4931/J XXIII. GP

Eingelangt am 18.07.2008
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Am 23.08.2019 erfolgte eine vertraulichkeits-/datenschutzkonforme Adaptierung

 

Anfrage

der Abgeordneten Parnigoni

und GenossInnen

an die Bundesministerin für Inneres

betreffend das Projekt Digitalfunk BOS Austria“ bzw. dessen Vorgängerprojekt ADONIS

Das einstige Projekt rund um das Behördenfunknetz ADONIS bzw. dessen Nachfolgeprojekt Digitalfunk BOS Austria" hat in den letzten sechs Jahren enorme Summen an Steuergeldern verschlungen. Drei ÖVP-Innenminister (Strasser, Prokop, Platter) waren nicht imstande die im Laufe der Jahre ausufernden Ausgaben in dreistelliger Millionenhöhe einer sinnvollen Verwendung zuzuführen. Nach dem spektakulären Scheitern von ADONIS und dem Startschuss für ein neues Projekt im Herbst 2003 wurde die Bevölkerung jahrelang höchst mangelhaft über die explodierenden Kosten informiert.

Einen Tag vor der Nationalratswahl 2006, am 30. September, wurden Medienberichten zufolge fast 30 Millionen Euro im Rahmen einer außergerichtlichen Einigung vom BM.I. an die einstige Betreiberfirma mastertalk“ überwiesen, nachdem ein Verfahren beim Schiedsgericht der Wirtschaftskammer im Sande verlaufen war. In Anbetracht der riesigen Summe befremdet der Umstand, dass das BM.I. sein Scheitern gegenüber der Öffentlichkeit äußerst spärlich kommunizierte. Auch hinsichtlich des Nachfolgeprojektes Digitalfunk BOS Austria" wurde seitens des BM.I. sehr lückenhaft und in verwirrender Weise berichtet. So wurden laut einer Aussendung des BM.I. vom 6. September 2006, also mitten im Intensivwahlkampf, die Gesamtkosten für das Projekt mit 140 Millionen Euro beziffert. Dem Vernehmen nach belaufen sich die Kosten aber in Wirklichkeit auf etwa 825 Millionen Euro, die in den nächsten 25 Jahren aufgewendet werden müssen. Während auf diese Weise sehr großzügig mit Budgetmitteln umgegangen wird, fehlt es Österreichs Exekutive an allen Ecken und Enden an finanziellen und materiellen Ressourcen. Mangelnde Ausrüstung, ein unzureichendes Überstundenkontingent, ein hoffnungslos veralteter Fuhrpark und viele andere Mängel, werden seit Jahren mit dem Argument der Geldknappheit entschuldigt, auf der Strecke bleiben Österreichs PolizistInnen.


Darüber hinaus ignorierte die Ressortleitung des BM.I. beharrlich die Empfehlung des Rechnungshofes mit den einzelnen Ländern hinsichtlich des Behördenfunknetz-Projektes Verträge abzuschließen. Bis dato existieren nur Verträge mit Tirol und Wien. Die Geschehnisse der vergangenen Jahre werfen aber auch ein bezeichnendes Licht auf die mangelnde Unternehmenskultur im BM.I bzw im Kabinett des Ministeriums, mit der sich der aktuelle Untersuchungsausschuss intensiv beschäftigt. Dem Vernehmen nach pendelte der einstige Abteilungsleiter im BM.I Peter Skorsch zwischen dem Firmengeflecht Kappacher/Motorola und dem BM.I. hin und her. Nach seiner Tätigkeit beim BM.I. wanderte Skorsch zur Firma Motorola ab, die im Juni 2004 über die Betreiberfirma TETRON (Alcatel/Motorola) den Auftrag für das neue Projekt erhielt.

Eine ähnliche schiefe Optik ergibt sich bei den ehemaligen Kabinettsmitarbeitern N.N. und Wolfgang Gattringer. N.N. wurde nach seinem Abgang aus dem Kabinett im Jahre 2003 Geschäftsführer der Firma TETRON. Gattringer, der die Kündigung des mastertalk-Vertrages vollzog, bekam einen Job bei Alcatel.
Zu Recht verlangt nun die Öffentlichkeit, dass die aktuellen Entwicklungen rund um das Projekt Digitalfunk BOS Austria" näher beleuchtet werden.

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Inneres nachstehende

Anfrage:

1) Ist es zutreffend, dass GenMjr Ing. Peter Skorsch per 1.1.2003, somit nach Zuschlagserteilung zur Realisierung des Funknetzes, zum Leiter der Abteilung IV/1 (Technik) bestellt wurde?

Wenn ja, welche Qualifikationen waren dafür ausschlaggebend?


2)   Ist es zutreffend, dass GenMjr Ing. Peter Skorsch vor seiner Bestellung zum Leiter der Abteilung IV/1 bereits im BMI tätig, allerdings karenziert war?

2a) Wenn ja, ist es zutreffend, dass GenMjr Ing. Peter Skorsch während dieser Karenzierung für die eurofunk Kappacher GmbH" tätig war, die vorwiegend als Systemlieferant für Leitstellen- und Kommunikationstechnik tätig ist und deren Schwerpunkt auf der Planung und Errichtung von Einsatzzentralen und Systemlösungen für Feuerwehr, Exekutive, Rettungsdienste, Industrie und Gewerbe liegt?

Wenn ja, wie ließen sich diese Tätigkeiten Ihrer Meinung nach miteinander vereinbaren?

3)    Inwieweit waren die damaligen Kabinettmitarbeiter N.N. und Wolfgang Gattringer von Innenminister Strasser mit Aufgaben zur Realisierung des Funknetzprojektes ADONIS betraut?

4)    Aufgrund des neuerlichen Ausschreibungsverfahren wurde im Juni 2004 der Zuschlag der Tetron GmbH erteilt, ein Joint Venture von Motorola und Alcatel. Ist es zutreffend, dass N.N. direkt vom Kabinett des BMI in die Geschäftsführung der Tetron GMbH wechselte?

Wenn ja, wann geschah dies genau?

5)   Ist es zutreffend, dass Wolfgang Gattringer direkt vom Kabinett des BMI zur Firma Alcatel wechselte?

Wenn ja, wann geschah dies genau?

6)   Ist es zutreffend, dass der ehemalige Kabinettchef Ulmer nach seiner Tätigkeit im BMI als Berater für selbiges fungierte?

Wenn ja, von wann bis wann war dies der Fall, worin bestand sein Aufgabengebiet, wie hoch war sein Honorar bzw. wie wurden ihm seine Dienste abgegolten und wer kam dafür auf?

7)   Der Rechnungshof empfahl dem BMI vor Abschluss eines Vertrages über ein österreichweites Funknetzprojekt eine bindende Vereinbarung zwischen dem Bund und den Bundesländern einschließlich  Rettungsdiensten und  Feuerwehren über die Teilnahme und anteilige Finanzierung abzuschließen. Wurde dieser Empfehlung vor Abschluss des Vetrages mit der Firma Tetron entsprochen?

Wenn ja, wann und in welcher Form?


Wenn nein, warum nicht und welche Schritte beabsichtigen Sie zu setzen, um endlich dieser Empfehlung nachzukommen?

8)    Warum wurde der Vertrag mit Mastertalk betreffend das Funknetzprojekt ADONIS gekündigt?

9)    Welche Konsequenzen hatte die Vertragsauflösung für das BMI, insbesondere in finanzieller Hinsicht?

10) An wen hatte das BMI etwaige Zahlung zu entrichten? Wann und in welcher Form erfolgten diese Zahlungen?

11) In welcher Form wurden diese im Budgeterfolg des Jahres 2006 bzw. des Jahres 2007 ausgewiesen?

12)   Das Innenministerium hat im September 2006 in Presseaussendungen stolz verkündet, das neue Funkprojekt Digitalfunk BOS Austria" koste nur 140 Mio. . Tatsächlich zahlt das Innenministerium dem Vernehmen nach weit mehr. Ist es richtig, dass das BMI über eine Vertragsdauer von 25 Jahren jährlich etwa 33 Mio. an den Betreiber TETRON entrichten muss, was in Summe etwa 825 Mio. ausmacht?

Wenn nein, wie hoch sind Ihrem Wissenstand zufolge die tatsächlichen jährlichen Kosten und wie sind diese zu entrichten und in welchem Zeitraum?

13)   Wurde Ihrer Meinung nach die Öffentlichkeit über die enormen laufenden Kosten ausreichend informiert? Was werden Sie hinkünftig tun, um in dieser Angelegenheit mehr Transparenz herzustellen?

14)   Ist es Ihrer Meinung  nach den  Steuerzahlern gegenüber zu verantworten, einen bestehenden Vertrag (mastertalk) über etwa 600 Mio. zu kündigen, ein Klagsrisiko (180 Mio. ) einzugehen und daraufhin mit einem anderen Partner einen neuen Vertrag über eine Höhe von mehr als 800 Mio einzugehen?

Wenn ja, wie begründen Sie dies?


15) Das Innenministerium hatte beim ersten Funkprojekt bereits Konsulenten beauftragt. Um welche Konsulenten handelte es sich dabei?

16) Wie hoch war der jeweilige Auftragswert (bitte um detaillierte Aufschlüsselung) und wurden diese Konsulentenverträge nach vergaberechtlichen Kriterien vergeben?

17)   Welche zusätzlichen Kosten sind im Projekt dadurch entstanden?

18) War bzw. ist beim neuen Funkprojekt Digitalfunk BOS Austria" die Beauftragung von Konsulenten ebenfalls erforderlich?

Wenn ja, um welche Konsulenten handelt(e) es sich dabei?

19)   Wie hoch war/ist der jeweilige Auftragswert (bitte um detaillierte Aufschlüsselung) und wurden/werden diese Konsulentenverträge nach vergaberechtlichen Kriterien vergeben?

20) Welche zusätzlichen Kosten sind im Projekt dadurch entstanden? Welche Konsulentenverträge sind derzeit noch aufrecht? Welche Kosten erwachsen dem BMI daraus?

21) Weche Möglichkeiten wird es hinkünftig für österreichische Blaulichtorganisationen geben, am Behördenfunknetz teilzuhaben?

22) Was sind die genauen Erfordernisse für eine Blaulichtorganisation das Behördenfunknetz zu nutzen?

23) In welcher Art und Weise werden Sie in Hinkunft wirken, damit möglicht viele Organisationen zu einem erschwinglichen Preis von diesem Behördenfunknetz profitieren?

24) Können Sie garantieren, dass auch in 25 Jahren die teuer erkaufte Technologie noch zeitgemäß sein wird und zukünftigen Erfordernissen Genüge leistet?

Wenn ja, welche Argumente führen Sie dazu ins Treffen?