591/J XXIII. GP

Eingelangt am 29.03.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.

Anfrage

des Abgeordneten Alexander Zach

und weiterer Abgeordneter

an den Bundesminister für Verkehr, Innovation und Technologie

betreffend Umsetzung der Richtlinie zur verdachtsunabhängigen Vorratsdatenspeicherung

Die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und die Österreichische Verfassung mit
dem Brief- und Fernmeldegeheimnis schützen die Privatsphäre jedes einzelnen Menschen. Art. 10a
des Staatsgrundgesetzes (StGG) garantiert das Recht auf unbeobachtete elektronische
Kommunikation (Kommunikationsgeheimnis), das auch das Recht umfasst, unbeobachtet seinen
Kommunikationspartner ausw
ählen zu dürfen. Der im Verfassungsrang stehende Artikel 1 des DSG
definiert ein Grundrecht auf Datenschutz:
Jedermann hat, insbesondere auch im Hinblick auf die
Achtung seines Privat- und Familienlebens, Anspruch auf Geheimhaltung der ihn betreffenden
personenbezogenen Daten [...]"

Eingriffe in diese Grundrechte durch staatliche Behörden sind nur nach den Bestimmungen des Art. 8
Abs. 2 der EMRK zul
ässig - und auch in diesen zulässigen Fällen darf der Eingriff in das Grundrecht
jeweils nur in der gelindesten, zum Ziel führenden Art vorgenommen werden.

Aufgrund der Terroranschläge in Madrid und London gelang es unter britischer Ratspräsidentschaft
den h
öchst umstrittenen und zuvor vom europäischen Parlament einstimmig abgelehnten Vorstoß zur
Vorratsspeicherung der Telekommunikationsverbindungsdaten durchzubringen. Nach einem
Gespr
äch der EU-Parlamentarier mit dem britischen Innenminister Charles Clarke beschloß das EU-
Parlament in der Plenarsitzung vom 14.12.2005 die permanente und verdachtsunabhängige
Überwachung der gesamten Bevölkerung der Europäischen Union.

Am 21.2.2006 segneten die Justiz- und Innenminister der EU-Länder die Richtlinie ohne weitere
Aussprache ab. Irland und die Slowakei stimmten gegen die Richtlinie, weil sie das
Richtlinienverfahren formal anzweifeln (es reichte aber eine qualifizierte Mehrheit der Stimmen der
Ratsmitglieder). Eine Klage der beiden L
änder beim Europäischen Gerichtshof ist anhängig.

 

Im Hinblick auf eine allfällige Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG, den damit verbunden
Einschr
änkungen der Grundrechte und einer immensen Kostenbelastung für Konsumenten und
Telekommunikationsunternehmen richten die unterfertigten Abgeordneten an den Bundesminister f
ür
Verkehr, Innovation und Technologie folgende

 

Anfrage:

1)    Für wann planen Sie die Umsetzung der Richtlinie - auch im Hinblick auf das laufende
Verfahren vor dem EuGH?

a)  für Daten, die bei der Nutzung von Handys oder Festnetztelefonen anfallen?

b)  für Daten, die bei der Nutzung von Internet-E-Mail und Internet-Telefonie anfallen?

c)  Wie schätzen Sie die Erfolgsaussichten der EuGH-Klagen von Irland und der Slowakei
gegen die Richtlinie ein?

 

2)       Wie lange sollen diese verdachtsunabhängig gespeicherten Daten über das
Kommunikationsverhalten der B
ürgerinnen und Bürger aufbewahrt werden? Für welche
Speicherfrist (gemäß Artikel 6 der Richtlinie) treten Sie ein?

3)               Ist für die Umsetzung der Richtlinie ein Eingriff in die verfassungsmäßig garantierten
Grundrechte der B
ürgerinnen und Bürger erforderlich?

a) Falls ja, welche Bestimmungen im Verfassungsrang müssen aufgehoben bzw. geändert
werden?

4)       Wieviele Bürgerinnen und Bürger sind in Österreich nach der Umsetzung der Richtlinie von
der verdachtsunabhängigen Speicherung ihres Telekommunikationsverhaltens betroffen?

5)       Zur Bekämpfung welcher Straftaten bzw. Bedrohungen ist es Ihrer Einschätzung nach
gerechtfertigt, einen derartigen Eingriff in die Grundrechte vorzunehmen?

6)       Sollen auf die gespeicherten Kommunikationsdaten auch bei anderen, leichteren Straftaten
zugegriffen werden d
ürfen?

7)       Erhalten Rechteinhaber, Verwertungsgesellschaften oder in deren Auftrag tätige
Organisationen, Firmen oder Personen im Zuge von behaupteten Urheberrechtsverletzungen
Zugriff oder Ausk
ünfte über Daten, die im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung erfasst
wurden?

a) Falls ja, unter welchen Auflagen und Bedingungen (zB gerichtliche Genehmigung,
gewerbliche Urheberrechtsverletzung)?

8)       Werden auch private oder nicht-professionelle/nicht-kommerzielle Anbieter von öffentlichem
Internetzug
ängen (z. B. Privatperson mit offenem WLAN, Kaffeehaus mit offenem WLAN,
kostenloser, öffentlicher Hotspot eines Vereins, etc) zur Speicherung der Standort- und
Verkehrsdaten verpflichtet?

 

 

9)       Gilt die Speicherpflicht auch für im Ausland betriebene Server österreichischer Provider bzw.
in
Österreich betriebene Server ausländischer Anbieter?

 

a)   Im folgenden Fall: Der Mailserver eines österreichischen Internet-Providers, den seine
Kunden via SMTP und POP3-Protokoll nutzen, befindet sich in einem Rechenzentrum in der
Schweiz.

b)       Im folgenden Fall: Ein US-amerikanisches Unternehmen (ohne eigenem Sitz in Österreich)
betreibt in einem
österreichischem Rechenzentrum einen Mailserver.

10)  Wird im Zuge der Vorratsdatenspeicherung erfasst, wann, wie oft und von welchem Ort aus
eine B
ürgerin/ein Bürger

a)      Dienste wie die Telefonseelsorge (142) oder Rat auf Draht (147) nutzt?

b)      mit berufmäßigen Parteienvertretern (Rechtsanwälte, Steuerberater) telefonisch oder per E-
Mail kommuniziert?

c)  mit welchem Arzt telefonisch oder per E-Mail kommuniziert?

 

11)        Wird im Zuge der Vorratsdatenspeicherung erfasst, wann, wie oft und von welchem Ort aus
ein Informant mit einem Vertreter der Presse telefonisch oder per E-Mail kommuniziert?

12)        Sind von der Vorratsdatenspeicherung Telefonate und der E-Mail-Verkehr von
Bundespr
äsident, den Mitgliedern der österreichischen Bundesregierung und den Mitgliedern
von Nationalrat und Bundesrat betroffen?

13)        Sind von der Vorratsdatenspeicherung Telefonate und der E-Mail-Verkehr von Sicherheits-
und Milit
ärbehörden betroffen?

14)        Sind Ausnahmen von der allgemeinen Speicherpflicht für besondere Behörden, Institutionen,
Firmen, Personen, Angeh
örige bestimmter Berufsgruppen oder sonstige Ausnahmen geplant?
a) Falls die zur Vorratsdatenspeicherung verpflichteten Betriebe ausnahmslos von allen
Kunden Kommunikationsdaten speichern m
üssen, sind Verwertungsverbote von über
bestimmte Beh
örden, Institutionen, Personen, Angehörige bestimmter Berufsgruppen
gespeicherte Daten vorgesehen?

15)        Sollen Betroffene das Recht erhalten, die über Sie erhobenen Daten einzusehen? Sollen sie
ein Recht auf Löschung oder Korrektur fehlerhafter oder nicht durch Sie verursachte Daten
haben, wie diese zB bei offenen (privaten) WLANs, Trojanern, Adware, etc anfallen k
önnen?

16)        Derzeit ist es Telekommunikationsanbietern untersagt, Daten zu erheben, die nicht für die
Abrechnung erforderlich sind. Die f
ür die Abrechnung gespeicherten Daten dürfen nicht für
andere Zwecke verwendet werden und m
üssen danach gelöscht werden. Dürfen die nach
Umsetzung der Richtlinie zur umfangreichen Datenspeicherung verpflichteten
Telekommunikationsunternehmen diese Daten

 

a)   zu eigenen Zwecken (Kundenprofile, Marketing) verwenden?

b)       anderen Unternehmen oder Personen zugänglich machen? Falls ja, unter welchen
Bedingungen?

c)   in zivilrechtlichen Streitigkeiten zwischen Telko-Anbieter und Kunde verwendet werden?
Falls ja, unter welchen Bedingungen?

d)   in zivilrechtlichen Angelegenheiten zwischen Kunden und Dritten verwendet werden? Falls
ja, unter welchen Bedingungen?

c) Wie sollen allfällige Nutzungsverbote kontrolliert und durchgesetzt werden?

17)  Können Sie ausschliessen, dass die erhobenen Überwachungsdaten -wie bei der illegalen
Weitergabe von
über 100 Millionen europäischen Bank-Überweisungsdaten an den US-
Geheimdienst CIA passiert (Fall SWIFT) - ausl
ändischen Geheimdiensten oder Behörden

ohne jegliche Kontrollierbarkeit zugänglich gemacht werden? Welche Maßnahmen sind
geplant, um derartigen Missbrauch zu verhindern?

18)         Halten Sie die Vorratsdatenspeicherung für geeignet um Terrorismus oder organisiertes
Verbrechen zu verhindern?

19)         Werden Vertreter der ISPA (Internet Service Providers Austria) im Zuge der Umsetzung
konsultiert?

20)   Werden Vertreter der ArgeDaten und/oder von VIBE (Verein der Internet-Benutzer
Österreichs) im Zuge der Umsetzung konsultiert?

21)   Werden Vertreter der betroffenen Telekommunikationsunternehmen (WKÖ Fachverband
Telekommunikation) bzw. diese selbst im Zuge der Umsetzung konsultiert.

22)   Sollen neben Fest- und Mobilfunktelefonaten, SMS, EMS und MMS, Internet-E-Mail und
Internet-Telefonie von weiteren elektronischen Kommunikationsmöglichkeiten die
entsprechenden Standort- und Verkehrsdaten gespeichert werden (zB Nutzung von
Chatrooms)?

23) In welcher Form ist eine Regelung geplant, um durch die Richtlinie keine Überschneidungen
mit den geltenden Bestimmungen zur
Überwachung der Telekommunikation (§ 94 TKG i.V.m.
§ 149 ff StPO) zu schaffen (unterschiedliche Verhältnismäßigkeitsgrundsätze und
Anspruchsgrundlagen bei Zugriff auf vorzuhaltende Daten)

24)   Inwieweit ist eine nationale Definition der (in technischer Hinsicht zu ungenau definierten) zu
speichernden Datenarten geplant (teilweise technisch nicht möglich, teilweise mit enormen
Kosten (ohne Nutzen f
ür die Verbrechensbekämpfung) verbunden?

25)   Erfolgt in Bezug auf Frage 24. eine Kosten-/Nutzen-Analyse?

26)   Beispiel Art 2 Abs. 2 lit c) der RL: Telefondienst "Datenabrufungen" - da keine Inhalte
gespeichert werden k
önnen und dürfen, ist nur die Datenmenge (meist auch keine Dauer
bedingt durch eine always-on Funktion bei GPRS und UMTS/HSDPA) ohne sonstige
verwertbare Information zu speichern?

27)   Sind aus Ihrer Sicht Daten erfolgloser Anrufversuche ebenfalls zu speichern (Art 3 Abs. 2 der
RL sieht (auf Grund technischer Gegebenheiten) keine Speicherpflicht vor)?

28)   Wen betrifft die nicht genau definierte Speicherpflicht abgerufener und gesicherter Daten und
für welchen Zeitraum sind diese zu speichern (vgl. Art. 7 d) der RL)?

29)   Wer soll die Kosten für Vorratsdatenspeicherung übernehmen?

30)   Gibt es bereits einen Entwurf für die Umsetzung der Richtlinie in nationales Gesetz?

 

a)   Falls ja, wie lautet dieser?

b)   Falls nein, für wann ist die Fertigstellung eines Entwurfes geplant?

31)  Ist Ihnen bekannt, dass sogenannte Wertkartenhandys auch anonym genutzt werden können
und bei häufigem Wechseln von Handy und SIM-Karte (immer andere IMSI und IMEI) die
Vorratsdatenspeicherung ins Leere l
äuft?

32)         Ist Ihnen bekannt, dass bei Intemet-Telefonie die Richtlinie einfach und von jedermann
umgangen werden kann, indem der Konsument zB einen Diensteanbieter mit Sitz ausserhalb
der EU w
ählt?

33)   Ist Ihnen bekannt, dass die Erfassung von Standort- und Verkehrsdaten im Zuge des E-Mail-
Versands auf einfachstem Wege umgangen werden kann, indem man einen Anbieter aus
einem Land wählt, dass seinen Bügerinnen und Bürger noch unbeobachtete Kommunikation
gestattet?

34)         Soll die Nutzung von Anonymisierungsdiensten (z.B. Java Anon Proxys (JAP) oder TOR-
Netzwerk) verboten werden oder die Provider verpflichtet werden, deren Nutzung durch
technische Ma
ßnahmen zu verhindern?

35)         Soll die anonyme Nutzung von Telefonzellen oder Internet-Cafes verboten werden?

36)         Glauben Sie, dass Terroristen oder Mitglieder krimineller Vereinigungen unter Rücksicht auf
die Vorratsdatenspeicherung ihre Handys (mit korrekten Daten) anmelden oder stets E-Mail-
Dienstleister wählen, die der Datenspeicherpflicht unterliegen?

37)         Halten Sie die Richtlinie für geeignet, die in Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie genannten Ziele
zu erreichen?

38)         Halten Sie die Richtlinie für sinnvoll?

 

a)      Falls ja, warum?

b)      Falls nein, was werden Sie dagegen unternehmen?

39)  Werden Sie - falls der EUGH die Richtlinie für ungültig erklärt - trotzdem für die Umsetzung in
nationales Recht eintreten?