558/J XXIII. GP

Eingelangt am 23.03.2007
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Lunacek, Freundinnen und Freunde

 

an die Bundesministerin für europäische und internationale Angelegenheiten

 

betreffend Diskriminierung von gleichgeschlechtlich verheirateten  Bediensteten des Europäischen Patentamtes (EPA)

 

 

Gemäss nunmehr ständiger Rechtsprechung des Verwaltungs-                            gerichtes der ILO (judg. 2590, 2550, 2549, 2443; http://www.ilo.org/public/english/tribunal/guidefj.htm) sind internationale Organisationen, wie das EPA, verpflichtet, gleichgeschlechtliche Ehen ihrer Bediensteten ebenso und gleichermaßen anzuerkennen wie verschiedengeschlechtliche Ehen.

 

In diesem Sinne hat der Verwaltungsrat des Europäischen Patentamtes (EPA) im Oktober 2004, mit Zustimmung der österreichischen Delegation, die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Ehen beschlossen, die nach dem Recht eines der Mitgliedstaaten formell anerkannt sind (98. Sitzung). Der Präsident des EPA ist diesem Beschluss nachgekommen und hat im November 2004 die rückwirkende Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehen der Bediensteten des Amtes verfügt (Communiqué No. 28, 20.12.2004).

 

Anders als die beiden anderen EPA-Sitzstaaten (Niederlande und Deutschland) weigert sich die Republik Österreich, ihren Verpflichtungen aus dem Dienstsitzabkommen mit dem EPA (vom 2. Juli 1990) nachzukommen, Familienangehörigen von Bediensteten des EPA die Einreise und den Aufenthalt der EhepartnerInnen von Bediensteten zu erleichtern (Art. 13 Abs. 1 lit. d), diese von Einreisebeschränkungen zu befreien (Art. 14 Abs. 1 lit. e) und die allenfalls benötigten Sichtvermerke so rasch als möglich auszustellen (Art. 13 Abs. 2).

 

Das Außenministerium lehnt es ab, die gleichgeschlechtlichen EhepartnerInnen ihrer Bediensteten als solche anzuerkennen und diesen EhepartnerInnen durch die Ausstellung des dafür von der österreichischen Rechtsordnung vorgesehenen Lichtbildausweises für Träger von Privilegien und Immunitäten (§ 95 FPG, BGBl I 2005/100; VO 21.03.2003 BGBl 189/2003) den Mitzug mit dem/der Bediensteten und den Aufenthalt in Österreich zu ermöglichen (so im Schreiben des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten vom 29.11.2004, GZ 2220.125/0031e-I.2/2004).

 

Diese Verweigerung beruht ausschließlich auf der Gleichgeschlechtlichkeit der EhepartnerInnen. Das stellt eine offene Diskriminierung auf Grund des Geschlechts und der sexuellen Orientierung dar (ILO-Verwaltungsgericht, judg. 2590, par. 7). Eine Diskriminierung, die die Parlamentarische Versammlung des Europarates als besonders abscheulich und als eine der abscheulichsten Formen von Diskriminierung verurteilt (Opinion 216 (2000); Rec. 1474 (2000) (par. 7)) und die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als ebenso schwerwiegend und inakzeptabel qualifiziert wie Diskriminierung auf Grund von Religion, Rasse, Hautfarbe oder ethnische Herkunft (Lustig-Prean & Beckett vs. UK 1999 (par. 90); Smith & Grady vs. UK 1999 (par. 97); Salgueiro da Silva Mouta vs. Portugal 1999 (par. 36); L. & V. v. Austria 2003 (par. 45, 52); S.L. v. Austria 2003 (par. 37, 44); Karner vs. Austria 2003 (par. 37) u.a.).

 

Da es Bediensteten des EPA nicht zumutbar ist, ihre EhepartnerInnen zurück zu lassen sind diese durch die offene Diskriminierung seitens der Republik Österreich daran gehindert, am Dienstsitz Wien tätig zu werden; ganz im Gegensatz zu verschiedengeschlechtlich verheirateten Bediensteten, deren EhepartnerInnen  problemlos mitziehen können.

 

Durch die bisherige starre und uneinsichtige Haltung des Außenministeriums laufen internationale Organisationen wie das EPA  Gefahr, an österreichischen  Standorten ihrer gerichtlich angeordneten Verpflichtung zur Sicherstellung der Gleichbehandlung ihrer Bediensteten und zum Schutz derselben gegen Diskriminierung nicht mehr nachkommen können. Dies gefährdet den Standort Österreich als Sitz internationaler Organisationen.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

1. Ist Ihnen die beschriebene Problematik gleichgeschlechtlicher EhepartnerInnen von Bediensteten internationaler Organisationen wie des EPA bekannt? 

 

Wenn ja: seit wann und wodurch?   

Wenn nein: warum nicht und wieso kannten Sie das Schreiben vom 

        29.11.2004, GZ 2220.125/0031e-I.2/2004, nicht?

 

2. Werden Sie dafür Sorge tragen, dass gleichgeschlechtliche EhepartnerInnen von Bediensteten internationaler Organisationen wie des EPA fortan nicht mehr diskriminiert werden und den in der VO 21.03.2003 BGBl 189/2003 vorgesehenen Lichtbildausweis erhalten?

 

Wenn ja: welche Maßnahmen werden Sie konkret wann dafür setzen und

    ab wann können diese EhepartnerInnen die Lichtbildausweise

    erhalten?   

Wenn nein: warum nicht?

 

3. Wenn Sie die Frage 2 mit Nein beantworten: Auf welcher Grundlage schliessen Sie gleichgeschlechtliche EhepartnerInnen aus dem Begriff „Familienangehörige“ des EPA-Dienstsitzabkommens aus, zumal internationale Verträge nicht einseitig anhand des innerstaatlichen Rechts einer Vertragspartei ausgelegt werden können?

 

4. Wenn Sie die Frage 2 mit Nein beantworten: was spricht dagegen, eine internationale Organisation wie das EPA selbst entscheiden zu lassen, wer Familienangehöriger ihrer Bediensteten ist, zumal dann wenn deren Definition auf einer Verpflichtung infolge der Judikatur eines internationalen Gerichts, wie des ILO-Verwaltungsgerichtes, basiert?  

 

5. Wenn Sie die Frage 2 mit Nein beantworten: Was ist für Sie an der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Ehepaare so eminent wichtig, dass Sie dafür sogar die Brüskierung internationaler Organisation wie des EPA und die Konfrontation mit diesen Organisationen in Kauf nehmen, die auf Grund Ihres starren Festhaltens an der offenen Diskriminierung in Konflikt mit ihrer eigenen Verpflichtung kommen, die Gleichbehandlung ihrer gleichgeschlechtlich verheirateten Bediensteten sicherzustellen.

 

6. Wenn Sie die Frage 2 mit Nein beantworten: Sehen Sie keine Beeinträchtigung der Reputation Österreichs und keine Gefährdung des Standorts Österreich als Dienstsitz internationaler Organisationen wie des EPA, wenn diese internationalen Organisationen an österreichischen  Standorten ihrer gerichtlich angeordneten Verpflichtung zur Sicherstellung der Gleichbehandlung ihrer Bediensteten und zum Schutz derselben gegen Diskriminierung nicht mehr nachkommen können?

 

Wenn Sie eine Gefährdung sehen: welche konkreten Konsequenzen werden Sie daraus ziehen?

                   Wenn Sie keine Gefährdung sehen: warum nicht?

 

7. Wenn Sie die Frage 2 mit Nein beantworten: Werden Sie angesichts der Meinungsverschiedenheit mit dem EPA über die Auslegung des Begriffes „Familienangehöriger“ ein Streitbeilegungsverfahren gem. Art. 21 des Dienstsitzabkommens einleiten?

 

                   Wenn ja: wann?

                   Wenn nein: warum nicht?