5000/J XXIII. GP

Eingelangt am 24.09.2008
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ANFRAGE

 

der Abgeordneten Öllinger, Grünewald, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Finanzen

 

betreffend Steuergutschrift oder Gewinnspiel, Info-Mail oder Brief, Information oder Wahlkampfaktivität?

 

Sie haben als Finanzminister im  Frühjahr 2007 davon gesprochen, dass „derzeit“, also im Frühjahr 2007, rund 500.000 BürgerInnen ihr Geld beim Finanzamt liegen lassen. Deshalb haben Sie – so wie ihre Amtsvorgänger – die SteuerzahlerInnen über Inserate darauf aufmerksam gemacht, dass sie sich ihre Steuergutschrift vom Finanzamt zurückholen können („Holen Sie sich Ihr Geld zurück!“).

 

Sie haben auch im Frühjahr 2008 die Öffentlichkeit darauf aufmerksam gemacht, dass fast 500.000 BürgerInnen  ihren Fiskus beschenken würden, indem sie keine Arbeitnehmerveranlagung machen.  Sie haben deshalb im Frühjahr 2008 wieder über eine Inseratenkampagne („Schenken Sie uns nichts!“) versucht, für eine Arbeitnehmerveranlagung zu werben. Damals hat Ihr Staatssekretär Matznetter den weisen Satz geprägt: „Aber bitte nicht alle auf einmal!“ (Die Presse, 7.3.08).

Sie hätten vielleicht etwas mehr auf Ihren Staatssekretär hören sollen! Im Herbst 2008, knapp vor den Nationalratswahlen, haben Sie nämlich eine neue Inseratenkampagne unter dem Titel „Automatisch Geld zurück: Steuergutschrift 2007“ geschaltet, in der Sie davon sprechen, dass „die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Finanzverwaltung“ die Steuergutschrift berechnet hätten und „mehr als  800.000 Bürgerinnen und Bürger“ in den nächsten Tagen von ihren Steuerguthaben informiert würden: “Das bin ich Ihnen schuldig“.

 

In dem darauf folgenden persönlichen Brief, den SteuerzahlerInnen von Ihnen erhalten haben, schreiben Sie: „Ihr zuständiges Finanzamt hat aus den vorliegenden Informationen eine STEUERGUTSCHRIFT für das vergangene Jahr in der Höhe von (es folgt ein persönlicher Betrag)....Euro für Sie errechnet. Dieses Geld steht Ihnen zu! Holen Sie es ab!“

 

Genau 801.425 SteuerzahlerInnen können laut „krone.at“ (13.9.08) bzw. den Berechnungen  Ihres Finanzministeriums über eine Arbeitnehmerveranlagung noch eine Steuergutschrift beim Finanzamt geltend machen.

 

Wir finden bemerkenswert:

-         Im Frühjahr 2007 und 2008 haben Sie die Zahl der BürgerInnen, die ihr Geld beim Finanzamt liegen lassen, auf 500.000 geschätzt. Im Herbst 2008 waren es trotz Inseratenkampagne vom Frühjahr  sensationelle 801.425 SteuerzahlerInnen. Wieso konnte diese Zahl trotz Inseratenkampagne steigen?

-         In Ihrem Brief vom September 2008 an die (vermutlich) 801.425 SteuerzahlerInnen sprechen Sie davon, dass das „zuständige Finanzamt“ die Steuergutschrift  errechnet habe. Warum informieren dann Sie und nicht das „zuständige Finanzamt“ von der Steuergutschrift?

-         In Ihrem Brief an die SteuerzahlerInnen sprechen Sie – wie das auch aus dubiosen Gewinn- und Glücksspielen geläufig ist –davon, dass der Gewinn, die Steuergutschrift, „für Sie errechnet“ worden sei: “Dieses Geld steht Ihnen zu. Holen Sie es ab! Wie Sie schnell zu Ihrem Geld kommen, lesen Sie bitte auf der Rückseite dieses Briefes“.  Sie geben kraft Ihres Amtes damit eine Garantie für die Steuergutschrift ab!

-         Der persönlich gehaltene Brief an SteuerzahlerInnen enthält Informationen, nämlich  die angebliche Steuergutschrift mit persönlichen Steuerdaten! § 48 a der Bundesabgabenverordung hält fest:

           „(4) Die Offenbarung oder Verwertung von Verhältnissen oder

            Umständen ist befugt,

            a) wenn sie der Durchführung eines Abgaben- oder Monopolverfahrens

           oder eines Finanzstrafverfahrens dient,

           b) wenn sie auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung erfolgt

           oder wenn sie im zwingenden öffentlichen Interesse gelegen ist

           oder

           c) wenn ein schutzwürdiges Interesse offensichtlich nicht vorliegt

          oder ihr diejenigen zustimmen, deren Interessen an der

           Geheimhaltung verletzt werden könnten.“

 

Vielleicht ist uns da etwas entgangen, aber soweit wir erkennen können, lag für die Offenlegung von Steuerdaten weder ein zwingendes öffentliches Interesse noch eine Zustimmung der Betroffenen vor. Außerdem fehlt – und das ist mehr als peinlich – eine DVR-Nummer, die zwingend vorgeschrieben ist nach dem Datenschutzgesetz (vgl. ARGE-Daten - Mitteilungen).

 

-         Nicht genug damit! Der Brief, den Sie an die SteuerzahlerInnen verschickt haben, wurde über die Österreichische Post AG als „Info-Mail“ aufgegeben. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Post AG sowie die allgemeinen Vertragsbedingungen der Bundesbeschaffungs GmbH für Direktwerbung sehen allerdings sehr klar vor, dass persönliche Briefe mit vertraulichen Daten (Rechnungen, Kontoauszüge) keine Info-Mails darstellen, die nur „vollkommen gleiche Daten“ enthalten dürfen: „..Sendungen mit nichtidentischen , individuellen, d.h. eine persönliche Botschaft enthaltenden Mitteilungen oder sonstigen Merkmalen, die keine Ordnungsnummer sind“(ABG Post, 1.2.5) gelten nicht als Info-Mail mit dem entsprechenden begünstigten Tarif. Gibt es irgendwelche unbekannten Privilegien des Finanzministeriums beim Postversand oder haben Sie bzw. das Finanzministerium hier willentlich Abgaben verkürzt?

-         Zu guter Letzt: wir wissen ja, dass es kurz vor Wahlen ein gesteigertes Bedürfnis Ihrerseits gibt, sich mit öffentlichen Mitteln in Szene zu setzen, aber warum müssen das Ihre tatsächlich sehr tüchtigen Bediensteten ausbaden? Über die Info-Mail, die keine ist, erreichen sie in wenigen Tagen viele SteuerzahlerInnen, die bei den „zuständigen Finanzämtern“ dann Anfragen und Rückfragen stellen, die eigentlich Sie beantworten sollten!

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

1). Wie viele Personen haben jeweils für die Jahre 2003, 2004, 2005,2006 und 2007 bis zum Stichtag dieser Anfrage keinen Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung gestellt, obwohl sie dafür die Voraussetzungen erfüllt haben?
 
2). Welche Beträge hat sich die öffentliche Hand jeweils für diese Jahre an rückzuzahlenden Lohnsteuern erspart? 
 
3). Wie hoch waren die Ausgaben für Öffentlichkeitsarbeit des Finanzministeriums bzw. der Finanzbehörden jeweils in diesen Jahren bzw. im Jahr 2008 bis zum Stichtag der Anfrage, um die SteuerzahlerInnen auf die Arbeitnehmerveranlagung bzw. Steuergutschriften aufmerksam zu machen?
 
4). Sie schreiben in Ihrem Inserat vom Herbst 2008: „Das bin ich Ihnen schuldig“ und im Brief: “Dieses Geld steht Ihnen zu. Holen Sie es ab!“. Sie gehen damit eine Verpflichtung gegenüber den SteuerzahlerInnen ein.  Können sich die SteuerzahlerInnen die von Ihnen als Finanzminister versprochene Summe bei Ihnen auch persönlich abholen bzw. diese Summe einklagen?
 
5). Warum erfolgte die Information an die SteuerzahlerInnen  durch das Finanzministerium und nicht durch die „zuständigen“ Finanzämter selbst?
 
6). Ist es durch die briefliche Information Ihrerseits zu Mehrbelastungen der Finanzämter bzw. diesbezüglichen Beschwerden der Bediensteten oder von SteuerzahlerInnen gekommen?
 
7). Warum enthält Ihr Brief, in dem persönliche Steuerdaten verarbeitet worden sind, keine DVR-Nummer?
 
8). Warum verschicken Sie Briefe, in denen entgegen § 48 der Bundesabgabenordnung  Abgabenverhältnisse verwertet werden, für die weder ein zwingendes öffentliches Interesse noch die Zustimmung der Betroffenen vorliegt?
 
9). Warum haben Sie diese Briefe über Info-Mail verschicken lassen, obwohl gemäss Vertragsbedingungen der Bundesbeschaffung GmbH bzw. allgemeinen Vertragsbedingungen der Post AG nicht die Voraussetzungen dafür vorhanden sind?
 
10). Haben Sie (bzw. Ihr Ministerium) bzw. die mit der Erstellung und dem Versand der Briefe Beauftragten gegenüber der Post AG Druck ausgeübt, um in den Genuss des günstigen Info-Mail-Tarifs zu kommen?