523/J XXIII. GP

Eingelangt am 15.03.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

 

 

der Abgeordneten Mag. Darmann, Scheibner
Kolleginnen und Kollegen

an die Bundesministerin für Justiz

betreffend Haftentlastungspaket als Sicherheitsrisiko

Justizministerin Dr. Berger stellte der Öffentlichkeit am 28. Februar 2007 ein Haftentlas- tungspaket vor, das mit seinen Ankündigungen nur als Anschlag auf die öffentliche Sicherheit bezeichnet werden kann.

Auf einen starken Anstieg der Häftlingszahlen mit einem Programm zur vorzeitigen Entlas- sung von Straftätern zu reagieren statt mit einem Programm zur Bekämpfung der hohen Kri- minalität erscheint schon im Ansatz verfehlt. Noch seltsamer erscheint dies vor dem Hinter- grund, dass auch die Bundesministerin für Justiz offen zugibt, der Anstieg der Haftzahlen in den letzten fünf Jahren gehe auf nichtösterreichische Häftlinge zurück und evident ist, dass diese zu einem hohen Anteil organisierte Berufsverbrecher sind.

Wenn für „mehr Sicherheit durch weniger Haft" argumentiert wird und sowohl kurze als auch lange Freiheitsstrafen kritisiert werden stellt sich schon die Frage, welche gleichwertigen Al- ternativen die Justizministerin zu bieten hat. Ein Blick in das Konzept zeigt, dass - soweit es sich nicht um ohnehin schon unter BZÖ-Ministerschaft vorbereitete anerkannte Maßnahmen wie die Verstärkung der Bemühungen zur Übernahme des gesamten Strafvollzugs durch den Heimatstaat, gemeinnützige Arbeit statt Ersatzfreiheitsstrafen, elektronisch überwachten Hausarrest oder eine breitere Straf-Palette handelt - keine wirksamen Alternativen, sondern nur Erleichterungen für Straftäter angedacht werden wie z.B.

              eine deutliche Ausweitung der bedingten Entlassung und Zurückdrängung der richterli- chen Zuständigkeit für die Entscheidung - das bedeutet eine drastische Kürzung der durchschnittlichen Haftzeit ohne Rücksicht auf generalpräventive Erfordernisse;

              einen Ausweitung der Möglichkeit der Umwandlung von Freiheitsstrafen in Geldstrafen - das bedeutet 1.080,— Euro Geldstrafe statt neun Monate Haft für „mittellose" Straftä- ter;

              eine besondere Erleichterung der bedingten Entlassung für nicht aufenthaltsverfestigte Drittstaatsangehörige gekoppelt mit einem Aufenthaltsverbot - das bedeutet kürzere Haftzeiten für Nicht-EU-Bürger als für EU-Bürger und Inländer und ist bei Freizügig- keit und offenen Grenzen in der EU in der Umsetzung zweifelhaft;

              freiwillige gemeinnützige Arbeit statt Freiheitsstrafen von bis zu sechs Monaten - damit wird die ohnehin erst bei gravierenden oder mehrfachen Straftaten verhängte kurze Freiheitsstrafe offenbar unabhängig vom Vorstrafregister beseitigt, der Straftäter darf sich die Strafe aussuchen, die ihm lieber ist;

              eine allgemeine Amnestie im Jahr 2008 im Gedenken an die Gründung der ersten Re- publik - und das auch bei einem Anteil ausländischer Häftlinge ohne Bezug zu Öster- reich von nahezu der Hälfte und ohne Rücksicht auf das Unverständnis der Bevölkerung für die Kürzung richterlich verhängter Strafen und

              eine unrealistische Einschränkung der Qualifizierung von Straftaten als gewerbsmäßig - Indizien wie speziell gestaltete Tatwerkzeuge etc. sollen nicht mehr reichen sondern

Gewerbsmäßigkeit erst ab zumindest drei gleichartigen nachgewiesenen Taten ange- nommen werden dürfen.

In diesem Zusammenhang richten die unterzeichneten Abgeordneten an die Frau Bundesmi- nisterin für Justiz folgende

Anfrage:

1.   Wieviele Hafttage sollen mit Ihrem Haftentlastungspaket künftig jährlich eingespart werden?

2.                         Wieviele der eingesparten Hafttage entfallen dabei jeweils auf welche der geplanten Maßnahmen?

3.                         Werden Sie das Projekt einer zweiten Justizanstalt in Wien verwirklichen? Wenn ja, wie viele Haftplätze sind dort vorgesehen und wann werden sie zur Verfügung stehen?

4.                         Welcher Anstieg der Zahl bedingter Entlassungen soll mit der angestrebten Änderung erreicht werden?

5.                         Die Generalprävention - also die Abschreckung anderer Menschen von der Begehung einer Straftat durch die sichtbare Reaktion des Staates - ist als Strafzweck ebenso aner- kannt wie die Spezialprävention; aus welchen Überlegungen heraus soll sie nun zurück- gedrängt werden?

6.                         Wie beurteilen Sie die Wirksamkeit der bedingten Nachsicht einer in Österreich ver- hängten Strafe für einen ausländischen Berufsverbrecher, der sein Tätigkeitsfeld ohne weiteres in andere Länder verlagern kann?

7.                         Welche Maßnahmen werden Sie setzen, um angesichts der Entwicklung zu immer mehr organisierter und berufsmäßiger Kriminalität eine stärkere Differenzierung bei der Be- handlung unterschiedlicher Tätergruppen vorzunehmen, anstatt ausländische Berufsver- brecher mit derselben Milde zu behandeln wie gestrauchelte inländische „Normalbür- ger" und Täter von Verkehrsdelikten?

8.                         Wird bei der Ausweitung der Möglichkeit der Verhängung einer Geld- statt einer Frei- heitsstrafe um die Hälfte wenigstens ausgeschlossen, dass diese Vergünstigung auch bei Straftätern eingesetzt wird, die über kein nachweisbares legales Einkommen verfügen und damit eine neunmonatige Haftstrafe durch eine Zahlung von nur 1.080,— Euro (z.B. aus dem nächsten Einbruch) abwenden könnten?

9.                         Wie ist der Vorschlag einer Begünstigung nicht aufenthaltsverfestigter Drittstaatsange- höriger gegenüber nicht-österreichischen EU-Bürgern und Österreichern gleichheits- rechtlich zu beurteilen?

10.                  Halten Sie es für zumutbar, die Herkunftsländer mit Kriminellen zu konfrontieren, die eine über sie verhängte Freiheitsstrafe noch gar nicht abgesessen haben und damit prak- tisch Kriminalität nach dem Florianiprinzip zu exportieren?

11.                  Wie soll die angestrebte freiwillige Ausreise der vorzeitig enthafteten drittstaatsangehö- rigen Straftäter wirksam kontrolliert werden? Ist hier insbesondere an die Verhängung von Schubhaft gedacht?

12.                  Wie soll sichergestellt werden, dass keine vorzeitige Enthaftung erfolgt, wenn die frei- willige Ausreise wegen des Non-Refoulement-Prinzips nicht durchgesetzt werden kann und der Straftäter dann bei verkürzter Haftzeit in Österreich verbleiben würde?

13.                   Wie soll in Fällen unbekannter Staatsangehörigkeit oder der Weigerung des vermeintli- chen Heimatstaates, den Straftäter zurückzunehmen, oder einem aufrechten Aufenthalts- titel für ein anderes EU-Land jeweils konkret vorgegangen werden?

14.                   Wie soll bei offenen Grenzen innerhalb der EU und einer Grenzkontrolle außerhalb Ös- terreichs sichergestellt werden, dass das Aufenthaltsverbot für Österreich auch tatsäch- lich eine Wiedereinreise jedenfalls verhindert?

15.                   Welche Kosten werden durch die geplante vorzeitige Entlassung der ausländischen Straftäter aus dem Bereich der Justiz in den Bereich der Inneren Sicherheit durch Aus- weitung der Kontrolltätigkeit der Polizei - um die Einhaltung des Aufenthaltsverbotes effektiv kontrollieren und die österreichische Bevölkerung erneut vor den bereits einmal verhafteten Straftätern schützen zu können - verschoben?

16.                   Weshalb haben Sie angesichts von 2.630 tatverdächtigen Polen im Jahr 2004 zuge- stimmt, dass Polen eine fünfjährige Übergangsfrist für die Umsetzung des EU- Rahmenbeschlusses betreffend die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen An- erkennung von Urteilen in Strafsachen, durch die Haftstrafen oder freiheitsentziehende Maßnahmen verhängt werden, zum Zweck der Vollstreckung in der Europäischen Uni- on erhält?

17.                   Wieviele Häftlinge mit polnischer Staatsbürgerschaft gibt es derzeit in Österreich?

18.                   Wieviele Häftlinge mit österreichischer Staatsbürgerschaft gibt es derzeit in Polen?

19.                   Wie groß wird der Entlastungseffekt für die österreichischen Justizanstalten durch den Rahmenbeschluss ohne Wirksamkeit für Polen für die ersten fünf Jahre noch sein?

20.                   Mit welchen Heimatstaaten ausländischer Straftäter gibt es derzeit welche Probleme, die einer Übernahme des Strafvollzugs im Wege stehen?

21.                   Welche konkreten Schritte werden Sie setzen, um die Übernahme des Strafvollzuges durch diese Staaten zu verbessern, zumal in diesem Fall der Vollzug der Strafe sicherge- stellt ist, was einer vorzeitigen Entlassung in Österreich ohne weiteren Vollzug im Hei- matstaat doch jedenfalls vorzuziehen ist?

22.                   Welche konkreten Formen gemeinnütziger Arbeit werden als Ersatz für eine Freiheits- strafe von bis zu sechs Monaten vom Straftäter gewählt werden können, wenn gleichzei- tig Ziel Ihrer Initiative sein soll, Straftäter nicht durch kurze Haftstrafen aus ihren sozia- len Bezügen herauszureißen (Blasmusik statt Sitzen)?

23.                   Ist eine Wahlmöglichkeit des Straftäters nicht das sicherste Mittel, um ihm jedenfalls die ihn weniger abschreckende Strafe zukommen zu lassen?

24.                   Soll diese Wahlmöglichkeit auch mehrfach vorbestraften Straftätern offen stehen, bei denen die Richter gerade wegen der Wirkungslosigkeit weniger schmerzhafter Strafen als der Freiheitsstrafe bewusst zu dieser gegriffen haben?

25.        Soll die Amnestie 2008 so aussehen wie die Amnestie 1995, die - rechtsstaatlich durch- aus bedenklich - in großem Umfang richterlich verhängte Strafen mit einem Akt des Gesetzgebers verkürzte, auch Schwerkriminelle begünstigte und z.B. ohne Einzelfall- prüfung auch Tätern einen Rechtsanspruch auf vorzeitige Entlassung gewährte, die für eine Begnadigung oder bedingte Entlassung nie in Frage gekommen wären?

26.                   Wenn nein, worin soll sich die angestrebte Amnestie 2008 von der Amnestie 1995 un- terscheiden?