872/J XXIII. GP

Eingelangt am 30.05.2007
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ANFRAGE

 

 

der Abgeordneten Haidlmayr, Freundinnen und Freunde

 

an Bundesministerin  für Unterricht, Kunst und Kultur

 

betreffend Zurücknahme des Lehrbehelfes "Biomedizin: Die Genetik des Menschen"

 

Der Unterrichtsbehelf "Biomedizin: Die Genetik des Menschen" des Genetikers 
Univ. Prof. Dr. Markus wurde seitens des Unterrichtsministeriums für den Unterrichtsgegenstand Biologie und Umweltkunde an allgemein bildenden höheren Schulen der 8. Klasse freigegeben.  
Das kürzlich erschienene Lehrbuch soll einen fachlichen Überblick zum Thema Genforschung vermitteln. Gleichzeitig möchte der Genetiker von der Universitätsklinik für Frauenheilkunde im AKH eine Basis für "abwägende Diskussionen" im "Jahrtausend der Biomedizin" schaffen. Menschen mit Behinderungen werden in dem Lehrbuch jedoch  im höchsten Ausmaß diskriminierend dargestellt. Dieses Lehrbuch ist daher für die objektive Wissensvermittlung für Schüler und Schülerinnen der 8. Schulstufe völlig ungeeignet. 
 
Ohne jede Einführung in die komplexe Materie der Genetik werden gleich zu
Beginn des Lehrbuches genetisch bedingte Krankheitsbilder aufgelistet und in
einem stark defizitorientierten Stil beschrieben. Schwarz-Weiß-Bilder von
Kindern mit Down Syndrom stehen im starken Kontrast zu anderen Abbildungen in
der durchwegs farbig gestalteten Broschüre. Besonders entwürdigend wirken
Aufnahmen von nackten Jugendlichen, die auf ihre Syndrome reduziert und wie
Schaustücke im wissenschaftlichen Kontext behandelt werden. Diese Art der
Wissensvermittlung ist menschenverachtend und unverzüglich zu unterlassen. 
 
In seinem Lehrbuch trifft Prof. Hengstschläger aus Sicht der Humanmedizin
keine klare Unterscheidung zwischen Erkrankung und Behinderung, obwohl die
Gendiagnostik sehr wohl zwischen Erbkrankheiten und genetisch bedingten
Behinderungen unterscheidet. 
Krankheit und Behinderung sind zwei unterschiedliche Phänomene.
Eine Krankheit kann zu einer Behinderung führen und eine Behinderung kann
gesundheitliche Probleme nach sich ziehen, z.B. Herzprobleme bei Menschen mit
Down-Syndrom. Behinderung ist keine Krankheit.
 
Die positive Lebensrealität vieler Kinder, Jugendlicher und Erwachsener mit
Behinderungen findet in dem Lehrbuch von Prof. Hengstschläger keine Erwähnung.
Den Jugendlichen wird ein einseitiges und veraltetes Bild von Menschen mit
Behinderungen vermittelt. Das trägt wiederum dazu bei, dass Vorurteile
entwickelt und Barrieren aufgebaut werden. 
 
Neben den harten Fakten sollte den SchülerInnen ein positives Bild von Menschen mit Behinderungen gezeigt werden, denn nur so kann in der Öffentlichkeit vermittelt werden, dass Menschen mit Behinderungen ein integriertes und erfülltes Leben mitten in der Gesellschaft führen können. 
 
Die Darstellung von Menschen mit Behinderungen in diesem Lehrbuch ist
entwürdigend und diskriminierend, die sofortige Rücknahme des Lehrbuchs vom
Unterrichtsgebrauch spätestens im Schuljahr 2007/08 ist sicherzustellen. 
 

 

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgende

 

 

ANFRAGE:

 

1. Ist Ihnen dieser Unterrichtsbehelf bekannt und sind auch Sie der Ansicht,
dass die Darstellung von Menschen mit Behinderungen in dieser Form nicht nur
falsch ist, sondern eine Diskriminierung darstellt, die es in dieser Form
(Gott sei Dank) schon lange nicht mehr gegeben hat? 
 
Wenn ja: Werden  Sie verbindlich sicherstellen, dass diese Form der Darstellung und
Beschreibung von Menschen mit Behinderungen in diesem Unterrichtsbehelf
unverzüglich, jedoch spätestens mit Beginn des Schuljahr 2007/2008 beseitigt wird?
 
Wenn nein: Wie begründen Sie konkret diese menschenverachtende,
diskriminierende und obendrein falsche Information über Menschen mit
Behinderungen?
 
2. Gibt es Ihres Wissens noch andere Unterrichtsbehelfe in Schulen, Unis und
anderen Bildungseinrichtungen, die Menschen mit Behinderungen diskriminierend
darstellen und beschreiben?
 
Wenn ja: Welche Unterrichtsbehelfe sind dies konkret (Auflistung der Titel)
und ab wann werden diese Darstellungen und Beschreibungen aus dem „Umlauf“
genommen? 
 
3. Vertreten Sie auch die Meinung, dass auch alle Unterrichtsbehelfe von
betroffenen ExpertInnen (also Menschen mit Behinderungen) im Bereich
Diskriminierung etc., überprüft und abgenommen werden sollen, bevor sie im Unterricht verwendet werden? 
 
Wenn ja: Ab wann wird eine solche Abnahme und Freigabe sichergestellt?
Wenn nein: Warum tragen Sie das Risiko, dass Menschen mit Behinderungen in
Unterrichtsmaterialen diskriminiert und auf  menschenverachtende Weise
dargestellt werden, weiterhin mit?
 
4. Teilen Sie die Meinung, dass die „Darstellung und Beschreibung“ von
Menschen mit Behinderungen in der Form, wie sie Univ. Prof. Dr. Hengstschläger in diesem  Unterrichtsbehelf „abhandelt“, die ideale Aufbereitung eines weiteren Nährboden für weitere Diskussionen zum Thema „wertes und unwertes Leben von Menschen mit Behinderungen“ schafft?
 
5. Wie viele  Exemplare des Unterrichtsbehelfes „Biomedizin: Die Genetik des Menschen“ wurden gedruckt und wie viele davon sind seit wann im Einsatz an Schulen?
 
6. Wie hoch sind die Gesamtkosten für diesen Lehrbehelf?
 
7. Wie hoch ist das Honorar, welches Univ. Prof. Dr. Hengstschläger für seine (Mit)Arbeit an der Erstellung dieses Unterrichtsbehelfes erhalten hat?