862/J XXIII. GP
Eingelangt am
24.05.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Mag.a Elisabeth Grossmann
und GenossInnen
an die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend
betreffend: Förderung von Jugendorganisationen mit rechtsextremen Kontakten
Durch das Bundes-Jugendförderungsgesetz, in Kraft getreten 2001, wurde die Jugendförderung neu strukturiert und der Kreis der geförderten Organisationen erweitert. Dafür sind im Bundes-Jugendförderungsgesetz Grundsätze definiert, an denen sich die förderungswürdige Jugendarbeit orientieren soll. So nennt der § 3 als erstrebenswerte Zielsetzungen beispielsweise die „Demokratieförderung“ (§ 3 Z 3) und die „Förderung der Bereitschaft junger Menschen zu Toleranz, Verständigung und friedlichem Zusammenleben sowie Förderung des gegenseitigen Verständnisses im innerstaatlichen wie auch im internationalen Bereich" (§ 3 Z 6). Darüber hinaus verlangt § 4, dass die Organisationsstatuten der geförderten Vereine „mit dem Bekenntnis zur demokratischen Republik Österreich, mit den Grundwerten des Friedens, der Freiheit und der parlamentarischen Demokratie sowie der Menschenrechte und des Rechtsstaates in Einklang stehen" (Abs 1 Z 1 litt. a) müssen. Auch die „Richtlinien zur Förderung der außerschulischen Jugenderziehung und Jugendarbeit" fordern in § 5 Abs 8, „nachfolgende Prinzipien unbedingt einzuhalten und auf Verlangen in geeigneter und angemessener Weise den Nachweis darüber zu führen: Partizipation, Subsidiarität, Pluralität, Gleichberechtigung von Frauen und Männern, Toleranz und gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe aller Jugendlichen, Freiwilligkeit der Inanspruchnahme, Fachlichkeit, Qualitätssicherung."
In Zusammenhang mit den genannten inhaltlichen Kriterien wurde bereits in der Vergangenheit die Gewährung von Förderungen an den Österreichischen Pennäler Ring (ÖPR), der im Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus Erwähnung findet, vehement kritisiert. Der ÖPR erhält dabei seit 2001 jährlich eine Basisförderung von EUR 14.534,57 plus diverse Projektförderungen in ähnlicher Höhe (Gesamtsumme 2001-2005: 158 576,76). Dabei vertritt der Dachverband deutschnationaler bis rechtsextremer Mittelschulverbindungen öffentlich das
„Bekenntnis, dass Österreich, genauso wie auch Südtirol und der größte Teil der Schweiz, immer ein Teil der deutschen Volks- und Kulturgemeinschaft war und auch weiterhin ist." Im ÖPR-Organ Junges Leben finden sich neben offen rassistischen Texten mehrere Hinweise auf den organisierten Rechtsextremismus, z. B.: Bewerbung rechtsextremer („revisionistischer") Literatur und Zeitschriften (Quelle: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes).
In der ÖPR-Zeitschrift Junges Leben heißt es beispielsweise auch zum Thema Demokratie: "Die Demokratie ist in Wirklichkeit die Herrschaft von Mehrheiten über Minderheiten, wobei diese Mehrheiten wiederum auf eine höchst undemokratische Weise von Parteioligarchien kommandiert werden... Seit Aristoteles und Platon ist bekannt, dass sich die Tyrannis auf ganz natürliche Weise aus der Demokratie heraus entwickelt." Und: "Aus all den genannten Kritikpunkten bin ich ein erklärter Gegner der Demokratie." Geschrieben wurde dies ausgerechnet von einem pensionierten HTL- Professor. (Quelle: Salzburger Nachrichten 26.3.2005)
Angesichts dieser Tatsachen stellt sich die Frage, inwieweit der Österreichische Pennäler Ring wie im Gesetz vorgeschrieben zur Demokratieförderung, Toleranz und vor allem auch zur Gleichberechtigung von Mann und Frau - angesichts der mensurfechtenden männerbündischen Strukturen - beiträgt.
Beim Ring Freiheitlicher Jugend (RFJ) lassen sich ebenfalls Vorgänge beobachten, die nicht im Einklang mit den Grundsätzen der Jugendförderung zu sein scheinen. Nur einige Beispiele: Erst unlängst sorgte der Ring Freiheitlicher Jugend Deutschlandsberg für einen Eklat als er in einer Presseaussendung die Abschaffung des NS-Verbotsgesetzes und die Freilassung von drei „politischen Gefangenen" - Anführer eines Rechtsextremen-Treffens - forderte (Quelle:
http://steiermark.orf.at/stories/188234/, 25.04.2007). Die Entfernung aller Spuren des Nazismus und die Verhinderung von nazistischer Tätigkeit und Propaganda sind jedoch Grundpfeiler der Zweiten Republik, die auch verfassungsmäßig verankert sind. Wörtlich führt der Verfassungsgerichtshof auch in einem Urteil aus: "Die kompromisslose Ablehnung des Nationalsozialismus ist ein grundlegendes Merkmal der wiedererstandenen Republik." (Erk VfSIg 10.705 aus dem Jahre 1985)
Auch sonst scheinen einzelne Funktionäre des Rings Freiheitlicher Jugend den Kontakt mit der extremen Rechten nicht zu scheuen: Dies soll kurz am Beispiel des Obmanns des RFJ-Kärnten, Christoph Töfferl, dargestellt werden: Dieser war im
NPD-Blatt Deutsche Stimme (DS) (angeblich ungewollt) mit einem Gastkommentar vertreten. Töfferl, der bei den NR-Wahlen 2006 für die FPÖ kandidierte, behauptet dort die Existenz einer "organisierten Umvolkungsmaschinerie" und bangt „um die Zukunft unseres deutschen Kulturgutes und unserer deutschen Muttersprache". Auch sonst findet er sehr bezeichnende Worte: "Doch wehe, man bekennt sich zu seinen deutschen Wurzeln und ist stolz auf sein Volk mit seiner 1000-jährigen Geschichte. Dann haben einen die Bluthunde des Staates sofort gewittert." Seine Conclusio lautet daher: „Heute bist du tolerant und morgen fremd im eignen Land." Und „Gemeinsam können wir diesen Zerstörungsversuch unseres Deutschtums noch verhindern." (http://www.deutsche-stimme.de/Ausqaben2007/Sites/04-07-Toefferl.html) Derselbe Christoph Töfferl hat auch schon die Teilnahme an einem Treffen der Europäischen Nationalen Front (ENF), die das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes als einen „Zusammenschluss von Neonazis und Neofaschisten unter der Ägide der NPD" bezeichnet, (angeblich lediglich als Privatperson) im Februar 2007 in Risa in Sachsen zugegeben (Kurier, 19.04.2007). Interessant sind auch die Einträge in einem Forum auf der Homepage der Freiheitlichen Südtirol, in denen Töfferl die Verbindung gleichgeschlechtlicher Paare explizit als „perverse Verbindung" (11.12.2006) tituliert und Südtirol als „südlichsten Teil Österreichs" (1.12.2006) bezeichnet (http://www.die-freiheitlichen.com/index.php?id=84). Eben jener Christoph Töfferl wurde am 14. April 2007 mit 29 von 30 Delegiertenstimmen zum neuen Obmann des RFJ-Kärnten gewählt. „In seiner abschließenden Stellungnahme forderte der neu gewählte Landesobmann alle RFJ-Mitglieder zur aktiven Mitarbeit auf: ,Nur wenn wir massiv gegen die Unterwanderung unseres Volkes auftreten, können wir auch eine gesicherte Zukunft für unsere Kinder garantieren', so Töfferl am RFJ Landesjugendtag." (OTS 0097,17.4.2007, ausgeschickt vom Freiheitlichen Parlamentsklub)
Dass diese Vorkommnisse keine Einzelfälle sind, zeigt auch die Teilnahme des stellvertretenden RFJ-Bezirksobmanns in Linz-Land, Andreas Retschitzegger, an Veranstaltungen des neonazistischen Bundes freier Jugend (BfJ). Der Bund freier Jugend wurde dann auch in der Folge von RFJ-Landesobmann Detlev Wimmer als „eine Jugendorganisation wie jede andere auch" bezeichnet (Oberösterreichische Nachrichten 6.2.07). Medienberichte zufolge traten des weiteren Mitglieder des RFJ bei der Bestellung von neonazistischem Propagandamaterial in Erscheinung (profil
5.2.07). Einen regelmäßigen Auftritt hat der Ring Freiheitlicher Jugend auch in Zusammenhang mit den Gedenkfeiern an den NS-„Fliegerhelden" Walter Nowotny.
Doch nicht nur Aktionen einzelner Funktionäre des Rings Freiheitlicher Jugend Österreich scheinen dem Jugend-Förderungsgesetz zu widersprechen, sondern bereits das veröffentlichte Leitbild gibt Anlass zum Zweifel. Dort heißt es beispielsweise unter der Überschrift „Stopp der Überfremdung": „Ebenso wie der deutschen Sprache droht unserem Volk die Überfremdung." Auch gleichstellungspolitische Inhalte sucht man vergebens, statt dessen liest frau: „Die Rolle der Mutter und Hausfrau muss in unserer Gesellschaft eine massive Aufwertung finden und wieder leistbar werden. Nicht die kinderlose Karriere-Frau, sondern die Mutter bei ihren Kindern ist das Idealbild für einen erfolgreichen Fortbestand unseres Volkes. Die Frau als Mutter darf nicht durch wirtschaftliche und gesellschaftliche Zwänge in die Arbeitswelt gedrängt werden. Für die Wirtschaft muss es steuerlich attraktiv sein, Mütter halbtags zu beschäftigen." (Quelle: http://www.rfj.at/standpunkte/index.php) Kein Zweifel kann darüber bestehen, dass dieses Leitbild auch in die Realität umgesetzt wird, so findet sich auf der Homepage eine „PISA-Quizfrage: Wer von den folgenden Gruppen kann eher nicht lesen und schreiben? A) Kinder inländischer Eltern? B) Kinder ausländischer Eltern?" Die Presseaussendungen des Bundesobmanns Mag. Johann Gudenus tragen folgerichtig Titel wie „Erst Deutsch - dann Schule" (2.4.2007) und „Keine schwulen Pflegeeltern!!" (24.11.2006). Dass die angeführte Gesinnung keinerlei Grenzen kennt, verdeutlicht ein auf der Homepage des Ringes Freiheitlicher Jugend Steiermark veröffentlichter Text vom 9.4.2007 mit dem Titel „’Lieber’ Sodomie statt ‚echte' Vergewaltigung", wo es nach einer abenteuerlichen Geschichte heißt: „Denn im Generellen scheint Geschlechtsverkehr mit Tieren im Islam eine gewisse Tradition zu haben", verbunden mit dem Rat „als Sofortmaßnahme" in Graz gegen Vergewaltigungen eine „Schaf-Herde im Stadtpark" grasen zu lassen. (Quelle: http://www.rfj-stmk.at/index.php?ID=9)
Da die Erfüllung der Forderung des Bundes-Jugendförderungsgesetzes nach einer Jugendarbeit, die die „Bereitschaft junger Menschen zu Toleranz, Verständigung und friedlichem Zusammenleben" durch ein solches Leitbild und auch durch einzelne Aktion doch zumindest sehr fraglich scheint, richten die unterzeichneten
Abgeordneten an die Bundesministerin für Gesundheit, Familie und Jugend nachstehende
Anfrage
1. Sind Sie als zuständige Ministerin der Meinung, dass vom Österreichischen Pennäler Ring und vom Ring Freiheitlicher Jugend die in § 3 Z 3 und 6 Bundes- Jugendförderungsgesetz angeführten Grundsätze und die in § 4 Abs 1 Z 1 litt. a leg. cit. genannten Voraussetzungen berücksichtigt werden? Wenn ja, inwiefern? Wenn nein, welche Konsequenzen werden Sie daraus ziehen?
2. Sind Sie als zuständige Ministerin der Meinung, dass vom Österreichischen Pennäler Ring und vom Ring Freiheitlicher Jugend die in § 5 Abs 8 der „Richtlinien zur Förderung der außerschulischen Jugenderziehung und Jugendarbeit" genannten allgemeinen Voraussetzungen erfüllt werden? Wenn ja, inwiefern? Wenn nein, welche Konsequenzen werden Sie daraus ziehen?
3. Werden die beiden genannten Organisationen auch im Jahr 2007 Förderungen erhalten? Wenn ja, in welcher Höhe? Wenn nein, warum nicht?
4. Ihr Vorgänger, Herbert Haupt vertrat in seiner Zeit als zuständiger Minister die Ansicht, dass eine Förderungswürdigkeit beim österreichischen Pennäler Ring vorliegt, da dieser keine verbotenen Tätigkeiten ausübt und auch von der Vereinspolizei nicht untersagt wurde (1237/AB XXII GP). Sind sie als zuständige Ministerin bei einem sensiblen Thema wie der Jugendförderung ebenfalls der Meinung, dass bereits das Fehlen von strafbaren Handlungen eine ausreichende Grundlage für eine Förderung nach dem Bundes-Jugendförderungsgesetz darstellt?
5. Wurde das Leitbild des Rings Freiheitlicher Jugend vor Gewährung der Förderungen überprüft? Wenn ja, was hat diese Prüfung ergeben? Wenn nein, warum nicht?
6. Ist die Forderung nach Abschaffung des NS-Verbotsgesetzes ihrer Kenntnis nach vereinbar mit dem im Bundes-Jugendförderungsgesetz geforderten Bekenntnis zur Republik Österreich? Wenn ja, wie begründen Sie dies?
7. Welchen Beitrag leisten konkret die beiden genannten Organisationen zu der in den Richtlinien geforderten Gleichstellung von Mann und Frau?
8. Hat der Österreichische Pennäler Ring die Einhaltung des Prinzips der Förderung der Gleichstellung von Mann und Frau nachgewiesen, wie dies in den Richtlinien vorgesehen ist? Wenn ja, auf welche Weise? Wenn nein, werden sie hier zukünftig einen Nachweis verlangen?
9. Im Regierungsprogramm ist die Novellierung des Bundes- Jugendförderungsgesetzes vorgesehen: Werden Sie als zuständige Ministerin dahingehend Reformschritte setzen, dass die Gleichstellung von Mann und Frau, die gleichberechtigte Teilhabe und Partizipation an den Angeboten der geförderten Jugendarbeit zukünftig Bedingung für die Gewährung von Förderungen nach dem Bundes-Jugendförderungsgesetz wird?
10. Sehen Sie als zuständige Ministerin generell Reformbedarf, was die inhaltlichen Kriterien für die Gewährung von Förderungen betrifft? Wenn ja, welche Änderungen sind hier geplant? Wenn nein, warum nicht?
11. In den Statuten des Österreichischen Bundesjugendrings, der bis ins Jahr 2000 eine wesentliche Funktion bei der Verteilung der Mittel zur außerschulischen Jugendförderung innehatte, hieß es unter anderem im § 2: „Der ÖBJR tritt allen militaristischen, rassistischen, nationalistischen, faschistischen und totalitären Tendenzen mit allen demokratischen Mitteln entschieden entgegen." Können Sie sich eine Präzisierung ähnlicher Art auch für das Bundes-Jugendförderungsgesetz vorstellen? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, werden Sie Reformschritte in diese Richtung unternehmen?
12. Welche Organisationen erhielten in welcher Höhe im Jahr 2006 Basis- und/ oder Projektförderungen nach dem Bundes-Jugendförderungsgesetz?