670/J XXIII. GP

Eingelangt am 23.04.2007
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ANFRAGE

 

 

des Abgeordneten Grünewald, Freundinnen und Freunde

 

an Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend

 

betreffend Gewährleistung von PatientInnenrechten und Verfassungskonformität in der Substitutionstherapie

 

Mit 1. März 2007 ist die von Ex-Gesundheitsministerin Rauch-Kallat initiierte Verordnung zur Substitutionstherapie in Kraft.

 

Die neue Substitutionsverordnung gefährdet mehrfach und massiv PatientInnenrechte bezüglich Behandlung und Vertrauen in die ärztliche Verschwiegenheitspflicht und beschränkt ÄrztInnen in Ihrer Freiheit der Therapiewahl. Die Nennung einer primären zur Anwendung kommenden Therapie mit Methadon und Buprenorphin als Substitutionsmittel, die nur bei Unverträglichkeit verlassen werden kann, ist einzigartig und bisher aus gutem Grunde bei keiner medizinischen Diagnose und keiner PatientInnengruppe üblich gewesen. Es ist wohl international ohne Beispiel dass vom Gesetzgeber eine Therapie im Detail vorgeschrieben wird, da sinnvollerweise Therapien immer nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und der ärztlichen Erfahrung, angepasst an die individuellen Bedürfnisse der/des PatientIn durchgeführt werden.

 

Durch den schriftlichen Behandlungsvertrag, den der/die PatientIn vor Behandlungsbeginn laut geltender Verordnung unterschreiben muss, wird der/die behandelnde Arzt/Ärztin von der Schweigepflicht entbunden und Patienten wesentliche Rechte entzogen, die Grundlage der Vertrauensbeziehung und jeder therapeutischen Kooperation sind. Diese Regelung widerspricht auch dem Datenschutzgesetz, wonach Ausnahmen von diesem Gesetz ausschließlich darin selbst festgehalten werden können.

 

Das Erlöschen des Behandlungsvertrages bei gleichzeitigem Begleitkonsum anderer Suchtmittel bedingt eine durch nichts zur rechtfertigende Therapieverweigerung, die wiederum im Gesundheitswesen ohne Beispiel ist. Zudem übersieht diese Verordnung die Realität der Mehrheit aller Suchtkranken als „multi drug user“ und würde hier einen signifikanten Prozentsatz aller Kranken von einer Therapie ausschließen.

Prinzipiell sinnvolle Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen von ÄrztInnen dürfen zudem nicht dergestalt sein, dass zahlreiche in diese Substitutionstherapien eingebundene Ärzte sich nicht in der Lage sehen sich den Forderungen und Auflagen der genannten Verordnung zu stellen. Es ist aufgrund zahlreicher Rückmeldungen zu befürchten, dass die Weiterbehandlung von PatientInnen, die bisher in Arztpraxen betreut wurden, dadurch gefährdet wird, weil der Aufwand für solche Aus- und Weiterbildung im Praxisalltag weder zeitlich/organisatorisch noch wirtschaftlich ohne Abstriche bewältigbar sind. Bereits jetzt haben sich ÄrztInnen aus der Substitutionstherapie zurückgezogen und bieten diese nicht mehr an. Verschärft wird dies noch durch die Auflage sich in einer im Internet veröffentlichte Liste eintragen zu lassen. Sinnvolle Maßnahmen, wie die Einrichtung bundesweit einheitlicher Therapiestandards, eine Evaluierung von Best-Practice Modellen und eine evidenzbasierte Erhöhung der Mittel für stationäre und ambulante Suchttherapie fehlen in der neuen Verordnung.

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

1.      Halten Sie den Verzicht auf die ärztliche Schweigepflicht bei der Behandlung von suchtkranken Personen notwendig? Wenn ja, weshalb? Wenn nein, wann werden Sie entsprechende Änderungen in der Suchgiftverordnung vornehmen?

 

2.      Wie stehen Sie zur gesetzlich vorgeschrieben Therapieeinschränkung auf die orale Gabe von Methadon und Buprenorphin?

 

3.      Widerspricht die gesetzliche Einschränkung der Therapiewahl auf die Arzneispezialitäten Methadon und Buprenorphin den Regeln des freien Marktes? Wenn ja, wie wird von Seiten des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen gegenüber der Wettbewerbsbehörde argumentiert?

 

4.      Welche Gründe gibt es für die gesetzliche Einschränkung der Therapie mit retardierten Morphinen?

 

5.      Wie stehen Sie zur Eintragung von ÄrztInnen, welche Substitutionstherapie anbieten, in ein öffentliches Register?

 

6.      Weshalb wurde die Weiterbildung im Bereich orale Substitution außerhalb der für ÄrztInnen verbindlichen Weiterbildung angesiedelt?

 

7.      Einige der im „Behandlungsvertrag Substitution“ vorgesehenen Punkte sind in der individuellen Behandlung unerheblich bzw. liegen nicht im Kontrollbereich des/der behandelnden Arztes/Ärztin. Wie argumentieren Sie den Behandlungsabbruch bei Nicht-Einhaltung des Behandlungsvertrags?

 

8.   Gedenken Sie auch bei anderen Diagnosegruppen Therapien vorzuschreiben? Wenn Nein, was bewegt sie diese Patientengruppe zu diskriminieren?