702/J XXIII. GP

Eingelangt am 25.04.2007
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Ing. Westenthaler, Scheibner

und Kollegen

an den Bundesminister für Inneres

betreffend organisierter Bettlertourismus

 

 

Viele Städte im Osten Österreichs, vor allem Wien und Graz, aber auch kleinere Städte wie Fürstenfeld, sind von einem zunehmenden Bettlertourismus betroffen. In Graz ist das Problem schon besonders lang akut. Leider wurden gerade hier noch keine wirksamen politischen und behördlichen Gegenmaßnahmen gesetzt. Dies ist umso bedauerlicher, als mittlerweile schon seit gut einem Jahr feststeht, dass es sich nicht um einzelne ausländische Bettler handelt, sondern um eine organisierte Bettelei größeren Maßstabs, deren Gewinne keineswegs bei den Bettlern verbleiben sondern fast ausschließlich bei den Organisatoren verbleiben und die zweifellos armen Bettler trotz erheblicher Einnahmen fast nicht von ihrer Bettelei profitieren.

Dass gerade in Graz Defizite bei der Bekämpfung dieses Phänomens bestehen beweist die nachfolgende Chronologie:

17.2.2006: Die Wochenzeitung "Grazer im Bild" deckt gemeinsam mit dem BZÖ die Umtriebe der Bettler in Graz auf: Ein scheinbar gehbehinderter Rollstuhlfahrer mutierte – als er sich unbeobachtet fühlte – zu einem flotten Fußgänger. Diese Täuschung der spendenwilligen Grazer Bevölkerung wurde durch ein Bild in der Grazer Wochenzeitung dokumentiert.

23.3.2006: Der Fürstenfelder Gemeinderat beschließt auf Initiative des BZÖ-Gemeinderates Fischl gemeinsam mit der ÖVP ein Verbot organisierter Bettelei.

24.3.2006: Der steirische BZÖ-Chef Gerald Grosz fordert eine gleichartige Verordnung auch für Graz.

27.3.2006: Das steirische BZÖ übermittelt dem Grazer Bürgermeister Nagl (ÖVP) sowie allen Gemeinderatsfraktionen einen konkreten Verordnungsentwurf für die Stadt Graz auf Grundlage der Fürstenfelder Verordnung und tritt gleichzeitig für bessere Hilfsmaßnahmen für arme Mitbürger ein.

13.4.2006: Bürgermeister Nagl teilt dem BZÖ mit, dass er den BZÖ-Verordnungsentwurf durch die zuständigen Referate des Magistrats Graz prüfen lassen wird. Eine Unterstützung lässt Nagl offen.

2.6.2006: Der steirische BZÖ-Chef Grosz fordert in einem APA-Interview einmal mehr die Umsetzung einer Bettlerverordnung für Graz.

5.7.2006: Das Land Steiermark erklärt die Fürstenfelder Vorgehensweise für verfassungskonform.

6.7.2006: Bürgermeister Nagl (ÖVP) befürwortet erstmals den BZÖ-Vorschlag und gibt bekannt, ihn diesen Herbst im Grazer Gemeinderat beschließen zu wollen. Das BZÖ spricht sich angesichts des fertigen Verordnungsentwurfs gegen eine weitere Verzögerung aus und appelliert für einen Beschluss noch im Sommer.

21.7.2006: Das steirische BZÖ bringt eine Strafanzeige gegen Unbekannt wegen organisiertem Menschenhandel in Zusammenhang mit der Bettelei in Graz ein.

14.8.2006: Eine 20-jährige Rumänin wird in Wien vor der rumänischen Botschaft von fünf Personen brutal und trotz erheblicher Gegenwehr ihres Bruders und Vaters entführt und kann erst nach einem großangelegten Polizeieinsatz auf der Westautobahn befreit werden. Hintergrund ist, dass die noch Unmündige vor einigen Jahren von ihrer Familie einer anderen Roma-Familie – laut Polizei gewerbsmäßigen Kriminellen – in Deutschland verkauft und in der Folge zum Stehlen und Betteln angehalten wurde. Der Pass wurde ihr weggenommen. Anfang August flüchtete sie und wollte in der Botschaft in Wien ein Heimreisezertifikat besorgen, als der Bettlerklan versuchte, sie mit Gewalt nach Deutschland zurückzubringen. Auch in Graz kommt es zu Gewalttaten im Bettlermilieu mit Festnahmen.

22.8.2006: Die Wiener Polizei gibt bekannt, dass in Wien Bettlerbanden nach dem Modell Aufpasser und Abkassierer in Gruppen von drei bis fünf Mitgliedern aus Großfamilien arbeiten. Auch hier ist die Vortäuschung von Behinderungen eine nachgewiesene Methode. Die Polizei geht davon aus, dass die Bettler teils aus persönlicher Not, teils aber auch unter Zwang tätig sind. Die Wiener Polizei konnte dieses Bettlerunwesen durch ständige Kontrollen (tägliche Streifen durch drei Beamte) eindämmen. Josef Lipp von der Grazer Polizei bestätigt hingegen, dass die organisierte Bettelei in Graz im Gegensatz zu Wien gleich bleibend ist.

22.8.2006: Das steirische BZÖ appelliert einmal mehr an alle Rathausparteien, eine entsprechende Bettlerverordnung umzusetzen.

29.8.2006: Der steirische BZÖ-Chef Gerald Grosz und Nationalratsabgeordnete Dr. Magda Bleckmann geben in einer Pressekonferenz den Start der Unterschriftenaktion gegen organisierte Bettelei bekannt, um angesichts der zögerlichen Haltung der anderen Fraktionen den notwendigen politischen Druck für eine Bettlerverordnung nach Fürstenfelder Vorbild zu erzeugen.

Mehr als 10.000 unterzeichnende Bürgerinnen und Bürger bestätigen mit ihrer Unterschrift die Auffassung des BZÖ, dass es sich nicht um einzelne Bettler, sondern – am gleichzeitigen und gleichartigen Auftreten erkennbar – um detailliert organisierte „Bettlerbanden“ handelt. Eine Beschlussfassung der Verordnung scheitert in der Folge am Widerstand von SPÖ, Grünen und KPÖ.

Die Staatsanwaltschaft Graz legt die Anzeige des BZÖ im November 2006 mit der Begründung zurück, es sei nach „umfassenden Ermittlungen“ der Polizei „keine organisierte Struktur und Ausbeutung der in Graz aufhältigen Bettler“ festgestellt worden.

Ganz im Widerspruch dazu stehen die Äußerungen des Leiters der Sicherheits- und kriminalpolizeilichen Abteilung in Graz, Herrn Dr. Gerhard Lecker, vom 1.3.2007 in der Wochenzeitung Graz im Bild. Er wird wie folgt zitiert:

„Wir gehen davon aus, dass in Graz in kleinerem Rahmen ähnliche Strukturen wie in Wien aufgebaut sein könnten. Ermittlungen laufen, beobachten konnten wir Familienverbände mit bis zu acht Personen, die betteln. Dazu kommen die von Pfarrer Pucher unterstützten Bettler aus der Slowakei. Einen sogenannten Capo konnten wir bis jetzt aber noch nicht überführen. Weil die Bettler nicht kriminell auffallen, also kein Sicherheitsrisiko sind, wurde bis jetzt darauf verzichtet, eine eigene Sonderkommission für sie einzurichten. Wir haben dafür einfach nicht genug Personal. Wir brauchen die Beamten anderswo viel dringender“.

Die von Dr. Lecker zitierten „ähnlichen Strukturen wie in Wien“ hatten in Wien am 6.3.2007 zur Folge, dass durch eine große Schwerpunktaktion insgesamt 35 Anzeigen gegen sogenannte „Bettlerbanden“ erstattet wurden. Die Wiener Stadtpolizei kontrollierte insgesamt 229 Personen und nahm zehn sogar fest. „Es gab 35 Anzeigen wegen Bettelei“, so der Wiener Stadthauptmann Josef Koppensteiner in der Kronen Zeitung vom 6. März.

Dr. Lecker bestätigt somit vollinhaltlich den in der Anzeige des BZÖ geäußerten Verdacht: Es werden offenbar im Ausland Kinder, Alte und (scheinbar) kranke Menschen von organisierten Banden angeworben und planmäßig zum Einsatz gebracht, um deren „Arbeitskraft“ (= Betteln) auszubeuten. Dabei dürften unlautere Mittel wie etwa Täuschung, das Ausnützen eines Autoritätsstellung, einer Zwangslage, einer Geisteskrankheit oder eines Zustands, der die Person wehrlos macht, die Einschüchterung und die Gewährung eines Vorteils für die Übergabe der Herrschaft über die Person eingesetzt werden.

Aus diesem Grund hat das BZÖ-Steiermark nun nochmals eine entsprechende Strafanzeige eingebracht.

 

 

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen in diesem Zusammenhang an den Herrn Bundesminister für Inneres folgende

 

Anfrage:

 

1.            In welchen Städten Österreichs wird derzeit organisierte Bettelei betrieben?

2.            Welche konkreten Maßnahmen wurden von der Polizei in den betroffenen Städten jeweils gesetzt, um die organisierte Bettelei auf strafrechtlich relevante Hintergründe zu prüfen?

3.            Welche Ergebnisse hatten insbesondere die Schwerpunktaktionen in Wien?

4.            Wird die Polizei sich wie in Wien künftig auch in allen anderen betroffenen Städten schwerpunktmäßig darum bemühen, die organisierte Bettelei auf strafrechtliche Relevanz zu prüfen?

5.            Wie waren die Ergebnisse der Erhebungen der Grazer Polizei auf Grund der Strafanzeige des BZÖ vom 21. Juli 2006?

6.            Wann gewann die Polizei in Graz den Eindruck, dass die Bettelei durch Ausländer organisiert funktioniert und die Bettler durch die Organisatoren ausgebeutet werden?

7.            Wird die Polizei in Graz im Hinblick auf die Äußerungen von Dr. Lecker zusätzliches Personal zur Verfügung gestellt bekommen? Wenn ja, in welchem Ausmaß? Wenn nein, warum nicht?

8.            Wenn Sie für diese Schwerpunktaktion kein zusätzlichen Personal zur Verfügung stellen: Werden Sie dafür sorgen, dass diese Aufgabe von einer Sonderkommission österreichweit bearbeitet wird?