777/J XXIII. GP

Eingelangt am 03.05.2007
Dieser Text wurde elektronisch übermittelt. Abweichungen vom Original sind möglich.

 

ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Haidlmayr, Freundinnen und Freunde

 

an den Bundesminister für Wirtschaft & Arbeit

 

betreffend "Aussteuerung“ aus dem Arbeitslosenbezug von Menschen mit Behinderung

 

In den letzten Monaten kam es für Menschen mit Behinderung zu einem enorm hohen Anstieg von „Aussteuerungen“ aus dem Arbeitslosenbezug. Wie aus dem AMS zu erfahren ist, sind es heuer bereits hunderte Menschen, die davon betroffen sind.

 

Ein Anruf beim AMS ergab, dass sich die Behinderung nicht intensivieren („verschlechtern“) muss, um „ausgesteuert“ zu werden. Es genügt bereits, wenn die betroffene Person mit Behinderung seit Jahren auf keinen festen Arbeitsplatz vermittelt werden kann, weil die Angebote an Ausbildungen, Qualifizierungen und ähnlichen Maßnahmen nicht zum gewünschten unbefristeten Dienstverhältnis führten.

 

Von Arbeitsassistenzzentren wird berichtet, dass auch Schulungsmaßnahmen und andere Maßnahmen, die zur Integration am ersten Arbeitsmarkt führen sollen, für die arbeitssuchenden Menschen mit Behinderung nicht mehr gefördert und/oder verlängert werden, wenn sie Arbeitslosengeld beziehen. Dies passiert unter Berufung auf § 8 Arbeitslosenversicherungsgesetz.  

 

Obwohl sich bei diesen Menschen die Behinderung nicht verschlechtert hat, wird an ihrer Arbeitsfähigkeit gezweifelt und sie werden gezwungen, sich ärztlich untersuchen zu lassen, mit dem Ergebnis, dass sie plötzlich als arbeitsunfähig abqualifiziert und „ausgesteuert“ werden. Diese Menschen landen dann im Regelfall in der Sozialhilfe, da sie sich im Laufe ihrer beruflichen Tätigkeit noch keine Anwartschaft auf eine Pension erwerben konnten. Vielfach werden Angehörige auch aufgefordert, für „ihre“ Behinderten die noch fehlenden Pensionszeiten nachzukaufen.

 

 

 

Diese Vorgangsweise der „Aussteuerung“ ist nicht nur der klassische Fall von Diskriminierung aufgrund einer Behinderung, sondern bringt diese Menschen in ein „Dasein“, nichts mehr arbeiten zu dürfen, obwohl sie könnten, wenn ihnen das AMS eine der Behinderung entsprechende Arbeitsstelle vermitteln würde.

Mit dieser vom AMS gesetzten ungeheuerlichen Vorgangsweise wird die Arbeitslosigkeit von Menschen mit Behinderung beseitigt, indem sie einfach aus dem Bezug geworfen und ausgesteuert werden. 

     

So wird auf Kosten von Menschen mit Behinderung die Arbeitslosenstatistik beschönigt und so getan, als ob es in diesem Bereich keinen kontinuierlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit gäbe.

Denn während sich die Arbeitslosigkeit bei Menschen ohne Behinderung in letzter Zeit verringert hat, steigt sie bei Menschen mit Behinderungen weiter an.

Mit dieser menschenverachtenden Beseitigung von Menschen mit Behinderung aus der Arbeitswelt kann sich das AMS ihrem tatsächlichen Auftrag, auch für die Vermittlung von Menschen mit Behinderung einen entsprechenden Arbeitsplatz zu suchen, entledigen.  Den betroffenen Menschen mit Behinderung oder deren SachwalterInnen  wird lediglich ein Formular in die Hände gedrückt, auf dem sie ausfüllen sollen, mit welcher Begründung eine Arbeitsfähigkeit nicht mehr gegeben ist, obwohl diese mutmaßliche Begründung ausschließlich durch das AMS erfolgt.

 

Die vom AMS geforderte ärztliche Untersuchung wird, wie eine Ärztin der Behörde zugab, gar nicht durchgeführt, da die ÄrztInnen, die über das weitere Schicksal dieser Menschen entscheiden sollen, über kein Fachwissen betreffend der jeweiligen speziellen Behinderung verfügen. Deshalb beschränken sich diese sogenannten „Untersuchungen“ in der Regel auf eine Dauer von 5-12 Minuten!!!

 

Auch wenn sich die Menschen mit Behinderung NICHT gegen diese sogenannte Untersuchung wehren, erhalten sie kein Arbeitslosen- bzw. Übergangsgeld, wenn aus der Aktenlage ersichtlich ist, dass die betroffene Person sich noch keine Anwartschaft für eine Pension erwerben konnte.

Diese „Fälle“ führen dazu, dass Menschen mit Behinderung, nachdem sie keinen Arbeitslosengeldbezug mehr erhalten, nicht mehr krankenversichert sind und somit automatisch in der Gruppe der nicht sozialversicherten Menschen landen.

 

 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

 

 

1.      Wie viele Menschen mit Behinderung  wurden in den Jahren 2000 bis einschließlich März 2007 vom Arbeitslosengeld „ausgesteuert“?

(Bitte um Aufstellung nach Bundesland, Kalenderjahr, Anzahl und Alter der betroffenen Personen und konkrete Begründung, die zur „notwendigen“ „Aussteuerung“ führten)

 

2.      Wie viele der betroffenen Menschen mit Behinderung erhielten  Übergangsgeld und waren daher noch krankenversichert?

(Bitte um Aufstellung nach Bundesland, Kalenderjahr, Anzahl und Alter der betroffenen Personen)

 

3.      Wie viele der betroffenen Menschen mit Behinderung erhielten KEIN Übergangsgeld und waren dadurch NICHT mehr krankenversichert?

(Bittel um Aufstellung nach Bundesland, Kalenderjahr, Anzahl und Alter der betroffenen Personen)

 

4.      Laut welchen gesetzlichen Bestimmungen waren die unter Punkt 3 betroffenen Menschen mit Behinderung weiter krankenversichert? 

 

5.      Wie viele dieser Personen lt. Punkt 3 sind durch die „Aussteuerung“ zu SozialhilfeempfängerInnen degradiert worden?

(Bitte um Aufstellung nach Bundesland, Kalenderjahr, Anzahl und Alter der betr. Beh. Personen)

 

 

6.      Wie viele Menschen mit Behinderung sind nach der „Aussteuerung“ durch das AMS  notgedrungen zu Invaliditäts- bzw. zu  BerufsunfähigkeitspnsionistInnen geworden?

(Bitte um Aufstellung nach Bundesland, Kalenderjahr, Alter der betroffenen Personen sowie Aufgliederung nach Invaliditäts- bzw. Berufsunfähigkeitspension)

 

7.      Wie hoch ist die unter Punkt 6 angeführte durchschnittliche Invaliditäts- bzw. Berufsunfähigkeitspension, die den Betroffenen monatlich zugesprochen wurde?

(Bitte um Aufstellung nach Bundesland, Kalenderjahr, Alter der betroffenen Personen sowie Angabe der durchschnittlichen Höhe der jeweiligen Invaliditäts- bzw. Berufsunfähigkeitspension)

 

8.      Wie viele dieser Pensionen lt. Punkt 6 erhielten eine zeitlich befristete Pension?

(Bitte um Aufstellung nach Bundesland, Kalenderjahr, Anzahl und Alter der betroffenen  Personen und Dauer der Befristung)

 

9.      Wie vielen dieser Personen lt. Punkt 8 wurde in der Folge eine unbefristete Pension zugesprochen?

(Bitte um Aufstellung nach Bundesland, Kalenderjahr, Anzahl und Alter der betroffenen Personen)

 

10.    Wie viele Personen wurden dadurch zwangsweise in die Sozialhilfe geschickt?

(Bitte um Aufstellung nach Bundesland, Kalenderjahr, Anzahl und Alter der betr. beh. Personen)

 

11.    Wie sind die  unter Punkt 10 betroffenen Menschen mit Behinderung krankenversichert?

(Bitte um Aufstellung nach Bundesland, Kalenderjahr, Anzahl und Alter der betr. beh. Personen und Art der Krankenversicherung)

 

12.     Wurde von Seiten des AMS versucht, die „ausgesteuerten“ Menschen wieder in den Arbeitsprozess zu integrieren?

 

Wenn ja: Bei wie vielen  „ausgesteuerte“ Menschen mit Behinderung wurde mit welchen arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen ein unbefristetes Dienstverhältnis am ersten Arbeitsmarkt erreicht?

(Bitte um Aufstellung nach Bundesland, Kalenderjahr, Anzahl und Alter der betroffenen Personen)

 

Wenn nein: Was ist die konkrete Begründung dafür, dass sich das AMS von  diesen betroffenen Personen für immer verabschiedet hat?

 

13.    Sind Sie bereit, diese ungeheuerliche Vorgangsweise unverzüglich einzustellen?

 

Wenn ja: Bis wann werden Sie welche konkrete gesetzliche Maßnahme dem Parlament zur Beschlussfassung vorlegen, die sicherstellt, dass solche Schritte  in Zukunft nicht mehr vorkommen können?

 

Wenn nein: Was ist der konkrete Grund dafür, Menschen mit Behinderung „auszusteuern“?