmen erreicht werden kann. Integrationsmaßnahmen können den Integrationsprozess über die Zeit beschleunigen.

Erwerbseinkommen

Die Brutto-Erwerbseinkommen liegen sowohl im Gesamtdurchschnitt (Erwerbstätige, Erwerbslose und Nichterwerbstätige) als auch nur unter den Erwerbstätigen für die Gruppe der integrierten Zuwanderer bedeutend höher. Die Differenz zwischen integrierten und weniger integrierten Zugewanderten beträgt 5653 (Modell 3) bis 8178 Euro (Modell 1) pro Jahr im Durchschnitt über alle Zuwanderer im Erwerbsalter, bzw. 4780 (Modell 3) bis 7497 Euro (Modell 1) nur für erwerbstätige Zuwanderinnen und Zuwanderer.

Der Unterschied im Erwerbseinkommen der Erwerbstätigen zeigt die unterschiedlichen beruflichen Chancen der integrierten und weniger integrierten Zugewanderten, gegeben dass sie eine Erwerbsarbeit haben. Der Unterschied im Erwerbseinkommen aller Personen im Erwerbsalter hingegen widerspiegelt zusätzlich, dass weniger integrierte Personen mit Migrationshintergrund zusätzlich eine geringere Wahrscheinlichkeit der Erwerbsbeteiligung aufweisen.

Fiskalbilanz

Die integrierten Zuwanderinnen und Zuwanderer liefern im Schnitt je nach Modell pro Jahr 1145 bis 1897 Euro mehr an Einkommenssteuern an die öffentliche Hand ab als die weniger integrierten Personen mit Migrationshintergrund. Zudem betragen die Beiträge der integrierten Zugewanderten an die Sozialversicherungen (Lohnabzüge) je nach Modell 844 bis 1297 Euro mehr als diejenigen der weniger integrierten Gruppe. Insgesamt werden je nach Modell durch die höheren Erwerbseinkommen der integrierten Zuwanderinnen und Zuwanderer pro Kopf 1989 bis 3079 Euro jährlich mehr an fiskalischen Beiträgen geleistet als durch die Erwerbseinkommen der weniger integrierten Zugewanderten.

Ein statistisch signifikanter Unterschied lässt sich zudem bei den Renten feststellen (Altersrente, Erwerbsminderungsrente, Witwen- und Waisenrenten). Dieser beträgt je nach Modell minus 414 bis minus 554 Euro pro Kopf jährlich, welche von den integrierten Zugewanderten weniger bezogen werden.

Unter den sozialen Transfers an das Individuum werden Leistungen des Arbeitslosengelds I, Mutterschaftsgeld, Ausbildungsbeiträge (BaföG) sowie Übergangszahlungen für den Altersruhestand zusammengefasst. Es lässt sich kein statistisch signifikanter Unterschied im Bezug dieser Leistungen zwischen den Gruppen der Integrierten und Nicht-Integrierten feststellen.


Zu den sozialen Transfers an den Haushalt gehören Kindergeld, Wohngeld, Leistungen der Pflegeversicherung und Arbeitslosengeld II (Sozialhilfe). Sie wurden für die vorliegenden Berechnungen durch die Anzahl erwachsener Personen im Haushalt geteilt, um den individuellen Anteil an diesen Transfers zu bestimmen. Auch hier lässt sich kein statistisch signifikanter Unterschied im Bezug der Leistungen zwischen den Gruppen feststellen. Der Unterschied ist auch hier tendenziell stärker negativ in Modell 3, welches die Aufenthaltsdauer berücksichtigt.

Es wurden zudem Unterschiede zwischen den Gruppen in verschiedenen Gesundheitsmerkmalen untersucht: Beim Bezug von Leistungen des Gesundheitswesens, welche kostenrelevante Faktoren darstellen, konnten jedoch keine signifikanten Unterschiede festgestellt werden. Hingegen beurteilen die weniger integrierten Zugewanderten ihren Gesundheitszustand signifikant als schlechter als die integrierten Zugewanderten.

Werden die höheren fiskalischen Beiträge der integrierten Zuwanderer in Form von Einkommenssteuern und Sozialversicherungsbeiträgen und die tieferen fiskalischen Belastungen in Form von Renten und weiteren Sozialtransfers zusammengefasst, ergibt sich eine Differenz in der fiskalischen Gesamtbilanz zwischen integrierten und weniger integrierten Zuwanderinnen und Zuwanderern von 3471 Euro in Modell 1, 3472 Euro in Modell 2 und 2624 Euro in Modell 3.

Die dargestellten Zahlen stellen Mittelwerte aufgrund einer Stichprobenerhebung (SOEP 2005) dar. Es handelt sich um Schätzwerte, die nur mit der Angabe eines Konfidenzintervalls zu verwenden sind. Dieses gibt an, in welcher Bandbreite sich der wahre Wert der ermittelten Schätzgröße mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit befindet. Für das Modell 1 liegt diese Bandbreite zwischen 2580 und 7054 Euro, für das Modell 2 zwischen 2636 und 6937 Euro und für das Modell 3 zwischen 576 und 5922 Euro.

Hochrechnung

Werden die oben ausgewiesenen Durchschnittswerte als Grundlage für eine Hochrechnung auf die gesellschaftlichen Gesamtkosten der unzureichenden Integration genommen, so müssen die Pro- Kopf-Werte mit der Anzahl an weniger integrierten Zuwanderern im Erwerbsalter in Deutschland multipliziert werden. Dies sind insgesamt 4,5 Millionen Personen, welche den 55 Prozent der Personen mit Migrationshintergrund im Erwerbsalter entsprechen, die nach dem verwendeten Integrationsindex als weniger integriert zu bezeichnen sind. Dies ergibt eine Gesamtsumme der Kosten unzureichender Integration von 11,8 Mrd. Euro (Modell 3) bis 15,6 Mrd. Euro pro Jahr (Modelle 1 und 2).

Die berechneten Kosten der unzureichenden Integration fallen allerdings bei unterschiedlichen Finanzträgern an. Als Finanzträger wurden die Kommunen, die Länder, der Bund, die Sozialversicherungen sowie die Wirtschaft/Gesellschaft ermittelt. Die im vorliegenden Bericht berechneten Kosten unzureichender Integration von Zuwanderinnen und Zuwanderern beziehen sich auf die ersten vier dieser fünf gesellschaftlichen Ebenen, da sich die Kostenbestandteile der Fiskalbilanz alle auf öffentliche Haushalte beziehen.

Im Folgenden sollen daher die Bandbreiten für die Belastung der einzelnen staatlichen Ebenen für das Modell 1 angegeben werden, welches das gesellschaftliche Bruttopotenzial an Einsparungen von Kosten der unzureichenden Integration von Zuwanderern darstellt. Dabei werden nur die statistisch signifikanten Bestandteile der Fiskalbilanz (Steuern, Sozialversicherungsbeiträge, Renten) mit einbezogen:

       Bund: (42,5 % der Einkommenssteuererträge): Mittelwert 3,6 Mrd. Euro, Bandbreite zwischen 1,6 und 5,6 Mrd. Euro

       Land: (42,5 % der Einkommenssteuererträge): Mittelwert 3,6 Mrd. Euro, Bandbreite zwischen 1,6 und 5,6 Mrd. Euro

       Kommunen: (15 % der Einkommenssteuererträge): Mittelwert 1,3 Mrd. Euro, Bandbreite zwischen 0,6 und 2,0 Mrd. Euro

       Sozialversicherungen:  (Beiträge und  Renten):  Mittelwert 7,8 Mrd.  Euro,  Bandbreite zwischen 4,6 und 11,0 Mrd. Euro

Auch die Wirtschaft profitiert in im vorliegenden Bericht nicht näher berechneten Maß von verstärkter Integration der Personen mit Migrationshintergrund über Produktivitätsgewinne (höhere Produktivität der beschäftigten Arbeitskräfte, zusätzliche Arbeitsplätze), die Gesellschaft als Ganzes gewinnt durch einen erhöhten sozialen Frieden.

Es kann daraus geschlossen werden, dass die dargestellten gesellschaftlichen Kosten unzureichender Integration ein großes Potenzial an Einsparungen für die öffentliche Hand darstellen, welches zumindest teilweise über gezielte Integrationsmaßnahmen erreicht werden kann. Über welche Integrationsmaßnahmen sich welcher Anteil des Potenzials ausschöpfen lässt, kann erst durch die Evaluation einzelner Integrationsmaßnahmen in den Kommunen ermittelt werden.

Unsere Resultate zeigen, dass die Integrationsmaßnahmen, welche hauptsächlich durch Kommunen finanziert und durchgeführt werden, nicht nur in deren Finanzhaushalt positive Wirkungen zeitigen, sondern auch in den Haushalten von Bund, Land und den Sozialversicherungen.

In diesem Zusammenhang richten unterfertigte Abgeordneten an den Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz folgende Anfrage:

Anfrage:

1.    Werden für Österreich ähnliche Daten erhoben?

a.   Wenn ja, wie sehen diese Daten für Österreich aus?

b.   Wenn nein, warum werden diese Daten nicht erhoben?

2.   Sehen   Sie   anhand   der   Daten   aus   der   Bundesrepublik   Deutschland Handlungsbedarf?

a.   Wenn   ja,   welche   Initiativen   sind   geplant   bzw.   werden   bereits durchgeführt?

b.   Wenn nein, warum nicht?

3.             Welche Problemsituationen ergeben sich in Österreich im Zusammenhang mit unzureichender Integration aus der Sicht Ihres Ressorts?

4.      Werden  Daten  erhoben  betreffend  die  soziale  Lage  von  Personen  mit Migrationshintergrund?

a. Wenn, ia, wie sehen diese im Detail aus?