4855/J XXIII. GP
Eingelangt am 15.07.2008
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ANFRAGE
der Abgeordneten Schatz, Freundinnen und Freunde
an den Bundesminister für Wissenschaft und Forschung
betreffend Maßnahmen für faire Praktika
Durch die Verankerung von Pflichtpraktika in den neuen Studienplänen der Universitäten und Fachhochschulen kam es in den letzten Jahren zu einer erheblich gestiegenen Nachfrage an Praktikumsplätzen. Diese Entwicklung führte dazu, dass Unternehmen und Organisationen die Bedingungen zu denen ein Praktikum stattfindet, einseitig vorgeben können. Leider wird dies oft dazu genutzt, inhaltliche sowie arbeits- und sozialrechtliche Standards nieder zu halten oder gar zu umgehen. Zunehmend werden auch reguläre Arbeitsplätze durch Scheinpraktika ohne jeglichen Ausbildungscharakter ersetzt, um in Unternehmen und im Öffentlichen Sektor Personalkosten zu sparen. Unter dem Deckmantel „Praxiserwerb“ findet so immer häufiger eine Ausbeutung hochqualifizierter und hoch motivierter junger Menschen statt.
Die mangelnden Auflagen im arbeitsrechtlichen Bereich aber auch die mangelnden Qualitätskriterien für Pflichtpraktika im Rahmen der Studienpläne sind mitverantwortlich für die angeführten Problematiken. Daher ist es höchste Zeit Qualitätsstandards und geordnete Rahmenbedingungen für Praktika einzuführen. Eine wesentliche Verantwortung tragen hier auch die Fachhochschulen und Universitäten. Wenn Pflichtpraktika gefordert werden, muss es für deren Absolvierung auch mehr Unterstützung, Begleitung und Qualitätskontrolle seitens der Ausbildungsinstitutionen geben. Eine intensivere Koordination zwischen Ausbildungsinstitutionen und einzelnen Betrieben bzw. Organisationen ist erforderlich und für alle Beteiligen von Vorteil.
Bisher haben wir diesbezüglich dringend notwendige Maßnahmen seitens Ihres Ministeriums vermisst. Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende
ANFRAGE:
1. Planen Sie angesichts der unsicheren und sich zuspitzenden Lage im PraktikantInnenbereich konkrete Maßnahmen und Initiativen gegen die Ausbeutung von PraktikantInnen? Falls ja, welche, und bis wann? Falls nein, warum nicht?
2. Wie bewerten sie folgende Probleme und welche Konsequenzen zieht das BMWF daraus?
a) Das Ausnutzen rechtlicher Grauzonen zwischen Ausbildungs- und Arbeitsverhältnis (Scheinpraktika) durch ArbeitgeberInnen?
b) Die mangelnde soziale Absicherung vieler Praktikantinnen?
c) Das Fehlen von schriftlichen Vereinbarungen in vielen Fällen?
d) Die Gefahr, dass Unternehmen und der Öffentliche Sektor die Notlagen und den Druck vieler junger Menschen, die Pflichtpraktika brauchen oder aufgrund drohender Arbeitslosigkeit bereit sind (Schein-)praktika zu absolvieren, für ihre finanziellen Interessen?
3. Verfügen Sie bereits über Vorschläge einer Verbesserung der Rechtssicherheit für PraktikantInnen? Wie stehen Sie zur Forderung eines eigenen PraktikantInnengesetzes? Welche Rechtsinstrumente (Arbeitsrecht, Kollektivvertrag, Betriebsvereinbarung, freiwillige Vereinbarung) scheinen Ihnen aus welchen Gründen geeignet? Und welche aus welchen Gründen ungeeignet?
4. Ist Ihrer Meinung nach ein Freier Dienstvertrag oder ein Werkvertrag mit dem im Arbeitsrecht definierten Ausbildungszweck eines Praktikums vereinbar?
5. Wie sieht Ihre Position zur Vergütung und Dauer von Praktika aus? Finden Sie 40-Wochenstunden-Praktika akzeptabel? Wie stehen Sie zu einer zeitlichen Begrenzung bzw. einer Mindestvergütung von Praktika? Wie könnten diese aussehen? Soll es diesbezüglich Unterschiede zwischen Pflichtpraktika, freiwilligen Praktika von in Ausbildung befindlichen Personen und AbsolventInnenpraktika geben?
6. Wie stehen Sie zu dem Vorschlag, dass in Curricula vorgeschriebene Pflichtpraktika gesetzlich definierte arbeitrechtliche Mindeststandards erfüllen und finanzielle Mindestentschädigungsstandards nicht unterschreiten dürfen, um von der ausbildenden Institution als Praktika anerkannt zu werden? Welche Schritte könnten Sie dazu konkret unternehmen?
7. Wie stehen Sie zum dem Vorschlag, dass es dringend notwendig ist junge Menschen im Zuge ihrer Ausbildungen auf ihre arbeitsrechtlichen Ansprüche bei künftigen Beschäftigungssituationen zu informieren? Welche Schritte könnten Sie dazu konkret unternehmen?
8. Bitte führen Sie die Anzahl der PraktikantInnen, die Beschäftigungsdauer, die Art des Dienstvertrages und das Entgelt jeder/ jedes einzelnen Praktikantin/ Praktikanten an, die in Ihrem Ministerium in den Jahren 2005, 2006 und 2007 beschäftigt wurden. Wie viele dieser PraktikantInnen wurden nach dem absolvierten Praktikum in eine reguläre Anstellung, wie viele in Werkverträge und wie viele in freie Dienstverträge im Ministerium übernommen?
9. Wie viele der in Frage 8 angefragten PraktikantInnen absolvierten ein Pflichtpraktikum? Wie viele machten freiwillig ein Praktikum? Und wie viele verfügten bereits über einen Universitäts- oder Fachhochschulabschluss? Wie viele PraktikantInnen haben wiederholt und wie oft Praktika bei Ihnen absolviert?
10. Ist in den letzten 10 Jahren die Anzahl der PraktikantInnen in Ihrem Ministerium auffällig gewachsen? Wenn ja warum? Wenn nein warum nicht?
11. Worin besteht die vorwiegende Motivation zur Anstellung von PraktikantInnen seitens des Ministeriums? In welchen Abteilungen und Bereichen sind diese eingesetzt worden? Zu welchen Tätigkeiten werden diese herangezogen? Wie legen Sie die Definition der PraktikantInnentätigkeit im Arbeitsrecht („praktische Tätigkeiten kennenlernen“) konkret bei der Ausbildung ihrer PraktikantInnen aus? Was verstehen Sie darunter?
12. Wie bewerten sie das Vorhaben der Kommission der Europäischen Union im Jahr 2008 eine „Initiative für eine europäische Qualitätscharta für Praktika“ vorzulegen und welche Konsequenzen ziehen sie daraus?
13. Wie stehen Sie zu folgenden, in der Mitteilung der Kommission „zur Förderung der umfassenden Beteiligung junger Menschen an Bildung, Beschäftigung und Gesellschaft“ (KOM (2007) 498) gestellten Forderungen an die Mitgliedsstaaten? Welche Konsequenzen ziehen Sie daraus?
a) Die Vermeidung von Praktika mit geringem oder ohne Entgelt und begrenztem Weiterbildungswert?
b) Praktika mit einer engen Verbindung zu Berufsbildungs- oder Studiencurricula zu fördern und einen passenden Rahmen dafür festzulegen?
c) Eine angemessene Definition von Praktika?
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