5004/J XXIII. GP

Eingelangt am 24.09.2008
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

der Abg. Mag. Johann Maier

und GenossInnen

an den Bundeskanzler

betreffend „EU-Innenminister und die 3.Säule - Datenaustausch mit den USA - Europäische Sicherheitspolitik“

Die EU-Innenminister (EU-Ministerrat) haben in den letzten Jahren - mitunter in Abstimmung mit der EU-Kommission - im Rahmen der 3.Säule (insbesondere zur Bekämpfung von Terrorismus und organisierter Kriminalität) Pläne und Rechtsakte. Dies ohne Einbindung des Europäischen Parlaments (EP) sowie der nationalen Parlamente der Mitgliedsstaaten.

Erst nachträglich wurde im Regelfall darüber berichtet und diese Pläne öffentlich präsentiert. Dies gilt auch für geplante Abkommen mit Drittstaaten, so beispielsweise mit den USA. So hat beispielsweise auch bei einem Abschluss von einem Übereinkommen i.S.d. Artikel 24 und 38 EUV das Europäische Parlament keine unmittelbaren Mitwirkungsrechte. Demokratiepolitisch kann dies nicht akzeptiert werden.

Ein klassisches Beispiel für diese politisch einseitige Vorgangsweise

Die unter der deutschen EU-Präsidentschaft von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und dem damaligen EU-Justizkommissar Franco Frattini im Januar 2007 gegründete Informal High Level Advisory Group on the Future of European Home Affairs Policy ("The Future Group") hat im Juni den Regierungen einen vertraulichen Bericht mit Empfehlungen für die Sicherheits- und Rechtspolitik von 2010 bis 2014 vorgelegt. Der Bericht „Freedom, Security, Privacy - European Home Affairs in an open world“, der mittlerweile Statewatch zugespielt und dort veröffentlicht wurde, plädiert für eine enge Verzahnung Europas mit den USA. So soll vor allem der Datenaustausch erleichtert werden, um den Terrorismus zu bekämpfen. Die USA hätten dann Zugriff auf weit mehr Daten von europäischen Bürgern, als dies bislang der Fall ist“ (heise 08.08.2008).

Medienberichten zufolge gab es aber auch Gespräche und Verhandlungen zwischen der EU und den USA im Rahmen der „High Level Contact Group on Information sharing and privacy and personal data protection“ (Die angeblich seit dem Jahre 2006 laufen).

Die österreichische Innenministerin - in den Medien zitiert - diese Linie von BM W. Schäuble und EU-Kommissar F. Frattini voll unterstützt. In wie weit dieser Positionierung eine innerstaatliche Koordinierung und Abstimmung in der Bundesregierung zugrunde lag, ist allerdings in diesem Zusammenhang in Österreich nicht bekannt.

Bemerkenswert allerdings die Stellungnahme der Innenministerin zur Anfrage 4795/J, in der u.a. ein geplanter Datenaustausch mit den USA angesprochen wurde.

Es gibt nach Ihrer Antwort noch kein Mandat für Verhandlungen bezüglich eines Datenaustausches mit den USA. Weiters gibt es auch seitens der EU keine Überlegungen zu einem derartigen Abkommen. Die Auskunft zur Mitsprache der Mitgliedstaaten und Parlamente ist klar:

Grundsätzlich müssen die Mitgliedstaaten der Aufnahme von Verhandlungen und dem Abschluss eines Übereinkommens i.S.d. Artikel 24 und 38 EUV zustimmen, wobei

Einstimmigkeit gefordert ist“... ... ... ... ... ... ... ... ... ....

Sofern ein derartiges Übereinkommen mit dem Ziel der Zusammenarbeit bei der Verhütung und Bekämpfung der organisierten oder nichtorganisierten Kriminalität einschließlich des Terrorismus abgeschlossen wird, erfolgt die Verhandlung und die Unterzeichnung durch den Rat vertreten durch den Vorsitz. Rechtsgrundlage für ein derartiges Abkommen sind die Artikel 24 und 38 des EUV“.

Deutschland hat bereits einem bilateralen Abkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika über die Vertiefung der Zusammenarbeit bei der Verhinderung und Bekämpfung schwerwiegender Kriminalität zugestimmt. Damit soll es zu einem verstärkten Austausch von Personendaten, Fingerabdrücken und DNA-Profilen kommen.

Der ehemalige Innenminister Günter Platter hat ein derartiges Abkommen grundsätzlich nicht ausgeschlossen.

Die unterzeichneten Abgeordneten richten an den Bundeskanzler nachstehende

Anfrage:

1.   Welche Position nimmt die Österreichische Bundesregierung zum zit. Bericht „Freedom, Security, Privacy - European Home Affairs in an open world” ein?

2.   In welchem Ministerrat wurde darüber berichtet?
Gibt es dazu einen offiziellen Ministerratsbeschluss?
Wenn ja, wann wurde dieser gefasst?

Wenn nein, gibt es dazu überhaupt eine offizielle Zustimmung der österreichischen Bundesregierung?

Oder stellt die im Einleitungstext zitierte Zustimmung der Innenministerin nur deren persönliche Meinung dar?

3.              Gab es hinsichtlich dieses zit. Berichts eine Koordinierung zwischen den damit zuständigen Bundesministerien (BMJ und BMI) und dem Bundeskanzleramt?
Wenn nein, warum nicht?

4.      Werden die in der EMRK und in der österreichischen Bundesverfassung festgelegten Grundsätze zu Datenschutz und Privatsphäre im Bericht „Freedom, Security, Privacy - European Home Affairs in an open world“ eingehalten?

In welchem Umfang wird nach den Schlussfolgerungen in Grundrechte eingegriffen werden?

5.              In wie weit hätten die USA damit Zugriff auf Daten Europäischer Bürger?
Welche Kontroll- und Rechtsschutzgarantien sind zum Schutz der Privatsphäre Europäischer Bürger vorgesehen?

6.              Hat bzw. wird Österreich der Aufnahme von Verhandlungen mit USA im Sinne der Schlussfolgerungen des Berichts „Freedom, Security, Privacy - European Home Affairs in an open world“ zustimmen?

Wenn ja, wer hat dies in Österreich formal zu beschließen?
Wann soll dies erfolgen?

8.    Teilen Sie die Antwort der Bundesministerin für Inneres zur 1.Frage - gerade in Anbetracht internationaler Medienberichte 2008 - in der AB 4593 vom 14.08.2008? Wenn nein, welche Position vertritt das BKA?

Wenn ja, welche Wünsche der USA zum Datenaustausch mit der EU wurden an die EU- Kommission bzw. die Mitgliedsstaaten (so auch an Österreich) herangetragen?

9.    Wie beurteilen Sie dann die Medienberichte aus Großbritannien (z.B. Guardian) und den USA (z.B. Washington Post, nytimes) in denen übereinstimmend von einem zukünftigen Abkommen zum Datenaustausch zwischen der USA und der EU die Rede ist?

Über welche Informationen verfügen sie darüber?

10.  Ist es richtig, dass die EU-Innenminister grünes Licht für Verhandlungen der EU- Kommission mit den USA über die Abschaffung der Visapflicht für alle EU-Bürger gegeben haben, wobei gleichzeitig personenbezogene Daten ausgetauscht werden sollen?


11.       In welchem Ministerrat wurde über diese Verhandlungen berichtet?
Gibt es dazu einen offiziellen Ministerratsbeschluss?

Wenn ja, wann wurde dieser gefasst?

12.  Ist es in diesem Zusammenhang richtig, dass die USA für die „Visa-Freiheit“ aller EU- Bürger Zugriff auf Polizeidatenbanken der EU bzw. die Mitgliedsstaaten verlangt haben?

13.  Ist es richtig, dass allein die Europäische Kommission mit der US-Regierung über Visa-freie Reisen für alle EU-Bürger verhandeln soll?

Wenn nein, in welcher Form sind die Mitgliedsstaaten eingebunden?

14. Sind Sie der Auffassung, dass eine gemeinsame Datenschutz-Richtlinie zwischen der EU und den USA, notwendig ist?

Wenn ja, wie ist der Stand der Verhandlungen bzw. der Gespräche mit den USA?
Welche Informationen liegen dem BKA und dem BMI vor?

15. Ist es richtig, dass die Zoll- und Grenzschutzbehörde der Vereinigten Staaten ohne deutliche öffentliche Ankündigung begonnen haben, Pass-Ausweisdaten aller einreisenden Personen so auch Österreicher zu registrieren?

Welche Informationen liegen den BKA und dem BMI dazu vor?

16.     Wie beurteilen Sie bilaterale Abkommen, die zwischen den USA und einzelnen EU- Mitgliedsstaaten zum Datenaustausch abgeschlossen werden (z.B. Deutschland)?
Halten Sie dies aus europäischer Sicht für sinnvoll?

17.     Ist es richtig, dass dabei in den USA die Daten von Ausländern 75 Jahre lang gespeichert werden sollen?

Wenn ja, gibt es dafür eine Zustimmung der Europäischen Union?