517/J XXIII. GP
Eingelangt am 13.03.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
des Abgeordneten Alexander Zach
und weiterer Abgeordneter
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend Umsetzung der Richtlinie zur verdachtsunabhängigen Vorratsdatenspeicherung
Die Europäische Konvention zum Schutz der
Menschenrechte und die Österreichische
Verfassung mit
dem Brief- und Fernmeldegeheimnis schützen
die Privatsphäre jedes einzelnen Menschen. Art. 10a
des Staatsgrundgesetzes (StGG) garantiert das Recht auf unbeobachtete
elektronische
Kommunikation (Kommunikationsgeheimnis), das auch das Recht umfasst,
unbeobachtet seinen
Kommunikationspartner auswählen zu dürfen. Der im Verfassungsrang stehende Artikel 1 des
DSG
definiert ein Grundrecht auf Datenschutz: „Jedermann
hat, insbesondere auch im Hinblick auf die
Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn
betreffenden
personenbezogenen Daten [...]"
Eingriffe in
diese Grundrechte durch staatliche Behörden sind nur nach den Bestimmungen des Art. 8
Abs. 2 der EMRK zulässig - und auch in diesen zulässigen Fällen darf der Eingriff in das
Grundrecht
jeweils nur in der gelindesten, zum
Ziel führenden Art vorgenommen werden.
Aufgrund der Terroranschläge in Madrid
und London gelang es unter britischer Ratspräsidentschaft
den höchst umstrittenen und zuvor vom europäischen Parlament einstimmig
abgelehnten Vorstoß zur
Vorratsspeicherung der
Telekommunikationsverbindungsdaten durchzubringen. Nach einem
Gespräch der EU-Parlamentarier mit dem
britischen Innenminister Charles Clarke beschloß das EU-
Parlament in der Plenarsitzung vom
14.12.2005 die permanente und verdachtsunabhängige
Überwachung der gesamten Bevölkerung der Europäischen Union.
Am 21.2.2006 segneten die Justiz- und Innenminister
der EU-Länder die Richtlinie ohne weitere
Aussprache ab. Irland und die Slowakei stimmten gegen die Richtlinie, weil sie
das
Richtlinienverfahren formal anzweifeln (es
reichte aber eine qualifizierte Mehrheit der Stimmen der
Ratsmitglieder). Eine Klage der
beiden Länder beim Europäischen Gerichtshof ist bereits anhängig.
Im Hinblick auf eine allfällige Umsetzung der Richtlinie
2006/24/EG, den damit verbunden
Einschränkungen der Grundrechte und
einer immensen Kostenbelastung für Konsumenten und
Telekommunikationsunternehmen richten die unterfertigten Abgeordneten an die
Bundesministerin für
Justiz folgende
Anfrage:
1) Für wann planen Sie die
Umsetzung der Richtlinie - auch im Hinblick auf das laufende
Verfahren vor dem EuGH?
a) für Daten, die bei der Nutzung von Handys oder Festnetztelefonen anfallen?
b) für Daten, die bei der Nutzung von Internet-E-Mail und Internet-Telefonie anfallen?
c) Wie schätzen Sie die Erfolgsaussichten der
EuGH-Klagen von Irland und der Slowakei
gegen die Richtlinie ein?
2) Wie lange sollen diese verdachtsunabhängig
gespeicherten Daten über das
Kommunikationsverhalten der Bürgerinnen und Bürger aufbewahrt werden? Für welche
Speicherfrist (gemäß Artikel 6 der Richtlinie) treten Sie ein?
3)
Ist für die Umsetzung der Richtlinie ein
Eingriff in die verfassungsmäßig garantierten
Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger erforderlich?
a) Falls ja, welche
Bestimmungen im Verfassungsrang müssen aufgehoben bzw. geändert
werden?
4) Wieviele Bürgerinnen und Bürger sind in Österreich nach der Umsetzung der
Richtlinie von
der verdachtsunabhängigen
Speicherung ihres Telekommunikationsverhalten betroffen?
5)
Zur Bekämpfung welcher Straftaten bzw.
Bedrohungen ist es Ihrer Einschätzung nach
gerechtfertigt, einen derartigen
Eingriff in die Grundrechte vorzunehmen?
6) Sollen auf die gespeicherten
Kommunikationsdaten auch bei anderen, leichteren Straftaten
zugegriffen werden dürfen?
7) Erhalten Rechteinhaber, Verwertungsgesellschaften
oder in deren Auftrag tätige
Organisationen, Firmen oder Personen im
Zuge von behaupteten Urheberrechtsverletzungen
Zugriff oder Auskünfte über Daten, die im Rahmen der
Vorratsdatenspeicherung erfasst
wurden?
a) Falls ja,
unter welchen Auflagen und Bedingungen (zB gerichtliche Genehmigung,
gewerbliche
Urheberrechtsverletzung)?
8)
Werden
auch private oder nicht-professionelle/nicht-kommerzielle Anbieter von öffentlichem
Internetzugängen (z. B. Privatperson mit
offenem WLAN, Kaffeehaus mit offenem WLAN,
kostenloser, öffentlicher
Hotspot eines Vereins, etc) zur Speicherung der Standort- und
Verkehrsdaten verpflichtet?
9) Wird im Zuge der
Vorratsdatenspeicherung erfasst, wann, wie oft und von welchem Ort aus
eine Bürgerin/ein Bürger
a) Dienste wie die Telefonseelsorge (142) oder Rat auf Draht (147) nutzt?
b) mit berufmäßigen Parteienvertretern
(Rechtsanwälte, Steuerberater)
telefonisch oder per E-
Mail kommuniziert?
c) mit welchem Arzt telefonisch oder per E-Mail kommuniziert?
10)
Wird im
Zuge der Vorratsdatenspeicherung erfasst, wann, wie oft und von welchem Ort aus
ein Informant mit einem Vertreter der
Presse telefonisch oder per E-Mail kommuniziert?
11)
Sind von der
Vorratsdatenspeicherung Telefonate und der E-Mail-Verkehr von
Bundespräsident, den Mitgliedern der österreichischen Bundesregierung und
den Mitgliedern
von Nationalrat und Bundesrat
betroffen?
12)
Sind von
der Vorratsdatenspeicherung Telefonate und der E-Mail-Verkehr von Sicherheits-
und Militärbehörden betroffen?
13)
Sind Ausnahmen von der
allgemeinen Speicherpflicht für besondere Behörden,
Institutionen,
Firmen, Personen, Angehörige bestimmter Berufsgruppen oder
sonstige Ausnahmen geplant?
a) Falls die zur
Vorratsdatenspeicherung verpflichteten Betriebe ausnahmslos von allen
Kunden Kommunikationsdaten speichern müssen, sind Verwertungsverbote von über
bestimmte Behörden, Institutionen, Personen, Angehörige
bestimmter Berufsgruppen
gespeicherte Daten vorgesehen?
14)
Sollen
Betroffene das Recht erhalten, die über Sie erhobenen Daten einzusehen? Sollen sie
ein Recht auf Löschung oder
Korrektur fehlerhafter oder nicht durch Sie verursachte Daten
haben, wie diese zB bei offenen (privaten)
WLANs, Trojanern, Adware, etc anfallen können?
15)
Derzeit
ist es Telekommunikationsanbietern untersagt, Daten zu erheben, die nicht für die
Abrechnung erforderlich sind. Die für die Abrechnung gespeicherten Daten dürfen nicht für
andere Zwecke verwendet werden und müssen danach gelöscht werden. Dürfen die nach
Umsetzung der Richtlinie zur
umfangreichen Datenspeicherung verpflichteten
Telekommunikationsunternehmen diese Daten
a) zu eigenen Zwecken (Kundenprofile, Marketing) verwenden?
b) anderen Unternehmen oder
Personen zugänglich machen? Falls ja,
unter welchen
Bedingungen?
c) in zivilrechtlichen Streitigkeiten
zwischen Telko-Anbieter und Kunde verwendet werden?
Falls ja, unter welchen Bedingungen?
d) in zivilrechtlichen Angelegenheiten
zwischen Kunden und Dritten verwendet werden? Falls
ja, unter welchen Bedingungen?
c) Wie sollen allfällige Nutzungsverbote kontrolliert und durchgesetzt werden?
16)
Können Sie
ausschliessen, dass die erhobenen Überwachungsdaten -wie bei der illegalen
Weitergabe von über 100 Millionen europäischen Bank-Überweisungsdaten
an den US-
Geheimdienst CIA passiert (Fall SWIFT) - ausländischen
Geheimdiensten oder Behörden
ohne jegliche Kontrollierbarkeit zugänglich gemacht werden? Welche Maßnahmen
sind
geplant, um derartigen Missbrauch zu verhindern?
17)
Halten
Sie die Vorratsdatenspeicherung für geeignet um Terrorismus oder organisiertes
Verbrechen zu verhindern?
18)
Werden
Vertreter der ISPA (Internet Service Providers Austria) im Zuge der Umsetzung
konsultiert?
19)
Werden
Vertreter der ArgeDaten und/oder von VIBE (Verein der Internet-Benutzer
Österreichs) im Zuge der Umsetzung konsultiert?
20) Sollen neben Fest- und
Mobilfunktelefonaten, SMS, EMS und MMS, Internet-E-Mail und
Internet-Telefonie von weiteren
elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten die
entsprechenden Standort- und Verkehrsdaten gespeichert werden (zB Nutzung von
Chatrooms)?
21) Wer soll die Kosten für Vorratsdatenspeicherung übernehmen?
22) Gibt es bereits einen Entwurf für die Umsetzung der Richtlinie in nationales Gesetz?
a) Falls ja, wie lautet dieser?
b) Falls nein, für wann ist die Fertigstellung eines Entwurfes geplant?
23) Ist Ihnen bekannt, dass sogenannte
Wertkartenhandys auch anonym genutzt werden können
und bei häufigem
Wechseln von Handy und SIM-Karte (immer andere IMSI und IMEI) die
Vorratsdatenspeicherung ins Leere läuft?
24) Ist Ihnen bekannt, dass bei Internet-Telefonie die
Richtlinie einfach und von jedermann
umgangen werden kann, indem der Konsument
zB einen Diensteanbieter mit Sitz ausserhalb
der EU wählt?
25) Ist Ihnen bekannt, dass die Erfassung
von Standort- und Verkehrsdaten im Zuge des E-Mail-
Versands auf einfachstem Wege umgangen
werden kann, indem man einen Anbieter aus
einem Land wählt, dass seinen Bügerinnen und Bürger noch unbeobachtete Kommunikation
gestattet?
26) Soll die Nutzung von
Anonymisierungsdiensten (z.B. Java Anon Proxys (JAP) oder TOR-
Netzwerk) verboten werden oder die Provider verpflichtetet werden, deren
Nutzung durch
technische Maßnahmen zu verhindern?
27) Soll die anonyme Nutzung von Telefonzellen oder Internet-Cafes verboten werden?
28) Glauben Sie, dass Terroristen oder
Mitglieder krimineller Vereinigungen unter Rücksicht auf
die Vorratsdatenspeicherung ihre Handys (mit korrekten Daten) anmelden oder stets
E-Mail-
Dienstleister wählen, die
der Datenspeicherpflicht unterliegen?
29) Halten Sie die Richtlinie für geeignet, die in Artikel 1 Absatz 1
der Richtlinie genannten Ziele
zu erreichen?
30) Halten Sie die Richtlinie für sinnvoll?
a) Falls ja, warum?
b) Falls nein, was werden Sie dagegen unternehmen?
31) Werden Sie - falls der EUGH die Richtlinie für
ungültig erklärt - trotzdem für die
Umsetzung in
nationales Recht eintreten?