581/J XXIII. GP
Eingelangt am 29.03.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Steier und GenossInnen
an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft betreffend AWG-Novelle 2007
Die derzeit in Begutachtung befindliche Abfallwirtschaftsgesetz-Novelle 2007 (AWG 2007) sieht u.a. vor, dass Sammel- und Verwertungssysteme spätestens sechs Monate nach Aufnahme des Betriebs eine finanzielle Sicherstellung im Ausmaß der halben Jahreskosten für Sammlung und Verwertung zu leisten haben. Diese Vorauszahlung soll dem BMLFUW als Sicherstellung zur Finanzierung von Maßnahmen bei Beendigung eines Sammel- und Verwertungssystems (Ablauf der Genehmigung, Insolvenz) dienen; buchhalterische Rückstellungen reichen dafür nicht aus (§ 29 a AWG-Novelle 2007).
Der Grund für die Notwendigkeit spezieller finanzieller Sicherstellungen ist den entsprechenden Erläuterungen nicht zu entnehmen. Es sind in den letzten Jahren auch keine Fälle bekannt geworden, die aufgrund der Beendigung von Sammel- und Verwertungssystemen negative Auswirkungen auf öffentliche Interessen gezeigt hätten. Abgesehen davon sieht § 29 Abs. 2 Z. 8 AWG bereits jetzt vor, dass dem Genehmigungsantrag für Sammel- und Verwertungssysteme der Nachweis der Kostendeckung der Finanzierung für die zu übernehmenden Verpflichtungen einschließlich der ausreichenden Sicherstellung der Finanzierung der übernommenen Leistungen anzuschließen ist.
Es ist davon auszugehen, dass die geplante finanzielle Sicherstellung in der Höhe der Halbjahreskosten für Sammlung und Verwertung gem. § 29 a AWG 2007 den Markteintritt neuer Sammel- und Verwertungssysteme zusätzlich erschwert und es damit im Bereich der Abfallwirtschaft zu weniger als zu mehr Wettbewerb kommen wird. Denn die Bildung der Sicherstellung im Ausmaß der der halben Jahreskosten für Sammlung und Verwertung in der kurzen Zeit von 6 Monaten könnte dazu führen, dass neue Sammel- und Verwertungssysteme sehr hohe Tarife kalkulieren werden müssen. Weiters stellt sich die Frage, ob eine derartige Regelung nach österreichischem Recht, aber auch nach EU-Recht wettbewerbskonform ist.
Dem Argument, dass alle Systeme ja gleich behandelt würden, weil auch bestehende Systeme die Vorgaben der finanziellen Sicherstellung erfüllen müssen, ist der Wettbewerbsvorteil des marktbeherrschenden ARA-Systems mit kolportierten Rücklagen von 100 Mio. € gegenüber neu in das System eintretenden MitbewerberInnen entgegenzuhalten. Sinngemäß gelten diese Ausführungen natürlich auch für die rund 40 Mio. € aus Kühlgerätepickerlgeldern, die im UFH liegen und bisher nicht rückgefordert worden sind.
Auch der Verdacht, dass die geplanten Neuregelung im § 29a AWG-2007 dazu beitragen könnte, zum Abbau der Rückstellungen des ARA-Systems beizutragen, ist in diesem Zusammenhang nicht von der Hand zu weisen: Gerüchte, dass eine ganz wesentliche Ursache für die hohen Zufallsgewinne des ARA-Systems (rund 100 Mio. €) eine notorisch verfehlte Lizenzmengenplanung ist, wurden bisher zwar bestritten, konnten aber nie widerlegt werden. Zur Bildung der ‚Zufallsgewinne', zum Abbau der Rückstellungen durch die Gesellschaften des ARA-Systems und zur Frage der Besteuerung sind noch immer eine Reihe von Fragen offen.
Letztlich erscheint der vorgeschlagene § 29a AWG-Novelle 2007 auch äußerst unbestimmt; es ist fraglich, ob er den Anforderungen des Legalitätsprinzips entspricht.
Die unterzeichneten Abgeordneten richten an den Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft nachstehende
Anfrage:
1. Was ist die Ursache für die Notwendigkeit einer speziellen Regelung zur finanziellen Sicherstellung im Sinne des geplanten § 29a AWG?
2. Welche konkreten Vorfälle der Vergangenheit machen eine derartige Regelung erforderlich? Welche Vorteile hätte damals die nun geplante Regelung gebracht?
3. Welche Rücknahmeverordnungen gemäß den §§ 14 und 36 AWG sind von der vorgeschlagenen Regelung betroffen? Welche Umsätze werden dort jeweils getätigt? (bitte die Schätzwerte für 2007 gerundet in Mio. € und unter Angabe der Quelle gegliedert nach Rücknahmeverordnung und genehmigten Sammel- und Verwertungssystemen angeben)
4. Welche ziffernmäßigen Sicherstellungen werden sich daraus voraussichtlich ergeben? (bitte die Schätzwerte für 2007 gegliedert nach Rücknahmeverordnung und genehmigten Sammel- und Verwertungssystemen angeben)
5. Dürfen diese Sicherstellungen nach § 29a AWG 2007 aus Finanzmitteln der LizenznehmerInnen gebildet werden oder bedarf es hier einer Finanzierung aus Eigenkapital?
6. Wie und an wen werden bei rechtskonformer Systembeendigung die sichergestellten Finanzmittel refundiert werden?
7. Ist es richtig, dass Systeme Sicherstellungen leisten müssen, Selbsterfüller jedoch nicht? Stellt dies aus Ihrer Sicht keine Ungleichbehandlung dar?
8. An welche Formen der Sicherstellung ist in § 29a Abs 2 gedacht? In welchem Fall kann die Sicherstellung verfallen? Ab wann sollen die Sicherheiten frei werden?
9. Welche Verpflichtungen sind mit der geplanten Regelung gemeint, die (so §29a Abs 1 des Entwurfes) auch nach Ende der Genehmigungsdauer noch weiterhin und wie lange erfüllt werden müssen?
10. Offenbar wird nicht jeder Verstoß gegen Verpflichtungen wie sie in §29a Abs 1 dE angesprochen sind, die Heranziehung der Sicherheiten nötig machen. Welche dieser Verpflichtungen sollen mit der geplanten Regelung abgesichert werden? Unter welchen Bedingungen und wofür genau sollen die Sicherheiten zum Einsatz kommen?
11. Wurde die vorgeschlagene Regelung in der Verpackungskommission besprochen? Empfiehlt die Verpackungskommission eine solche Regelung? Wie lautet die Empfehlung? Wenn nein, welche Auffassungen wurden dazu vertreten?
12. Welche Beratungsergebnisse gemäß § 34 Abs 4 AWG und allfällig sonstige Empfehlungen hat der Missbrauchsbeirat (§ 34 AWG) bisher ausgesprochen? Was davon unterstützt die geplante Regelung?
13. Wurde die vorgeschlagene Regelung im Missbrauchbeirat besprochen? Empfiehlt der Missbrauchbeirat eine solche Regelung? Wie lautet die Empfehlung? Wenn nein, welche Auffassungen wurden dazu vertreten?
14. Wurde die vorgeschlagene Regelung auf sonstige Weise mit den betroffenen Stakeholdern (insb. Lizenznehmer, Entsorger, Systeme, Konsumenten, Kommunen, Länder) besprochen? Wenn ja, welche Auffassungen vertreten die Stakeholder jeweils?
15. Grundgedanke aller Rücknahmeverordnungen gemäß den §§ 14 und 36 AWG ist, dass eine Entpflichtung des rücknahmeverpflichteten Inverkehrsetzers nur dann und nur solange stattfindet, als er an einem zugelassenen (und nicht schon beendeten oder untersagten) Sammel- und Verwertungssystem teilnimmt. Stellen dieser Grundgedanke in Verbindung mit den bereits bestehenden Regelung des § 29 (2) Z. 8 AWG iVm § 29 (4) Z.2 AWG sowie den zugehörigen Aufsichtsbestimmungen (§§ 31, 32 (4), § 35 (2) Z.2 sowie § 36 AWG) aus Ihrer Sicht keine ausreichende Sicherstellung für die Beendigung von Sammel- und Verwertungssystemen dar? Wenn nein, warum? Wo treten Lücken auf?
16. Mit der Verpflichtung, dass auch bestehende Systeme eine finanzielle Sicherstellung in der Höhe der Halbjahreskosten leisten müssen, erfolgt zwar eine rechtliche Gleichstellung „alter" und „neuer" Systeme. Trotzdem ist es für neue Sammel- und Verwertungssysteme aufgrund der faktischen Entwicklung der vergangenen Jahre im Abfallbewirtschaftungs-Sektor (Überschüsse im ARA-System, UFH-Stiftung mit Vermögen von rund 40 Mio € aus Kühlgerätegeldern) ungleich schwieriger bis nahezu unmöglich, gleiche Startbedingungen vorzufinden. Es ist daher davon auszugehen, dass sich die Verpflichtung zur geplanten finanziellen Sicherstellung in Form der Halbjahreskosten für ein neues Sammlungs- und Verwertungssystem entweder in höheren Tarifen manifestieren wird oder dadurch nur mehr sehr finanzkräftige - zumeist ausländische - MitbewerberInnen Chancen zum Einstieg in das System haben werden. Teilen Sie diese Einschätzung? Wenn nein, wodurch wäre sie zu entkräften?
17. Steht der neue § 29a AWG-2007 im Einklang mit den wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen des AWG?
18. Die Europäische Kommission hat Ende 2003 die Verträge des ARA-Systems nur unter Auflagen genehmigt (Entscheidung der Kommission vom 16/10/2003 in einem Verfahren nach Artikel 81 EG-Vertrag und Artikel 53 EWR- Abkommen (COMP D3/35470 - ARA, COMP D3/35473 - ARGEV, ARO) [K(2003) 3703 endg]). Erkennbare Absicht der Kommission ist, auch Wettbewerb in der Verpackungshaushaltssammlung zu ermöglichen. Obzwar die Entscheidung von ARA/ArgeV beim Europäischen Gerichtshof angefochten wurde, ist sie (~ mangels Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung durch den Europäischen Gerichtshof) schon umzusetzen. Hat Ihr Ressort die Konformität des neuen § 29a AWG-2007 mit den wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen in Österreich und auf EU-Ebene von der Bundeswettbewerbsbehörde abklären lassen?
19. Wie viele Anträge von Sammel- und Verwertungssystemen auf Zulassung im Haushaltbereich liegen im BMLFUW aktuell auf? Bitte nach den jeweiligen Rücknahmeverordnungen gegliedert angeben: Wer hat sie wann gestellt und wie ist der aktuelle Status? Welche Hindernisse stehen einer Genehmigung entgegen? Wie sind die Aussichten für eine Genehmigung?
20. Der Trend (3/2007) berichtet unter dem Titel „Müll-Millionen für Molterer" über eine Entscheidung des UFS zu einer AGR-Beschwerde, die weit reichende steuerliche Konsequenzen auf das gesamte ARA-System zeigen könnte. Wie ist Ihr aktueller Wissensstand zu diesen Vorgängen? Sind davon - so wie im Artikel vermutet - auch die anderen Gesellschaften im ARA-System betroffen? Wenn bzw. insoweit dies zutrifft - wie hoch sind aus derzeitiger Sicht die abzuführenden Steuerverpflichtungen? Welche Konsequenzen werden Sie daraus im Rahmen der Missbrauchsaufsicht ziehen?
21. Es kursieren Gerüchte, wonach das BMLFUW das Bestreben der ARA unterstützt, weiterhin als einziges System für den Haushaltsbereich tätig zu sein. Entspricht dies den Tatsachen? Wenn ja, welche Gründe sprechen dafür? Und: Ist diese Auffassung mit der Bundeswettbewerbsbehörde akkordiert? Wenn nein, welche Maßnahmen werden sie setzen, um den Eintritt von Mitbewerbern in der Verpackungshaushaltssammlung zu unterstützen?