884/J XXIII. GP
Eingelangt am 04.06.2007
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Anfrage
der Abgeordneten Öllinger, Stoisits, Zach und weiterer Abgeordneter
an den Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz
betreffend „Trümmerfrauenregelung“ und Kriegsgefangenenentschädigung
Mit dem am 7. Juli 2005 beschlossenen Bundesgesetz, mit dem eine einmalige Zuwendung für Frauen als Anerkennung für ihre besonderen Leistungen beim Wiederaufbau der Republik Österreich geschaffen wird, erging eine einmalige Auszahlung von 300 € an alle bedürftigen Österreicherinnen, die vor dem 1. Jänner 1951 mindestens ein Kind zur Welt gebracht haben. Vom Bezug dieser Zuwendung ausgenommen sollten Personen sein, deren Verhalten „mit den Gedanken und Zielen eines freien, demokratischen Österreich unvereinbar war". Die unterzeichneten Abgeordneten fragen sich, auf welche Weise dieser Passus angewandt und umgesetzt wurde.
Das Sozialministerium verwendete im Zusammenhang mit der Kundmachung dieses Gesetzes häufig und explizit den Terminus „Trümmerfrauen", deren Leistungen anerkannt werden sollten. Dazu merkte das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes an: „Und wer wurde 1945 zu Trümmerarbeiten herangezogen? Ehemalige Nationalsozialisten, auch Frauen. Diese Umstände verleihen der Entschädigung für .Trümmerfrauen', die im Übrigen von FPÖ/ BZÖ gefordert worden war, einen bitteren Beigeschmack."[1] Ganz offensichtlich hat das von Ursula Haubner geführte Sozialministerium versucht, den ursprünglich nationalsozialistisch besetzten Begriff der Trümmerfrau mit positiven Konnotationen aufzuladen und so vergangenheitspolitische Umwertungen vorzunehmen.
Weiters erhielten die Begünstigten des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes eine Indexanpassung - bereits nach gerade einmal vier Jahren. Somit ergibt sich eine eigenartige Bevorzugung der Kriegsopfer gegenüber den Opfern des NS-Regimes, da beispielsweise BezieherInnen einer Haftentschädigung nach dem OFG seit mittlerweile 46 Jahren auf eine Indexanpassung warten.
Es hat den Anschein, als seien die „Trümmerfrauenregelung" und die Erhöhung der Kriegs- gefangenenentschädigung die politischen Gegengeschäfte gewesen, ohne die das Anerkennungsgesetz 2005 nicht durchsetzbar gewesen wäre.
Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz folgende
Anfrage:
1 .Ausgenommen vom Bezug der Trümmerfrauenzuwendung sind Frauen, „deren Verhalten in Wort und Tat mit den Gedanken und Zielen eines freien demokratischen Österreich un- vereinbar war". Wie wird dies in der Praxis überprüft?
2. Wie definieren Sie Verhalten, das „mit den Gedanken und Zielen eines freien, demokra- tischen Österreich unvereinbar war"?
3. Wurden Anträge aufgrund dieses Passus abgelehnt? Wenn ja, wie viele?
4. Warum wurde die Altergrenze mit dem Stichtag des Geburtstages vor dem 1.1. 1931 fest- gelegt?
5. Ist es für Sie vorstellbar, dass auch kinderlose Frauen am Wiederaufbau des Landes mit- gewirkt haben? Wenn ja: Warum wird diesen Frauen seitens der Republik diese Form der Anerkennung verwehrt?
6. Sind ehemalige NSDAP- Mitglieder vom Anspruch ausgeschlossen? Wenn ja, wie wird überprüft, ob Antragstellerinnen ehemals NSDAP-Mitglieder waren?
7. Welche Behörden und Abteilungen sind in Österreich bzw. in den Bundesländern für die Ausbezahlung der einmaligen Zuwendung an die so genannten „Trümmerfrauen" zustän- dig? (Bitte um genaue Bezeichnung der zuständigen Abteilungen, AbteilungsleiterInnen und SachbearbeiterInnen)
8. Wann und wie wurden die zuständigen Behörden über die Trümmerfrauenregelung infor- miert?
9. Wie hoch war das Budget für die Bekanntmachung des oben genannten Gesetzes?
10. Gab es im Zusammenanhang mit der Bekanntmachung Informationsveranstaltungen oder Publikationen des Sozialministeriums? Wenn ja, welche? Wenn nein, warum nicht?
11. Gab es im Zusammenhang mit der Bekanntmachung dieses Gesetzes Inserate in Zeitungen oder Zeitschriften? Wenn ja: In welchen und mit welchem Inhalt?
12. Wie häufig trat Sozialministerin Ursula Haubner bei Informationsveranstaltungen zur Trümmerfrauenregelung öffentlich auf?
13. Wie wurden die anspruchsberechtigten Personen von den zuständigen Behörden über ihren Anspruch informiert?
14. Wie viele Anträge sind seit Inkrafttreten des Gesetzes gestellt worden?
15. Wie vielen Anträgen wurde stattgegeben, wie viele wurden abgelehnt, wie viele Anträge befinden sich noch in Bearbeitung?
16. Wie viel Geld ist bisher an ehemalige Trümmerfrauen geflossen? Kriegsgefangenenentschädigung
17. Wie wird überprüft, ob das Verhalten der Antragsteller "in Wort und Tat mit den Gedan- ken und Zielen eines freien demokratischen Österreich unvereinbar war"? Wurden An- träge aufgrund dieses Passus abgelehnt? Wenn ja, wie viele?
18. Welche Behörden und Abteilungen sind in Österreich für die Antragsbearbeitung der Entschädigung zuständig?
19. Wie und wann wurden die zuständigen Abteilungen und Behörden über die Erhöhung der Kriegsgefangenenentschädigung 2005 durch das Sozialministerium informiert?
20. Wie hoch war das Budget in Zusammenhang mit der Bekanntmachung der Erhöhung der Kriegsgefangenenentschädigung 2005?
21. Gab es in Zusammenanhang mit der Bekanntmachung Informationsveranstaltungen oder Publikationen des Sozialministeriums? Wenn ja, welche?
22. Wurde in Zusammenanhang mit der Erhöhung der Kriegsgefangenenentschädigung 2005 in Zeitungen inseriert? Wenn ja: In welchen und mit welchem Inhalt?
23. Wie viele Anträge auf Kriegsgefangenenentschädigung gab es seit 2001? Bitte um Auf- schlüsselung nach Ort der Kriegsgefangenschaft.
24. Wie viele Anträge wurden abgelehnt, wie viele anerkannt?
25. Wie viel Geld wurde bislang für die Kriegsgefangenenentschädigung ausgegeben? Bitte um eine Aufschlüsselung vor und nach Juli 2005.
26. Bei der Kriegsgefangenenentschädigung wurde bereits nach 4 Jahren eine Index- anpassung vorgenommen. Was hat diese Maßnahme gekostet?
27. Bei der Haftentschädigung nach OFG wurde bis heute keine Indexanpassung vorgenom- men. Wie erklären Sie sich diesen Umstand? Welche Verbesserungen streben Sie dies- bezüglich an?