4989/J XXIII. GP

Eingelangt am 18.09.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abgeordneten Mag. Johann Maier

und GenossInnen

an den Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit

betreffend „Sozialtarif für Grundbedarf von Energie - Bekämpfung von Energiearmut

in Österreich“

Einkommensschwachen Haushalten in Europa - insbesondere Pensionisten und kinderreichen
Familien - droht in Europa eine „Energiearmut", da die drastisch gestiegenen
Preissteigerungen im Energiebereich nicht durch eine Umschichtung des Konsums
ausgeglichen werden können. Mit Nachforderungen (d.s. Nachzahlungen) der EVU's entsteht
aber ein Teufelskreis für einkommensschwache Haushalte (Personen). Sie können diese
Nachzahlungen - auch wenn sie in Raten abgestottert werden könnten - nicht begleichen.
Dies führt in letzter Konsequenz dann meist auch zu Liefersperren, eine unzumutbare
Situation. Aber auch für Energiesparmaßnahmen fehlt diesen Haushalten das Geld, diese
Investitionen können ebenfalls nicht selbst finanziert werden.

Bei weiter steigenden Energiepreisen wird daher die Armutsschwelle weiter nach oben gehen.
Strom- und/oder Gasversorgung gehört zur Daseinsvorsorge und ist für jeden Haushalt
unverzichtbar. Diese Daseinsvorsorge sollte von den EVU's (als gemeinwirtschaftliche
Verpflichtung) und dem Staat zu gewährleistet werden. Liberalisierung und Deregulierung
des Energiesektors haben dies in Frage gestellt.

Auf eine Anfrage der Verbraucherzentrale Nordrhein Westfalen in Deutschland nach der
Anzahl jährlicher Sperren konnten die Verbände, RWE und E.ON überhaupt keine Angaben
machen. Auf direkte Anfrage bei 38 örtlichen Versorgern gaben 24 Anbieter an, etwa 20
Prozent ihrer Haushaltskunden befänden sich in Zahlungsverzug oder im Mahnverfahren, mit
steigender Tendenz. Im Jahr 2007 wurden 59.000 Haushalte dieser Anbieter mit einer
Stromsperre belegt, was einer Quote von etwa 2 Prozent entspricht. Rechnet man dieses -
nicht repräsentative - Ergebnis aus Nordrhein Westfalen auf die 40 Millionen Haushalte der
Bundesrepublik Deutschland hoch, wären allein etwa 800.000 Haushalte in Deutschland vom
Strombezug abgeschnitten - und das obwohl § 19 Grundversorgungsverordnung hohe
Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit der Versorgungsunterbrechung stellt.

Über Österreich liegen bis heute keine entsprechenden Zahlen über Liefersperren von Strom
und/oder Gas vor.

Ähnlich die Situation bei den Heizölkosten: Die Ausgabengruppe „Wohnung, Wasser und
Energie" (+3,1 Prozent), verursachte etwa ein Siebentel der Jahresinflation. Das Heizöl, das
im Jahresabstand (Juni 07/08) um 54 Prozent teurer wurde, war für etwa zwei Drittel der
Preissteigerungen dieser Ausgabengruppe verantwortlich und verursachte 0,4 Prozentpunkte
der Gesamtinflation.

Die Heizölkosten sind in den letzten Jahren explodiert. So zeigte auch die Erhebung der
Salzburger AK-Konsumentenschützer im Juni, dass die Kosten für Heizöl seit März 2008 um
bis zu 28 Prozent gestiegen sind. Noch krasser der Vergleich mit dem Jahr 2003: in nur fünf
Jahren ist es zu einem Anstieg von über 180 Prozent oder mehr als 2.000 Euro gekommen.
Bei Heizöl extra leicht beträgt die Steigerung seit März 2008 fast 26 Prozent (gerechnet auf
1.000 Liter, sind das etwa 225 Euro), bei einer Abnahmemenge von 3.000 Litern gar mehr als
28 Prozent (rund 230 Euro). Vergleicht man, was 3.000 Liter Heizöl Extra leicht 2003
gekostet haben und was man heute dafür zahlt, so beträgt der Anstieg laut AK in diesen fünf
Jahren unglaubliche 183,49 Prozent, also Mehrkosten in der Höhe von 2.017,42 Euro!
Dass Salzburger Haushalte davon besonders betroffen sind, zeigen nachstehende Zahlen: 35
% der Salzburger Haushalte verwenden Heizöl, während der österreichweite Anteil nur bei
rund 25 % liegt.

Eine wesentliche Entlastung der Haushalte könnte die Senkung der Umsatzsteuer auf 10 %
bringen. Diese „Blachfellner-Initiative“ ist aber von Finanzminister Molterer abgelehnt
worden. Eine Senkung der Umsatzsteuer auf 10 % alleine bei den Heizkosten würde für
Salzburger Haushalte die Ersparnis von bis zu 10 Mio. Euro (!) pro Jahr bedeuten.


Auf Wünsche aus der burgenländischen Landespolitik nach einer sozialen Staffelung der
Energiepreise hat man bei der BEGAS bereits reagiert: Das Unternehmen will künftig einen
„Sozialtarif“ anbieten, den Bezugsberechtigte für den Heizkostenzuschuss des Landes
beantragen können.

Anspruch auf den Heizkostenzuschuss und damit auch auf den Sozialtarif bei Gas sollen rund
19.000 Burgenländer haben, deren Einkommen unter dem Ausgleichszulagenrichtsatz liegt
(derzeit 747 Euro für alleinstehende Personen, 1.120 Euro für Lebensgemeinschaften oder

Ehepaare sowie 78,29 Euro für jedes Kind), so der burgenländische Soziallandesrat Peter
Rezar.

Die EU-Mitgliedsstaaten könnten aber dafür sorgen, dass die einkommensschwächsten
Bevölkerungsgruppen nicht den Anschluss verlieren - und sie sollten auch entsprechend
handeln. Ein „Sozialtarif für den Grundbedarf an Energie“ wäre ein Beispiel für eine
gute Lösung (EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso).

Auf die Bedeutung einer sicheren Energieversorgung zu angemessenen Preisen für den
sozialen Zusammenhalt hat bereits die EU-Kommission mit ihrem Entwurf der „Charta der
Rechte der Energieverbraucher“ hingewiesen.

Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Wirtschaft und
Arbeit nachstehende

Anfrage

1.  Wie viele österreichische Haushalte (Personen) hatten nach Energielieferungen 2007 und
2008 (Stichtag 31.08.2008) Zahlungsschwierigkeiten bei ihrem EVU (Aufschlüsselung
der Anzahl auf Jahre und EVU)?

2.              Wie viele dieser Haushalte (Personen) sind nach den Bestimmungen des KSchG
(Mahnverfahren) von ihrem EVU abgemahnt worden (Aufschlüsselung der Anzahl auf
Jahre und EVU)?


3.              Wie viele Haushalte (Personen) sind 2007 und 2008 (31.08.2008) trotz Mahnung und der
Androhung einer Liefersperre in Verzug geblieben (Aufschlüsselung der Anzahl auf Jahre
und EVU)?

4.              Wie viele Haushalte (Personen) waren 2007 und 2008 (Stichtag 31.08.2008)
zahlungsunfähig bzw. zahlungsunwillig (Aufschlüsselung der Anzahl auf Jahre und

EVU)?

5.    Zu welchen unmittelbaren Konsequenzen führte diese Zahlungsunfähigkeit
(Aufschlüsselung der Anzahl auf Jahre und EVU)?

6.              Wie viele Haushaltsanschlüsse wurden deswegen 2007 und 2008 (Stichtag 31.08.2008)
vom Netz genommen und gesperrt (Aufschlüsselung der Anzahl auf Jahre und EVU)?
Wie viele Personen waren davon insgesamt betroffen?

7.              Welche Kosten werden in Österreich für eine Sperre und Wiederaufnahme der
Energielieferung verlangt (Aufschlüsselung auf EVU's)?

Welchen Betrag hält das Ressort für gerechtfertigt?

8.              Wie hoch ist in Österreich der durchschnittliche prozentuelle Anteil der Energieausgaben
an den privaten Konsumausgaben?

9.              Welche Maßnahmen werden Sie in Österreich gegen die aufkommende „Energiearmut“
ergreifen bzw. vorschlagen?

10.       Welche Haltung nimmt Österreich zur „Charta der Rechte der Energieverbraucher“ ein?
Welche Stellungnahmen wurden vom Ressort gegenüber der EU-Kommission abgegeben?

11.       Welche Haltung nehmen Sie zur Forderung eines Sozialtarifes für den Grundbedarf von
Energie ein?

Werden Sie eine diesbezügliche gesetzliche Regelung vorschlagen?
Wenn nein, warum nicht?

12.  Wie beurteilt das Ressort den Vorstoß von der BEGAS?

Ist dieser „Sozialtarif' aus Ressortsicht ein Vorbild für andere EVU's in Österreich?

13.  Inwieweit und in welcher Form können aus Sicht des Ressorts einkommensschwache
Haushalte bei der Finanzierung ökologischen Sparmaßnahmen (Energiesparen) unterstützt
werden?

Welche Förderungen werden Sie vorschlagen?