706/J XXIII. GP
Eingelangt am 25.04.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abg. Scheibner
Kolleginnen und Kollegen
an den Bundeskanzler
betreffend „Staatspraxis“ im Datenschutzrat
Am 17. April 2007 hielt der Datenschutzrat seine 174. (ordentliche) Sitzung ab. Der Vorsitz wurde vom (1.) stellvertretenden Vorsitzenden (im Folgenden kurz als „stv. Vorsitzender" bezeichnet) geführt. Als erster Tagesordnungspunkt war die Wahl des Vorsitzenden vorgesehen. Dieser wurde vom stv. Vorsitzenden damit eingeleitet, dass er seiner Freude Ausdruck verlieh, dass der Datenschutzrat mit dieser Wahl wieder zu einem „gesetzeskonformen System" zurückkehre. Er berichtete weiters, dass ihm ein Wahlvorschlag vorläge, nach welchem der Datenschutzrat beschließen möge, für die ersten zwei und ein halb Jahre, ihn, für die darauf folgenden zwei und ein halb Jahre den derzeit 2. stellvertretenden Vorsitzenden zum Vorsitzenden des Datenschutzrates zu wählen.
Dieser Wahlvorschlag wurde in der Diskussion von Vertretern der SPÖ wie auch der ÖVP nicht nur als ausgezeichnet, sondern auch insbesondere konform mit der Bestimmung des § 43 DSG 2000 bezeichnet und Zustimmung hiezu angekündigt. Der Vertreter des BZÖ wies in seiner Wortmeldung darauf hin, dass er im Gegensatz zu der seitens SPÖ und ÖVP vertretenen Meinung keine Konformität des vorliegenden Wahlvorschlages mit der zitierten Bestimmung erkennen kann, weil diese expressis verbis die Funktionsperiode des Vorsitzenden mit fünf Jahren festlegt (Zitat aus § 43 Abs. 2 2. Satz DSG 2000: „Die Funktionsperiode des Vorsitzenden (...) dauert (...) fünf Jahre.“), sohin weder eine Teilung des Vorsitzes noch eine Teilung der Funktionsperiode zulässig ist. Er brachte auch den Vorschlag ein, dass ein bestimmter Vorsitzender für eine fünfjährige Funktionsperiode gewählt werden solle. Dieser Rechtsmeinung setzte der Vertreter der SPÖ die Behauptung entgegen, dass sich der vorliegende Wahlvorschlag sehr wohl im Rahmen der „gängigen Staatspraxis“ befände und daher rechtskonform sei.
Der Vorsitz Iieß über die beiden vorliegenden Wahlvorschläge abstimmen. Da niemand eine geheime Abstimmung verlangte, wurde offen abgestimmt. Der Wahlvorschlag für einen Vorsitzenden mit einer fünfjährigen Funktionsperiode blieb mit 4 Stimmen Unterstützung, welche vom Vertreter des BZÖ, dem Vertreter der FPÖ, einem Ländervertreter und der Leiterin des Büros des Datenschutzrates als Vertreterin des Bundes kamen, in der Minderheit. Der Wahlvorschlag für je einen Vorsitzenden mit einer Funktionsperiode von je zwei und einem halben Jahr erhielt mit 4 Gegenstimmen, welche vom Vertreter des BZÖ, dem Vertreter der FPÖ, einem Ländervertreter und der Leiterin des Büros des Datenschutzrates als Vertreterin des Bundes kamen, die Stimmenmehrheit.
Der stv. Vorsitzende, welcher als durch diesen Vorgang zum Vorsitzenden gewählt agierte, nahm die Wahl dankend an und fragte den 2. stellvertretenden Vorsitzenden, ob dieser die Wahl annehme, welches dieser (für die Zeit in zwei und einem halben Jahr) bejahte. Stellvertretende Vorsitzende wurden nicht gewählt.
Diese Vorgangsweise drängt nach Beantwortung einiger Fragen. Die unterzeichneten Abgeordneten stellen daher aus gegebenem Anlass an den Bundeskanzler folgende
Anfrage
1. Wer ist nach Ihrem Wissensstand derzeit (Stand: 18. April 2007) für die Dauer welcher Funktionsperiode Vorsitzender des beim Bundeskanzleramt eingerichteten Datenschutz- rates?
2. Wer sind derzeit (Stand: 18. April 2007) für die Dauer welcher Funktionsperiode die zwei stellvertretenden Vorsitzenden des Datenschutzrates?
3. Teilen Sie die Rechtsansicht der SPÖ-Vertreter im Datenschutzrat, dass es sich bei einem Wahlvorschlag: „Der Datenschutzrat möge für die ersten zwei und ein halb Jahre den derzeit 1. stellvertretenden Vorsitzenden des Datenschutzrates, für die darauf folgenden zwei und ein halb Jahre den derzeit 2. stellvertretenden Vorsitzenden zum Vorsitzenden des Datenschutzrates wählen“ um einen mit § 43 Abs. 2 Datenschutzgesetz 2000 rechtskonformen Wahlvorschlag handelt? Wenn nein, warum nicht?
4. Teilen Sie die Ansicht der SPÖ-Vertreter im Datenschutzrat, dass es sich bei einem Wahlvorschlag, „Der Datenschutzrat möge für die ersten zwei und ein halb Jahre den derzeit 1. stellvertretenden Vorsitzenden des Datenschutzrates, für die darauf folgenden zwei und ein halb Jahre den derzeit 2. stellvertretenden Vorsitzenden zum Vorsitzenden des Datenschutzrates wählen“ um eine „gängige Staatspraxis“ handelt? Wenn nein, warum nicht?
5. Was hat man sich in diesem Zusammenhang unter einer sogenannten „gängigen Staatspraxis“ vorzustellen?
6. Kann sich, Ihrer Ansicht nach, eine „gängige Staatspraxis“ contra legem entwickeln? Wenn ja, was werden Sie wann dagegen unternehmen?
7. Welche Maßnahmen werden Sie als Bundeskanzler wann setzen, damit dem beim Bundeskanzleramt eingerichteten Datenschutzrat endlich wieder gesetzeskonform vorgesessen wird?
Wien, den 25. April 2007