634/J XXIII. GP
Eingelangt am 03.04.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Dr. Günter Stummvoll, Mag. Heribert Donnerbauer,
Kolleginnen und Kollegen
an die Frau Bundesministerin für Justiz
betreffend rechtswidrige Versicherung eines Konkursrichters
Im
Untersuchungsausschuss betreffend Finanzmarktaufsicht, BAWAG, Hypo Alpe-
Adria und andere Finanzdienstleister ist im Zusammenhang mit der Untersuchung
der Causa Atomic in öffentlicher Sitzung folgendes
hervorgekommen:
Der Masseverwalter im
Firmenkonkurs Atomic for Sports GmbH Dr. Karl Ludwig
Vavrovsky hat für den zuständigen Konkursrichter
Dr. Gregor Sieber eine Haftpflicht-
versicherung abgeschlossen, die den Konkursrichter vor Schadenersatzansprüchen
und vor Ansprüchen aus dem Organrückgriff im Amtshaftungsverfahren schützt,
wenn der Konkursrichter einem Vorschlag des Masseverwalters folgt oder diesen
konkursgerichtlich bewilligt. Umgekehrt ist der Konkursrichter nicht geschützt, wenn
er Vorschläge des Masseverwalters ablehnt
oder nicht bewilligt. Der Richter wusste
aktenkundig von dieser Versicherung.
Demnach ist
der Masseverwalter durch die jeweilige konkursgerichtliche Genehmi-
gung rechtlich
abgesichert, und der Konkursrichter haftet nur dann, wenn er Vor-
schlägen des Masseverwalters nicht
entspricht.
Die Leistungen der
Haftpflichtversicherung umfassen nach dem Versicherungs-
vertragsgesetz bzw. den Allg.
Versicherungsbedingungen in der Regel nicht nur die
Befriedigung von zu Recht bestehenden Ersatzansprüchen sondern auch die ge-
richtliche und außergerichtliche Abwehr von
bestrittenen Ansprüchen. Eine Haft-
pflichtversicherung hat damit zusätzlich die
Funktion einer Rechtsschutzversicherung
im Passiv-Prozess unter Umständen sogar einschließlich der
Verteidigungskosten in
einem Strafverfahren.
Schließlich würde der Richter eine die Leistungsfreiheit
der
Versicherung bewirkende
Obliegenheitsverletzung begehen, wenn er einen allfälligen
Fehler wahrheitsgemäß zugibt.
Unter diesen
Umständen bewirkt die beschriebene Vorgangsweise offenkundig,
dass
eine objektive
konkursgerichtliche Überwachung des Masseverwalters
nicht mehr
gewährleistet sondern geradezu verunmöglicht wird. Wie das Konkursverfahren
Atomic überdeutlich zeigt, können auch die ohnehin eng begrenzten
Rechtsmittel-
möglichkeiten
des Gemeinschuldners gegen ein solches Zusammenwirken von Kon-
kursrichter und
Masseverwalter keine wirksame Abhilfe schaffen.
Weiters
bewirkt diese Vorgangsweise, dass die Organrückgriffsbestimmungen
des
Amtshaftungsrechts in
gesetzwidriger Weise unterlaufen werden.
Hinzu kommt, dass
durch den Versicherungsschutz dem Konkursrichter ein geld-
werter Vorteil jedenfalls in Höhe
der Versicherungsprämie zugewendet wird, die er
hätte
aufwenden müssen, wenn er sich selbstständig gegen
solche Ersatzansprüche
versichert
hätte.
Der Masseverwalter im
Atomic-Konkurs hat sich vor dem Untersuchungsausschuss
darauf berufen, dies sei im Sprengel des LG Salzburg üblich gewesen und beruhe
überdies auf einem diese
Vorgangsweise zulassenden Erlass des Justizministeri-
ums. Andererseits liegt dem
Untersuchungsausschuss auch die Aussage einer Aus-
kunftsperson vor, wonach ihr eine Vorgangsweise wie die beschriebene außerhalb
des genannten Gerichtssprengeis nicht
bekannt sei, jedenfalls im Sprengel des OLG
Wien sei das absolut nicht üblich.
Die anfragenden Abgeordneten
verkennen nicht die Problematik eines unter Um-
ständen
betraglich hohen Haftungsrisikos von Konkursrichtern, die über hohe
Streit-
werte absprechen.
Vergleichbares gilt aber auch für
Richter in anderen Verfahren
und für Organwalter in Verwaltungsbehörden.
Dies
rechtfertigt daher nach Ansicht der anfragenden Abgeordneten in keinem Fall
eine Konstruktion,
die die richterliche Objektivität
grundsätzlich in Frage stellt, die
Bestimmungen über den Organrückgriff im Amtshaftungsrecht de facto in
ihr
Gegenteil verkehrt und die Annahme von
geldwerten Vorteilen durch unabhängige
Richter
geradezu fördert.
Es würde zurecht als skandalös angesehen, wenn etwa ein Sachwalter
zugunsten
des Pflegschafts- oder. Familienrichters, die Telekom zugunsten des Telekomre-
gulators, eine Bank zugunsten der Finanzmarktaufsicht, ein Staatsanwalt
zugunsten
des Untersuchungsrichters, ein Sozialversicherungsträger zugunsten der staatlichen
Aufsichtsorgane oder ein
Baubewilligungswerber zugunsten der Baubehörde eine
Versicherung abschließt, die die Haftung dann ausschließt, wenn und
solange der
Richter oder das
Verwaltungsorgan im Sinne des Antragstellers oder der zu über-
wachenden bzw. zu beaufsichtigenden Person oder Körperschaft vorgeht. Eine
privatrechtliche ex-ante-Zusage, das
Aufsichts- oder Entscheidungsorgan schad- und
klaglos zu halten, wäre
zweifellos sittenwidrig. Nichts anderes kann für den Ab-
schluss einer Versicherung mit eben demselben Zweck gelten.
Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher folgende
Anfrage:
1. Seit wann
ist dem Bundesministerium für Justiz die eingangs geschilderte
Problematik dem
Grunde nach und im beschriebenen Fall aus Salzburg
bekannt?
2.
Wie beurteilt
das Justizministerium die rechtliche und praktische Problematik
der in der Einleitung beschriebenen Vorgangsweise?
3.
War oder ist
der Abschluss einer solchen Versicherung nur im Zuständigkeits-
bereich des (damals einzigen) Konkursrichters des LG Salzburg üblich?
4.
Wurde das auch in anderen Gerichtssprengeln bei Konkursverfahren und
bei
anderen Verfahren so
gemacht, wenn ja, seit wann, wo, in wie vielen Fällen
insgesamt und in welchen konkreten Fällen?
5.
Beruht diese Vorgangsweise auf einem Erlass oder einer entsprechenden
Rechtsmeinung o. dgl.
des Justizministeriums?
6. Wenn ja:
a. Wie lautet der Wortlaut dieses Erlasses bzw. dieser Rechtsmeinung?
b. Wann wurde darüber im Justizministerium entschieden?
c. Auf wessen Initiative geht diese Rechtsmeinung zurück?
d. An wen und wann wurden welche Auskünfte zu diesem Thema erteilt?
e. Welche Abteilungen
und Personen im Justizministerium waren in die
Vorbereitung und Erledigung eingebunden?
7.
Was hat das Justizministerium unternommen, um derartige Missbräuche
abzustellen?
8. Ist eine solche Vorgangsweise disziplinär?
9.
Ist die Annahme eines von einem Dritten gewährten
Versicherungsschutzes,
ohne dafür eine angemessene Prämie zu
bezahlen, durch einen Richter als
Annahme eines
geldwerten Vorteils zu qualifizieren ?