856/J XXIII. GP
Eingelangt am 23.05.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
des Abgeordneten Gerhard Steier
und GenossInnen
an die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend
betreffend Lärmbelastungen von Jugendlichen
Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene sind aufgrund ihres Freizeit- und Musikkonsumverhalten besonders gefährdet, sich Gehör gefährdenden Schallpegeln auszusetzen. Das Gehör wird durch laute Beschallung frühzeitig geschädigt: regelmäßige Diskothekenbesuche und Musik-Großveranstaltungen, der erhöhte Konsum von Musik zu Hause und vor allem über tragbare Tonwiedergabegeräte (Discman, MP3-Player, I-Pods,...) sowie die Geräuschumgebungen von PC-Spielen tragen dazu bei
In den letzten Jahren ist eine Abnahme der Hörfähigkeit bei Jugendlichen zu beobachten: einer Untersuchung des Deutschen Kinderhilfswerks zufolge („Kinder und Jugendliche in Deutschland 2006, Zahlen, Daten, Fakten") „wiesen im Zeitraum 2003-2006 13% der 3-14jährigen bei mindestens einer Testfrequenz einen
Hörverlust von über 20 dB auf. Bei 2,4% lag sogar ein Hörverlust von über 30 dB vor".
MP-3-Player, I-Pods,... werden in der Praxis mit sog. Earbud-Hörern (kleine
Ohrhörer, die direkt in die Ohrmuschel gesteckt werden) verwendet. Diese dämpfen Außengeräusche schlecht - daher muss die Lautstärke erhöht werden, um ungestört Musik hören zu können. Die Musik aus dem MP3-Player wird dann so laut, dass oft auch der Busnachbar mithören muss. Eine britische Studie mit jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 24 zeigt, dass 42 % der MP3-Nutzer Musik bei überhöhter Lautstärke hören. Auch wenn nicht sofort ein Hörverlust eintritt, lässt bei solchem Verhalten das Hörvermögen im Lauf der Zeit Schritt für Schritt nach. Anzumerken wäre, dass Gehörschäden - je nach konstitutioneller Veranlagung - aber schon bei 80 Dezibel auftreten können.

Portable Player wie Discman, MP3-Player, I-Pods, ... erzeugen sehr unterschiedliche Lärmpegel - zwischen 91 und 121 dB. Mit der europäischen Norm EN 50332-1 für tragbare Musikwiedergabegeräte wurde ein Maximalpegel von Geräten mit definiert zugeordnetem Kopfhörer auf 100 dB(A) festgelegt.
Nun hat aber eine Studie der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA)
2006 gezeigt, dass viele Geräte den EU-weit festgeschriebenen Lautstärkepegel überschreiten: Zehn der in der Schweiz meistverkauften MP3-Geräte nach der
Euronorm 50332 wurden getestet; mit aktueller Musik erreichten die Geräte Dauerschallpegel von über 100 dB(A) und Maximalpegel-Werte von 103-109 dB(A)
bei Verwendung der Original-Ohrhörer. Gemessen wurden Dauerschallpegel-Werte
von 95-103 dB(A); das entspricht dem Schallpegel einer Motorkettensäge oder
eines Presslufthammers. Als besonders heikel fürs Gehör wurde die Kombination
eines MP3-Players mit nachträglich anderer Ohrhörer-Ausrüstung von höherer Lautstärke-Leistung eingestuft; in diesem Fall wurden Maximalpegel von 116 dB(A)
und ein Dauerschallpegel von 109 dB(A) gemessen. „Die Erklärung liegt in der Norm,
die ein standardisiertes Testgeräusch statt Musik verwendet. Die Norm geht davon
aus, dass der Dauerschallpegel von Musik rund 10 dB unter dem Pegel des Testgeräusches liege, was früher auch zutraf. Aktuelle Musik wird aber so
aufbereitet, dass sie möglichst laut wirkt und die digitale Aufzeichnung voll ausnützt.
So erreicht diese Musik sogar höhere Dauerschallpegel als das Testgeräusch.........
Besonders kritisch steigen die Werte, wenn andere als die mitgelieferten Kopfhörer angeschlossen werden. In diesem Fall könnten Dauerschallpegel von 109 dB und Maximalpegel bis zu 116 dB erreicht werden", so die Suva-Experten.
Der Ipod-Hersteller Apple hat bereits auf das Problem reagiert: seit März 2006 ist für
die KonsumentInnen über ein Software-Update eine Einstellung der
Maximallautstärke möglich. Dadurch können auch Eltern bei den Geräten ihrer
Kinder einen Wert fixieren, der nur mittels eines Codes geändert werden kann.
In Diskotheken, Klubs und ähnlichen Orten mit Musikdarbietungen werden zum Teil beträchtliche Lärmpegel (zu fortgeschrittener Stunde durchaus über 110 Dezibel,
also weit über dem hörschädigenden Bereich) erreicht, für die bei den dort
Beschäftigten betriebliche Schutzmaßnahmen gesetzlich vorgesehen sind:
Die Lärm-Richtlinie 2003 (RL 2003/10/EG über Mindestvorschriften zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer vor der Gefährdung durch physikalische Einwirkungen) legt Mindestanforderungen für den Schutz der Arbeitnehmer/innen
gegen tatsächliche oder mögliche Gefährdungen ihrer Gesundheit und Sicherheit
durch Einwirkungen von Lärm, insbesondere die Gefährdung des Gehörs, fest. Diese Mindestanforderungen gelten auch für den Musik- und Unterhaltungssektor. Die Umsetzung in nationales Arbeitnehmerschutzrecht erfolgte durch die Verordnung
Lärm und Vibrationen - VOLV, BGBl. II Nr. 22/2006.
2004 wurden von den Arbeitsinspektionen die Lärmsituation in Pubs, Musikcafes, Tanzcafes und Diskotheken in ganz Österreich untersucht. Die Ergebnisse waren ernüchternd: In zwei Drittel aller untersuchten Bereiche wurden die Grenzwerte überschritten, auf jeden Fall aber in Bar- und DJ-Bereichen.

Diese Lautstärken bergen ebenso wie lautes Musikhören über mobile Geräte oder über Lautsprecher bei Musik-Großveranstaltungen wie zum Beispiel Open-Air- Konzerten gesundheitliche Risiken, derer sich weder die Mehrzahl der Besucher noch der Diskothekenbetreiber beziehungsweise Veranstalter immer bewusst sind.
Die unterzeichneten Abgeordneten richten daher an die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend nachstehende
Anfrage:
1. Wie viele Menschen leiden in Österreich unter Hörstörungen?
2. Existieren aktuelle Untersuchungen, die die Hörfähigkeit von Kindern und Jugendlichen in Österreich beleuchten?
3. Wenn ja, mit welchem Resultat? Welche Arten von Lärm sind hierfür speziell verantwortlich?
4. Wenn nein, werden Sie eine entsprechende Untersuchung in Auftrag geben - z.B. ähnlich der Untersuchung der deutschen Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin „Lärmbelastung von Schülern", die als Basis für Präventionsmaßnahmen dienen soll?
5. Hat sich die Hörfähigkeit österreichischer Kinder und Jugendlicher in den letzten zehn Jahren verschlechtert?
6. Für Jugendliche und junge Erwachsene ist der Besuch von Diskotheken eine wichtige Freizeitaktivität: 25% der 10-19-jährigen und 35% der 20-29-jährigen frequentieren in ihrer Freizeit Diskotheken und Clubbings. Möglicher gesundheitlicher Risken durch überlaute Musik ist sich die Mehrzahl der BesucherInnen nicht bewusst; große Teile der BesucherInnen von Diskotheken und des Publikums von Konzerten würden niedrigere Musiklautstärken nicht nur akzeptieren, sondern diese sogar wünschen, weil sie sich wegen der Lautstärke in den Orten nicht wohlfühlen oder sogar Schmerz- und Taubheitsempfindungen haben. Welche Initiativen wird Ihr Ressort diesbezüglich setzen?
7. Haben sich aus Ihrer Sicht die bestehenden Regelungen und Normen bewährt oder gibt es auch angesichts der in der Einleitung zitierten Untersuchungsresultate Überlegungen, deutlich niedrigere Pegelbegrenzungen für mobile Geräte mit Kopfhörern einzuführen?
8. Planen Sie zielgruppenorientierte und altersgemäß aufbereitete Informations- und Aufklärungskampagnen für Kinder und Jugendliche zu den Gefahren von
Freizeitlärm? Wenn ja, ab wann und in welcher Form?