4912/J XXIII. GP
Eingelangt am 17.07.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Dr. Jarolim und Genossinnen und Genossen
an den Bundesminister für Finanzen
betreffend Aktivitäten der „Meinl-Gruppe"
Der jüngst in österreichischen Medien (Profil Nr. 28 vom 7.7. 2008) auszugsweise wiedergegebene Prüfbericht der OeNB über die Meinl Bank AG illustriert bisher nicht beleuchtete Geschäftsbeziehungen und Zahlungsströme zwischen einerseits Meinl European Land (MEL), Meinl International Power (MIP), Meinl Airports International (MAI) und andererseits den Gesellschaften um die Meinl Bank AG („Meinl- Gruppe"). Dabei erhebt die OeNB massive Vorwürfe gegen die Meinl-Gruppe, welche die Schlussfolgerung nahelegen, dass bei den vielschichtigen Tätigkeiten (Management-, Lizenz-, Platzierungs- und Marketmakervertrag etc.) der Meinl-Gruppe für die börsenotierten Meinl-Fonds (MEL, MAI und MIP) in völlig unverhältnismäßiger Weise die Interessen der Meinl-Gruppe über jene der Aktionäre in den Fonds gestellt wurden. Offenkundig sollten die von der Meinl Bank AG in Jersey gegründeten und an der Wiener Börse eingeführten Gesellschaften MEL, MAI und MIP gemeinsam mit der Tochter Meinl Success Finanz AG als Wertschöpfungsvehikel der Meinl Bank AG dienen und durch die Gründung im Ausland ganz offenbar der österreichischen Jurisdiktion entzogen werden.
Es scheint, als wären die Finanzmarktteilnehmer bereits beim Börsegang der Gesellschaften mit fragwürdigen, wirtschaftlich nicht nachvollziehbaren und jedenfalls den Aktionären nicht offen gelegten Absichten, Plänen und Praktiken getäuscht worden. Aktionärsgelder wurden ohne Wissen und Zustimmung der Aktionäre zur Unterstützung der Meinl Bank Gruppe zweckentfremdet verwendet und kapitalmarktrelevante Informationen gesetzwidrig verheimlicht. Der Verdacht von Marktmanipulation, Untreue und Betrug steht im Raum.
Meinl European Land Limited hielt kürzlich eine bereits im Vorfeld heftig umstrittene Hauptversammlung auf Jersey ab, die unter massivem Widerspruch der Aktionäre und unter erheblicher Behinderung der Aktionärsrechte durch Mittel wie Vorträgen nur auf Englisch, mangelnde Information darüber wie viel Prozent des Grundkapitals eigentlich anwesend ist und nicht zuletzt der Direktive, Auskunft über die Zukunft von MEL werde nur schriftlich erteilt, von Statten ging. Nur mühsam konnten sich die Kleinaktionäre zumindest Teile der ihnen nach den geltenden Corporate Governance-Bestimmungen selbstverständlich zustehenden Rechte auf Information, Transparenz und öffentlicher Fragestellung sichern. Der Kurs von MEL stürzte am Tag nach der HV im Übrigen um 12% ab.
Demnächst stehen auch Hauptversammlungen von Meinl International Power Limited (28. Juli 2008, Wien) und Meinl Airports International Limited (28. Juli 2008, Jersey) an, bei denen jeweils Umbildungen und Wechsel im Management beschlossen werden sollen, die sich jedoch nicht im Interesse der Anleger, sondern weiterhin zugunsten der Meinl-Gruppe auswirken werden. So sollen jene Managementverträge, mit welchen 100%ige Töchter der Meinl Bank AG die Geschäftsführung in den börsenotierten Fonds übernahmen, gegen erhebliche finanzielle Leistungen aufgelöst werden. Tatsächlich spricht man hier aber eher über eine „Befreiungen" der börsenotierten Fonds von den mäßig erfolgreichen aber an Provisionszahlungen überdurchschnittlich „teuren" Managementgesellschaften. So soll etwa bei der Managementgesellschaft der MIP, in welcher der vormalige Finanzminister Grasser als Geschäftsführer erfolglos tätig war ein Ablösepreis von € 30 Mio für die Einstellung der Geschäfte bezahlt werden. Grassers Anteil für seine einjährige Tätigkeit betrüge rund € 10 Mio. Zuvor hatte Mag. Grasser als BMF dadurch internationales Aufsehen zu erregen verstanden, dass er seine hierfür ungeeignete Lebensgefährtin als Staatskommissärin in die Meinl Bank AG entsandt hatte.
Für die Sanierung der MEL durch Beendigung des Managementvertrags mit der zur „Meinl-Gruppe" gehörigen MERE soll überhaupt ein Betrag von € 280 Mio. an die Gruppe um Julius V. bezahlt werden, welcher Betrag voll zum Schaden der verbleibenden Kleinanleger geht.
Im Übrigen wurden die aufgrund dieser Managementverträge zu bezahlenden Gebühren überhöht verrechnet, wie dies der OeNB-Prüfbericht feststellt. So wurde etwa im Kapitalmarktprospekt der MEL vom Jänner 2007 auf die 2005 angefallene Gebühr in Höhe von 3,510.400 EUR hingewiesen, diese erhöhte sich aber durch Nachbelastungen schlussendlich auf 4,655.700 EUR. Auch weitere Verrechnungsfehler zu Lasten der Kleinanleger wurden festgestellt und durch die Meinl-Gruppe nachträglich zu sanieren versucht.
Angesichts der Tatsache, dass das auffällige Ignorieren österreichischer Bestimmungen des Aktiengesetzes und des Kapitalmarktrechtes durch die Unternehmensgruppe um den Geschäftsmann Julius Meinl V. als eine der bedauerlichsten Entwicklungen am heimischen Finanz- und Kapitalmarkt bis zum heutigen Zeitpunkt unglücklicherweise nicht umfassend geprüft und beurteilt worden ist, richten die unterzeichneten Abgeordneten an den Bundesminister für Finanzen folgende Fragen:
1. Die österreichische Öffentlichkeit steht zum überwiegendem Teil unter dem Eindruck, dass nicht nur die Staatsanwaltschaft und somit die Justiz, sondern insbesondere auch die zuständigen - in Ihrem Ministerium angesiedelten - Behörden, allen voran die Finanzmarktaufsicht, bis vor Kurzem weitgehend untätig geblieben oder doch zumindest nur schleppend tätig geworden sind. Es entsteht der Eindruck, dass erst angesichts der durch die couragierte Presse an die Öffentlichkeit gelangten Fakten auch bei den Behörden Aktivitäten gestartet wurden:
Welche Schritte hat die Finanzmarktaufsicht rund um die Causa Meinl bislang unternommen (bitte um chronologische Auflistung)?
Ab welchem konkreten Zeitpunkt an hat die Finanzmarktaufsicht erstmals Erhebungen gegenüber Meinl angestrengt?
2. Insbesondere besteht durch das verzögerte Tätigwerden von Behörden die erhebliche Gefahr, dass wichtiges Beweismaterial in der Zwischenzeit vernichtet worden sein könnte.
Welche Schritte haben Sie bzw. die Ihnen unterstehenden zuständigen Behörden unternommen, um eine Sicherstellung von Beweismaterial zu gewährleisten?
3. Wenn man den jüngst innerhalb kürzester Zeit geklärten Wirtschaftskriminalfall BAWAG und die Affäre Meinl vergleicht, lassen sich einige Parallelen feststellen. In beiden Fällen liegt eine sträfliche Missachtung von Grundsätzen der Corporate Governance vor - der Aufsichtsrat wurde nicht ausreichend informiert, war großteils vom Vorstand abhängig und wurde von diesem gewollt oder ungewollt missbraucht. Auch die interne Revision bestand de facto nur am Papier, die Wirtschaftsprüfung wurde nur mangelhaft durchgeführt. Während bei der BAWAG jedoch unverzügliche Schritte der Behörden eingeleitet wurden und zum Teil massiv, etwa mit der Verhängung von Untersuchungshaft, gegen die Verantwortlichen vorgegangen wurde, konnte bei den Unternehmen um Julius Meinl V. ein derart entschlossenes Handeln bis dato nicht festgestellt werden.
Wie erklären Sie sich diese unterschiedliche Vorgehensweise in ähnlich gelagerten Fällen?
4. Wie eingangs erwähnt, finden in Bälde Hauptversammlungen der inkriminierten Gesellschaften MEL, MIP und MAI statt, die weitere Benachteiligungen für die beteiligten Anleger befürchten lassen.
Warum wurden keine Schritte unternommen, um mögliche weitere Schädigungen der Anleger zu verhindern?
5. In Missbrauchsfällen müssen im Interesse der Allgemeinheit effektive Maßnahmen zur Zwangsdurchsetzung von Befugnissen und Informationsbeschaffung einsetzbar sein. So ist es auf Ebene der EU-Kommission, Generaldirektion für Wettbewerb etwa möglich, Hausdurchsuchungen und Razzien anzuordnen, sowie auch empfindliche Zwangsstrafen etwa bei ungerechtfertigter Aussageverweigerung zu verhängen. Derartige Befugnisse könnten auch im Bereich der Banken- und Wertpapieraufsicht in Österreich von großem Nutzen sein.
Gedenken Sie, die Banken- und Wertpapieraufsicht in nächster Zukunft mit erweiterten Befugnissen zur Zwangsdurchsetzung bei mangelhafter Kooperation durch die Unternehmensführung auszustatten? Wenn ja, ist in Ihrem Ministerium bereits eine Arbeitsgruppe mit der Ausarbeitung einer legistischen Umsetzung betraut bzw. wird eine solche betraut werden? Wenn nein - warum sehen Sie keine Notwendigkeit zur Ausstattung der Ihnen zugeordneten Behörden mit derartigen Befugnissen?
6. Gerade im Zusammenhang mit der Causa Meinl gibt es eine Vielzahl von getäuschter privater Kleinanleger, die sich ein kostenintensives Verfahren zur Durchsetzung ihrer Schadenersatzansprüche
gegen einen übermächtigen Gegner wie die Meinl Bank AG schlichtweg nicht leisten können. Daher ist gerade in diesem Zusammenhang eine Stärkung der Durchsetzung von Ansprüchen zahlreicher Geschädigter durch ein kosten- und risikoreduziertes Verfahren von besonderer Wichtigkeit.
Welche Schritte werden Sie setzen, um eine rasche Implementierung der von der ÖVP bis dato heftig bekämpften Sammelklagen im Interesse der Menschen im Land zu ermöglichen?
7. Seit 1994 gab es auch eine Reihe von Geschäftsbeziehungen zwischen der Meinl Gruppe und Wolfgang Flöttl, der unlängst im Strafverfahren zur Causa BAWAG zu zweieinhalb Jahren Haft, davon 10 Monate unbedingt, wegen Untreue verurteilt wurde. Flöttl war nicht nur Aufsichtsratsmitglied der Julius Meinl Investment GmbH und der Julius Meinl International AG (und an dieser zwischenzeitlich mit 9% beteiligt) sondern tätigte auch über insgesamt 5 Konten im Zeitraum 1994 - 2006 seine „Karibik- Geschäfte" in der Höhe von 34. Mio EUR bzw. ging mit der Meinl Gruppe mehrere von dieser in Folge genehmigte Kreditengagements ein - dies, obwohl er nach eigenen Angaben zu diesem Zeitpunkt völlig mittellos gewesen war. Auch vergab die Meinl Bank Kredite an eine MEL Holdings Ltd., deren Direktor unter anderem Wolfgang Flöttl war und deren Zweck einzig im Ankauf von MEL-Aktien bestand, die gleichzeitig als Kreditbesicherung dienten. Diese Umstände lassen eine nicht unerhebliche Involvierung der Aktivitäten von Wolfgang Flöttls und Julius Meinl, welche in Fachkreisen auch als „Freunde der Karibik" bekannt waren, befürchten.
Welche Schritte haben Sie veranlasst oder angeregt bzw. werden dies tun, welche zur raschen Aufklärung dieser seltsamen Vorgänge bzw. Verknüpfungen dienlich sind?
8. Mit Beginn 2008 wurde auch ein Wechsel von Julius Meinl V als ehemaliger Vorstandsvorsitzender der Meinl Bank AG, in den Aufsichtsrat als dessen nunmehriger Vorsitzender vollzogen. Dies geschah unmittelbar vor Inkrafttreten der neuen Aktionärsschutzbestimmungen des Gesetzes zur „Finanzmarktaufsicht Neu", welche auch die Ablegung eines „Fit and Proper-Tests" vorgesehen haben, welchen Julius V. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht bestanden hätte. Darüber verkündete man aus der Meinl-Gruppe, dass Julius V. mit der Geschäftsleitung einen Konsulentenvertrag in Höhe seines ehemaligen Vorstandsgehaltes abgeschlossen hatte, der es ihm ermöglicht, weiterhin auf die Geschäftsführung massiven Einfluss zu nehmen und sohin auch weiterhin operativ tätig zu agieren. Dies ist insbesondere bemerkenswert, als das neue Gesetz eine „cooling off-Periode" normiert, die in §28a BWG eine zweijährige Ruhepause für ehemalige Geschäftsleiter vor einer Bestellung als Vorsitzender des Aufsichtsrates im gleichen Unternehmen vorsieht.
Würden Sie im gegenständlichen Fall diese Doppelfunktion des ehemaligen Vorstandsvorsitzenden Julius Meinl V. als nunmehriger Aufsichtsratsvorsitzender und Berater der Geschäftsführung nicht als für einen entwickelten Kapitalmarkt unakzeptabel betrachten?
Wie beurteilen Sie diese Doppelfunktion auch im Lichte der strikten Trennung von Geschäftsleitung und Kontrolle in Aktiengesellschaften normiert nach §90 Aktiengesetz?
9. Zur Ausübung des Ihnen zustehenden Aufsichtsrechtes über Kreditinstitute wurde auch in die Meinl Bank AG ein Staatskommissär bestellt. Diese Funktion übte zu diesem Zeitpunkt Dr. Peter Quantschnigg, damaliger Generalsekretär des Bundesministeriums für Finanzen, aus. Seine Pflicht wäre es gewesen, bei zweifelhaften Organbeschlüssen des zu beaufsichtigenden Kreditinstitutes unverzüglich Einspruch gem. §76 BWG zu erheben.
Warum ist der Staatskommissär der Meinl Bank AG dieser Pflicht hinsichtlich des Beschlusses des Wechsels Julius Meinl vom Vorstand in den Aufsichtsrat bzw. beim Beschluss über den Abschluss eines hochdotieren Konsulentenvertrages mit Meinl nicht nachgekommen?
Haben Sie Konsequenzen aus diesem Umstand gezogen?
10. Die Übernahmekommission ist mittlerweile im Begriff, den geplanten Einstieg des Citi/Gazit- Konsortiums bei MEL zu überprüfen - in einem ersten Schritt soll die Zuständigkeit, dann das allfällige Vorliegen einer Angebotspflicht untersucht werden. MEL hatte sich im Vorfeld heftig gegen eine Prüfung durch die Übernahmekommission gewehrt und jegliche Zusammenarbeit mit der Kommission verweigert. So wurden insbesondere Informationen und Unterlagen trotz Einmahnung nicht geliefert und die Übernahmekommission dadurch in ihrer Arbeit massiv behindert.
Welche Schritte werden Sie unternehmen, um derartiges für den österreichischen Kapitalmarkt höchst schädliches Agieren zukünftig zu unterbinden?