4894/J XXIII. GP

Eingelangt am 17.07.2008
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Drin Ruperta Lichtenecker, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft

 

betreffend Erhalt der Mehrwegflasche

 

Ohne strengere gesetzlichen Rahmenbedingungen wird die Mehrwegflasche in  Zukunft bald der Vergangenheit angehören. Im Handel sind kaum noch Glas- oder PET-Mehrwegflaschen erhältlich. Dabei sind Mehrwegflaschen (PET- und Glas-Mehrwegflaschen) im Vergleich zu Einwegflaschen das ökologisch günstigste Getränkeverpackungssystem. In den letzten Jahren wurden Nachhaltigkeitsaspekte in der Getränkeindustrie über freiwillige Selbstverpflichtungen geregelt (Nachhaltigkeitsagenda 2005 bis 2007). Das Resultat ist der sukzessive Rückgang der Mehrweg-Flasche aus den Supermarktregalen. Von 1994 bis 2007 nahm die PET-Flaschenmenge von 5.000 Tonnen auf 38.000 Tonne zu. Die Mehrwegquote bei Getränken ist von über 72 % im Jahr 1997 auf unter 25% im Jahr 2007 zurück gegangen (ohne Gastronomiebereich).

 

Jetzt liegt eine neue Selbstverpflichtung der Getränkewirtschaft mit noch geringeren Verpflichtungen vor: die „Nachhaltigkeitsagenda 2008 – 2017“. Das Kapitel Mehrweg-Verpackungen wurde ersatzlos gestrichen. Die Wirtschaftskammer spricht dafür in ihrer neuen Nachhaltigkeitsagenda der Getränkewirtschaft von einer Erweiterung um den Klimaschutz. Nähme man jedoch die Zahlen im Anhang zur Nachhaltigkeitsagenda ernst, so müsste auch die Bundeswirtschaftskammer automatisch die Mehrwegsysteme stärken. Zum Beispiel produziert eine Bier- Einweg-Dose 290g CO2/Liter gegenüber einer Mehrweg-Flasche 98 g CO2/Liter oder die Limonade in PET-Einweg 121 g CO2/Liter, während die Mehrweg-PET-Flasche nur 50g CO2/Liter erzeugt. Laut der neuen Nachhaltigkeitsagenda durch freiwillige Reduktionsmaßnahmen der im Bereich der Getränkewirtschaft tätigen Unternehmen sollen über die nächsten zehn Jahre insgesamt 10 Prozent der Treibhausgasemissionen im Getränkebereich, in Summe rund 150.000 Tonnen CO2 -Äquivalente, eingespart werden. Ausgangsbasis dafür sind die für 2007 ermittelten Emissionen, die den in Österreich eingesetzten Getränkeverpackungen zuzuordnen sind. Die geringe Klimaschutzbedeutung zeigt sich, da als Basisjahr 2007 gewählt wurde bzw. ist die Reduktionsrate von 10% bis zum Jahr 2017 sehr niedrig angesetzt.

 

Die derzeitigen Rahmenbedingungen missachten den ersten Grundsatz der europäischen und österreichischen Abfallhierarchie – die Abfallvermeidung. Die Ziele der Getränkezielverordnung wurden nicht erreicht, anstelle Konsequenzen zu setzen und Verbote oder Pfand per Gesetz einzuführen, wurde einfach die Verordnung aufgehoben.

 

 

Die vom Getränkeherstellerkartell errichtete Anlage zum Recycling von PET-Flaschen erreicht mit Mühe die Ziele der freiwilligen Selbstverpflichtung der Wirtschaft, die sie ja ohnehin schon sehr niedrig angesetzt hat. Sie wird als das große "grüne Feigenblatt" für die ungebremste Produktion von Getränkeverpackungen hergenommen, die als Abfall die Restmülltonnen belasten. 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

 

 

ANFRAGE:

 

1.      Die "Nachhaltigkeitsagenda Getränkeverpackungen" (freiwillige Selbst­verpflicht­ung der Wirtschaft) ist hinsichtlich Schutz der erwiesenermaßen nachhaltigeren Mehrweg-Getränkeverpackungen gescheitert, weil diese weiter signifikant zurückgegangen sind und nach der 1-Liter Glaspfandflasche für Wässer und Limonaden nun auch die Gebindeart der 1,5 Liter Mehrweg-PET-Flasche fast gänzlich vom Markt verschwunden ist. Werden Sie nun die seinerzeit bei einem Scheitern der Selbstverpflichtung angekündigten gesetzlichen Sanktionen tatsächlich verhängen? Wenn ja, in welcher Form, wenn nein, warum nicht und welche alternativen Schritte sehen Sie vor?

2.      Inwieweit unterstützen Sie nach dem Scheitern der zweiten Selbstverpflichtung Getränkeverpackungen ("Nachhaltigkeitsagenda") die dritte Selbstverpflichtung, welche ohne Einbeziehung von Umwelt-NGOs erfolgte und in welcher das Kapitel Mehrweg-Verpackungen ersatzlos gestrichen wurde?

3.      Sehen Sie das in der „Nachhaltigkeitsagenda 2008 – 2017“ genannte Klimaschutzziel der Getränkewirtschaft, eine Reduktion von mindestens 10 Prozent der Treibhausgase bis 2017 bezogen auf das Basisjahr 2007 als ausreichend an? Mit der Bitte um Begründung.

4.      Wie wird das Ministerium sicherstellen, dass im Zuge einer Liberalisierung der haushaltsnahen Verpackungssammlung erstens keine Mehrbelastung der kommunalen Restmüllsammlung und somit finanziellen Mehrbelastung der MüllgebührenzahlerInnen durch Ausdünnung der Flächendeckung und Qualität der Sammlung und zweitens keine finanzielle Mehrbelastung der staatlichen Kontrollinstrumente durch erhöhten Kontroll-, Clearing- und Administrationsaufwand aufgrund mehrerer Systemanbieter erfolgt?

5.      Durch welche Mechanismen wird das Ministerium sicherstellen, dass künftig für die gesamte in der Abfallwirtschaft erfasste Verpackungsmenge das Prinzip der Herstellerverantwortung angewendet wird (wie dies bei den Elektroaltgeräten sinnvollerweise der Fall ist), und nicht nur für jene Teilmenge, welche von Herstellern bei Sammelsystemen lizenziert wird?

6.      Wie wird das Ministerium sicherstellen, dass trotz Liberalisierung der haushaltsnahen Verpackungssammlung die ökologischen und volkswirtschaftlichen Ziele und öffentlichen Interessen wie bisher Vorrang vor privatwirtschaftlichen Nutzen-Interessen behalten werden?