4953/J XXIII. GP
Eingelangt am
12.09.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Werner Neubauer,
und weiterer Abgeordneter
an den Bundeskanzler
betreffend: Views des UN-Menschenrechtsausschusses (II)
Unter Bezugnahme auf Ihre zur Zahl 4645/AB (XXIII. GP) ergangene schriftliche parlamentarische Anfragebeantwortung betreffend die an Sie zur Zahl 4739/J (XXIII. GP) gerichtete schriftliche parlamentarische Anfrage zum Thema „Views des UN- Menschenrechtsausschusses" ist einleitend Folgendes festzuhalten:
Faktum ist, dass der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen im Beschwerdeverfahren des österreichischen Staatsbürgers Dr. Wolfgang LEDERBAUER gegen die Republik Österreich in einer an die österreichische Bundesregierung gerichteten Mitteilung (Views) vom 13.7.2007 wörtlich feststellte: „Der Ausschuss stellt eine Verletzung Ihres Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 14 (1) CCPR) fest. Er befindet des weiteren, dass dem Beschwerdeführer ein Anspruch auf ein Rechtsmittel zur Korrektur dieser Verletzung sowie auf angemessenen Schadenersatz zusteht."
Ihre in der erwähnten parlamentarischen Anfragebeantwortung vorgetragenen Erwägungen, dass es nur um Fragen angemessener Verfahrensdauer gehe, dass auf die vom UN- Menschenrechtsausschuss festgestellte Rechtsverletzung durch eine unangemessen lange Dauer eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof ereits angemessen reagiert worden sei, dass eine Korrektur der Dauer eines bereits seit Jahren abgeschlossenen Verfahrens aus faktischen Gründen nicht möglich sei und so weiter, gehen angesichts dessen ins Leere. Denn der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen hat ja bereits ausdrücklich festgestellt, dass das Recht des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren verletzt worden ist und dass ihm daher ein Anspruch auf ein Rechtsmittel zur Korrektur dieser Verletzung sowie auf angemessenen Schadenersatz zusteht. Die Aufgabe des Bundeskanzlers ist es nicht, den Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen zu interpretieren, sondern dessen Erkenntnis umzusetzen.
Zuständig sind Sie als Bundeskanzler, weil die Views des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen an die Österreichische Bundesregierung gerichtet waren, deren Vorsitzender Sie sind. Es geht nicht um die Frage, ob die Gründe für die vom Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen festgestellten Menschenrechtsverletzungen in Ihrer Verantwortung lägen, sondern es geht darum, dass die Umsetzung der an die österreichische Bundesregierung gerichteten Views des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen in Ihre Zuständigkeit und Verantwortung, zumindest aber in Ihre Koordinationskompetenz, fällt.
Die in der parlamentarischen Anfragebeantwortung behauptete Zuständigkeit der Volksanwaltschaft liegt hingegen nicht vor. Diese ist ein Hilfsorgan des Parlaments und für die Prüfung von Missständen aufgrund von Beschwerden Einzelner oder im amtswegigen Verfahren zuständig, nicht aber für die Abwicklung von Entschädigungsansprüchen gegenüber der Republik Österreich, denn die Kompetenzen der Volksanwaltschaft sind im B-VG abschließend geregelt. Die Volksanwaltschaft ist bekanntlich auch nicht als Vertreter der Bundesregierung tätig.
Die Zuständigkeit zur Umsetzung der an die österreichische Bundesregierung gerichteten Views des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen liegt somit allein bei der österreichischen Bundesregierung, deren Vorsitzender Sie (noch) sind.
Soweit Sie überdies in Ihrer parlamentarischen Anfragebeantwortung die Auffassung vertreten haben, dass die Views des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen nicht verbindlich seien, sei nochmals in Erinnerung gerufen, dass der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen selbst hat in seiner Entscheidung N° 504/1992 vom 19. Juli 1994, A/49/40 II (1994), Annex X.P (S. 322), § 6.3., in der Rechtssache "Roberts versus Barbados" explizit festgehalten hat: „It is an obligation for the State party to adopt appropriate measures to give legal effect to the views of the Committee as to the interpretation and application of the Convenant.u. Auch der renommierte Menschenrechtsexperte Prof. Dr. Manfred NOWAK hielt in einer gutachterlichen Stellungnahme vom 4.10.2005 fest, dass die Views des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen für Österreich verbindlich seien und von Österreich umgesetzt werden müssen. Der nicht minder renommierte Verfassungsexperte Prof. Dr. Bernd-Christian FUNK bestätigte dies in einer gutachterlichen Stellungnahme vom 11.10.2005. Diese von den genannten Juristen vertretene Rechtsauffassung deckt sich mit den von den gleichermaßen renommierten Grundrechtsexperten Prof. Dr. Alexander MORAWA und Prof. Dr. Adrian HOLLAENDER erstatteten Rechtsgutachten vom 12.10.2005 bzw. vom 31.12.2007 sowie mit der von dem letztgenannten Grundrechtsexperten Professor HOLLAENDER in der Januar-Ausgabe 2008 der
Fachzeitschrift „Anwalt aktuell" veröffentlichen rechtswissenschaftlichen Publikation zum Thema der rechtlichen Bedeutung der Views des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen. Von allen diesen Experten wurde klar festgestellt, dass die Republik Österreich zur Umsetzung der Views des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen verpflichtet ist. Soweit Sie hingegen ohne nähere Spezifizierung in Ihrer Anfragebeantwortung erwähnen, von einem innerstaatlichen Gericht seien neulich - in einem nicht den Beschwerdeführer Dr. LEDERBAUER betreffenden Fall - bestimmte (nicht den Beschwerdefall Dris. LEDERBAUER betreffende) Views des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen als nicht verbindlich angesehen worden, so ist daran zu erinnern, dass in Österreich (anders als im angelsächsischen case-law-System) einem allfälligen Urteil eines innerstaatlichen Gerichtes in einem bestimmten Fall keinerlei Bindungswirkung für andere Fälle zukommt.
Wenn Sie aber dennoch nach wie vor die Auffassung vertreten sollten, dass die Views des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen innerstaatlich nicht unmittelbar verbindlich seien, weil der UN-Menschenrechtspakt vom Nationalrat seinerzeit unter dem Vorbehalt genehmigt wurde, dass er im Sinne des Art. 50 Abs. 2 Bundes-Verfassungsgesetz durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, dann obläge es Ihnen, in den Ministerrat ein entsprechendes Erfüllungsgesetz zur Beschlussfassung einbringen, denn beim Erfüllungsvorbehalt wurde seinerzeit explizit angegeben, dass der erwähnte Pakt durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist. Soweit Sie der in Ihrer Anfragebeantwortung zum Ausdruck gebrachten Ansicht sind, es sei ohnehin bereits alles in der österreichischen Rechtsordnung verankert, irren Sie, denn gerade der gegenständliche Fall zeigt, dass dies offenbar nicht so ist, denn sonst wäre ja schon längst den Views entsprechend ein Rechtsmittel zu Korrektur der menschenrechtswidrig ergangenen Entscheidung zur Verfügung gestellt worden. Dies ist aber bis dato nicht der Fall.
Da somit vorliegend dringender Handlungsbedarf gegeben ist und die österreichische Bundesregierung (an die ja die Views gerichtet waren und deren Vorsitzender Sie noch sind) diesbezüglich handlungspflichtig ist, stellen die unterfertigten Abgeordneten an den Bundeskanzler folgende
Anfrage:
1) Hat der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen im Beschwerdeverfahren des österreichischen Staatsbürgers Dr. Wolfgang LEDERBAUER gegen die Republik Österreich in einer an die Österreichische Bundesregierung gerichteten Mitteilung (Views) vom 13.7.2007 eine Verletzung des Rechts des Beschwerdeführers Dr. LEDERBAUER auf ein faires Verfahren durch die Republik Österreich festgestellt und des weiteren befunden, dass dem Beschwerdeführer ein Anspruch auf ein Rechtsmittel zur Korrektur dieser Verletzung sowie auf angemessenen Schadenersatz zusteht, oder hat der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen im erwähnten Beschwerdeverfahren diese Feststellungen nicht getroffen?
2) Wenn der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen im erwähnten Beschwerdeverfahren diese Feststellungen getroffen hat: Wurde Dr. LEDERBAUER von der Republik Österreich mittlerweile ein Rechtsmittel zur Korrektur dieser Verletzung eingeräumt?
3) Wurde Dr. LEDERBAUER von der Republik Österreich mittlerweile angemessener Schadenersatz geleistet?
4) Falls diese beiden vom Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen im erwähnten Beschwerdeverfahren verlangten Maßnahmen - oder auch nur eine von diesen - bisher nicht getroffen worden sein sollten, hat dann die Republik Österreich ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen in dieser Causa Genüge getan oder nicht?
5) Wenn die eingangs erwähnten Views des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen im Beschwerdeverfahren des österreichischen Staatsbürgers Dr. Wolfgang LEDERBAUER gegen die Republik Österreich an die Österreichische Bundesregierung gerichtet waren, wieso erachten Sie dann in Ihrer Anfragebeantwortung ein anderes Organ als die Österreichische Bundesregierung (und zwar die Volksanwaltschaft, die ein Hilfsorgan des Parlaments ist) als zuständig?
6) Aus welcher Bestimmung des Bundes-Verfassungsgesetzes leiten Sie überhaupt die in Ihrer Anfragebeantwortung behauptete Zuständigkeit der Volksanwaltschaft ab?
7) Hat Dr. Wolfgang LEDERBAUER Sie in Ihrer Eigenschaft als Vorsitzender der österreichischen Bundesregierung um einen Gesprächstermin ersucht?
8) Wann, wie oft und mit welchem Ergebnis?
9) Sind Sie bereit, sich nunmehr einem solchen Gespräch zu stellen?
10) Ist Ihnen bekannt, dass der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen beispielsweise in seiner Entscheidung N° 504/1992 vom 19. Juli 1994, A/49/40 II (1994), Annex X.P (S. 322), § 6.3., in der Rechtssache "Roberts versus Barbados" explizit festgehalten hat: ,It is an obligation for the State party to adopt appropriate measures to give legal effect to the views of the Committee as to the interpretation and application of the Convenant."?
11) Wie übersetzen Sie die vorzitierte Feststellung des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen und welchen Sinngehalt erkennen Sie darin?
12) Ist Ihnen bekannt, dass der renommierte Menschenrechtsexperte Prof. Dr. Manfred NOWAK in einer gutachterlichen Stellungnahme vom 4.10.2005 festgehalten hat, dass Views des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen für Österreich verbindlich sind und von Österreich umgesetzt werden müssen?
13) Ist Ihnen bekannt, dass der nicht minder renommierte Verfassungsexperte Prof. Dr. Bernd-Christian FUNK dies in einer gutachterlichen Stellungnahme vom 11.10.2005 bestätigt hat?
14) Ist Ihnen bekannt, dass sichdiese von den genannten Juristen vertretene Rechtsauffassung mit den von den gleichermaßen renommierten Grundrechtsexperten Prof. Dr. Alexander MORAWA und Prof. Dr. Adrian HOLLAENDER erstatteten Rechtsgutachten vom 12.10.2005 bzw. vom 31.12.2007 deckt?
15) Ist Ihnen die vom letztgenannten Grundrechtsexperten Professor HOLLAENDER in der Januar-Ausgabe 2008 der Fachzeitschrift „Anwalt aktuell" veröffentliche rechtswissenschaftliche Publikation zum Thema der rechtlichen Bedeutung der Views des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen bekannt?
16) Was besagt diese rechtswissenschaftliche Publikation in ihrem vollen Wortlaut?
17) Falls Sie dennoch nach wie vor die Auffassung vertreten sollten, dass die Views des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen innerstaatlich nicht unmittelbar verbindlich seien, weil der UN-Menschenrechtspakt vom Nationalrat seinerzeit unter dem Vorbehalt genehmigt wurde, dass er im Sinne des Art. 50 Abs. 2 Bundes- Verfassungsgesetz durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist, warum haben Sie dann
bisher nicht ein entsprechendes Erfüllungsgesetz in den Ministerrat zur Beschlussfassung eingebracht?
18) Werden Sie - angesichts der Tatsache, dass beim Erfüllungsvorbehalt seinerzeit explizit angegeben wurde, dass der erwähnte Pakt durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist - dem Ministerrat ein entsprechendes Erfüllungsgesetz zur Beschlussfassung vorlegen?
19) Wie können Sie die in Ihrer Anfragebeantwortung zum Ausdruck gebrachte Ansicht vertreten, es sei ohnehin bereits alles in der österreichischen Rechtsordnung hinreichend verankert, wo doch gerade der gegenständliche Fall betreffend Dr. LEDERBAUER zeigt, dass dies offenbar nicht so ist, (denn sonst wäre ja schon längst den Views entsprechend ein Rechtsmittel zu Korrektur der menschenrechtswidrig ergangenen Entscheidung zur Verfügung gestellt worden)?
20) Halten Sie ein - Ihnen offenbar vorschwebendes - reines ex-gratia-Verfahren zur innerstaatlichen Umsetzung von Views des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen für vereinbar mit dem Legalitätsprinzip des Artikel 18 B-VG und den haushaltsrechtlichen Bestimmungen?
21) Wäre es angesichts dessen nicht viel eher indiziert, endlich eine innerstaatliche gesetzliche Grundlage für die Umsetzung von Views des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen zu schaffen?
22) Aus welchem Grunde glauben Sie, dass - wie in Ihrer Anfragebeantwortung behauptet - die Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes durch die mittlerweilige Schaffung eines Asylgerichtshofes tatsächlich im anfragegegenständlichen Anlassfall dazu beizutragen vermag, dem Grundrechtsschutz in concreto zum Durchbruch zu verhelfen?
Anmerkung: Da Sie bei der letzten Anfragebeantwortung in dieser Causa dem Ersuchen nicht nachkamen, zur Gewährleistung der gebotenen Transparenz jede der an Sie gerichteten Fragen einzeln (und nicht pauschal zusammengefasst) zu beantworten, wird dieses Ersuchen im Zusammenhang mit der gegenständlichen Folgeanfrage hiermit erneuert.