885/J XXIII. GP
Eingelangt am 04.06.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Öllinger, Stoisits, Zach und weiterer Abgeordneter
an den Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz
betreffend die Anwendung und Umsetzung des AEG 2005 hinsichtlich des versorgungs- rechtlichen Status der Opfer des NS-Regimes.
Mit dem Anerkennungsgesetz 2005, insbesondere mit der Erweiterung des Opferfür- sorgegesetzes in Artikel II des Gesetzes, wurden erstmals Opfergruppen anerkannt, die jahrzehntelang auf Entschädigungen warten mussten.
In § 1 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes (BGBl. Nr. 183/1947, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 86/2005) werden folgende Gruppen als Opfer politischer Verfolgung genannt:
„ [Personen], die in der Zeit vom 6. März 1933 bis zum 9. Mai 1945 aus politischen Gründen, als Opfer der NS-Militärjustiz, aus Gründen der Abstammung, Religion, Nationalität oder im Rahmen typisch nationalsozialistischer Verfolgung, auf Grund einer körperlichen oder geistigen Behinderung, der sexuellen Orientierung, des Vorwurfes der so genannten Asozialität oder medizinischer Versuche durch Maßnahmen eines Gerichtes, einer Verwal- tungs- (im besonderen einer Staatspolizei-) Behörde oder durch Eingriffe der NSDAP ein- schließlich ihrer Gliederungen in erheblichem Ausmaß zu Schaden gekommen sind."
Damit gelten nach jahrelangen politischen Auseinandersetzungen endlich auch Homo- sexuelle, sogenannte Asoziale, am Spiegelgrund missbrauchte Kinder oder Wehr- machtsdeserteure offiziell als anspruchsberechtigt im Sinne des Opferfürsorgegesetzes.
Dem Langtitel des AEG 2005 ist zu entnehmen, dass dieses mit dem Ziel der „Anerkennung der Leistungen im österreichischen Widerstand sowie zur abschließenden Beseitigung nationalsozialistischer Unrechtsakte" erlassen wurde. Gerade hinsichtlich der Vollziehung des Gesetzes bleiben aber viele Fragen offen, die es zweifelhaft erscheinen lassen, dass damit tatsächlich nationalsozialistische Unrechtsakte abschließend beseitigt wurden und den Opfern des NS-Regimes die ihnen zustehende Anerkennung zuteil wird.
Da aus dem AEG direkt nicht ersichtlich ist, welche Behörden für die Antragstellung auf Opferfürsorge zuständig sind, stellt sich die Frage, ob und auf welchen Wegen Informationen
über Leistungen, die sich aus dem AEG ableiten lassen, an die zuständigen Stellen geflossen sind, und ob die Betroffenen über ihre Rechte informiert wurden. Gleiches gilt für die Novelle des ASVG im Zusammenanhang mit der Anrechnung von Pensionsersatzzeiten. Im Gegensatz zur sogenannten Trümmerfrauenregelung findet sich im AEG 2005 keine adäquate Definition des bezugsberechtigten Personenkreises. Speziell die „Opfer der NS- Militärjustiz" bleiben Undefiniert.
Bemerkenswert ist weiter, dass auch in diesem Gesetz nicht darauf vergessen wurde, in bewährt schlechter österreichischer vergangenheitspolitischer Tradition ein Opferamalgam herzustellen:
„Der Nationalrat bezeugt mit diesem Bundesgesetz den Opfern derartiger Unrechtsurteile, insbesondere auch der Urteile der nationalsozialistischen Militärjustiz, und anderer nationalsozialistischer Unrechtsakte, den Opfern der politischen Verfolgung, den aus ihrer Heimat Vertriebenen, allen Opfern des vom nationalsozialistischen Regime zu verantwortenden Krieges und jenen, die zu dessen Beendigung und zur Befreiung Österreichs beigetragen haben, insbesondere Personen im österreichischen Widerstand, und ebenso deren Familien Achtung und Mitgefühl."
Diese pauschale Gleichsetzung von „den aus ihrer Heimat Vertriebenen" und „allen Opfern des [...] Krieges" mit WiderstandskämpferInnen, Opfern rassistischer Verfolgung und Opfern nationalsozialistischer Unrechtsurteile stellt eine typisch österreichische Verwischung von NS-Opfern und Kriegsopfern dar, die vehement abzulehnen ist.
Unverständlicherweise wurde zudem für die Antragstellung auf eine Befreiungs- Erinnerungszuwendung gemäß AEG 2005 eine sehr kurze Frist gesetzt, die einzuhalten gerade den Neuanspruchsberechtigten beinahe unmöglich war. Es scheint so, als sei die Bundesregierung nach wie vor nicht gewillt, den wenigen noch lebenden Opfern des NS- Regimes diese ohnehin nur symbolische Zuwendung auf unbürokratische, zügige Weise zukommen zu lassen.
Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an den Bundesminister für Soziales und Konsumentenschutz folgende
Anfrage:
1.Welche Personengruppen werden unter dem Begriff „Opfer der NS-Militärjustiz" zusammengefasst? Bitte um eine möglichst detaillierte Aufgliederung nach Delikten.
2. Welche Behörden und Abteilungen sind in Österreich für die Bearbeitung von Opfer- fürsorgeansuchen zuständig? Bitte um genaue Bezeichnung der zuständigen Ab- teilungen, AbteilungsleiterInnen und SachbearbeiterInnen.
3. Fällt die Bearbeitung der Anträge in den Zuständigkeitsbereich der Länder oder des Bundes?
4. Wird vonseiten des Sozialministeriums eine Letztprüfung der Anträge auf Opferfürsorge durchgeführt?
4 a) Wenn ja, in welchem Abschnitt des AEG 2005 ist dies vorgesehen? 4 b) Wenn ja, wie viele Anträge wurden bislang vom Sozialministerium abgelehnt? Wie viele Anträge wurden anerkannt, wie viele befinden sich noch in Bearbeitung?
5. Wie wurden die zuständigen Behörden vom Ministerium über das AEG 2005 und dessen Auswirkungen informiert?
6. Wann erreichte der entsprechende Erlass des Gesetzes die zuständigen Landesbehör- den?
7. Wie hoch war das Budget für die Bekanntmachung des AEG 2005?
8. Welche und wie viele Informationsveranstaltungen und Publikationen gab es im Zusam- menhang mit der Bekanntmachung für die Anspruchsberechtigten?
8 a. Wurde in Zeitungen inseriert? Wenn ja: Wo und was wurde inseriert?
9. Gab es seitens des Ministeriums die Anweisung einer Erhebung aller durch das AEG 2005 als Opfer der NS-Militärjustiz anspruchsberechtigten Personen an die nachgeordneten Abteilungen?
9 a. Wenn nein: Warum nicht?
10. Wie viele Personen haben seit dem Inkrafttreten des AEG 2005 ihre Ansprüche eingebracht?
10 a. Wie lassen sich die gestellten Anträge auf die nun neu anspruchsberechtigten Op- fergruppen aufteilen? (Opfer der NS-Miltärjustiz, sogenannte Asoziale, Opfer von Zwangs- sterilisation, Homosexuelle etc.)
11. Wie viele Anträge wurden abgelehnt, wie vielen wurde stattgegeben, wie viele befinden sich noch in Bearbeitung? Bitte um eine auf die Opfergruppen aufgeschlüsselte Darstellung.
12. Wie viel Geld wurde bislang ausbezahlt?
13. Wie hoch beziffern Sie den finanziellen Mehraufwand, der sich im Bereich der Op- ferfürsorge durch die Neuerungen im AEG 2005 ergibt?
Befreiungs-Erinnerungszuwendung und Befreiungsmedaille
14. Welche Kriterien müssen für die Verleihung der Befreiungsmedaille und die Auszahlung der Befreiungs-Erinnerungszuwendung erfüllt werden?
15. Ist das Ministerium im Besitz einer Auflistung der in Frage kommenden Personen?
15 a. Wenn ja: Warum wird diese den zuständigen Abteilungen vorenthalten?
16. Wie vielen Anträgen würde stattgegeben, wie viele wurden abgelehnt?
17. Wie lange dauerte es durchschnittlich von der Einreichung des Antrages bis zur Verleihung der Medaille bzw. zur Überweisung des Betrages? Bitte um Angabe des Verfahrensstandes im Fall des Wehrmachtsdeserteurs Richard Wadani.
18. Gab es eine Toleranzfrist für nicht zeitgerecht eingebrachte Anträge?
19. Welche triftigen Gründe lassen sich anführen, die eine verspätete Einreichung recht- fertigen?
20. Ist es nach wie vor möglich, Anträge einzubringen?
21. Aus Sicht der NS-Opfer wäre es wünschenswert, würde das Bundesministerium die Betroffenen direkt und unmittelbar über die Möglichkeit zur Verleihung der Be- freiungsmedaille und ähnlicher Ehrengaben informieren. Werden Sie dafür Sorge tragen, die augenblickliche Praxis opferfreundlicher zu gestalten?
Pensionsversicherung
22. Wann genau wurde die PVA über die Veränderungen, die sich aus der 65. ASVG- Novelle ergeben, informiert?
23. Wie wurden die zuständigen PVA-Sachbearbeiterlnnen über die Änderung des ASVG und dessen Auswirkungen informiert?
24. Werden die von der ASVG-Novelle betroffenen Pensionen automatisch neu berechnet? Wenn nein, warum nicht?
25. Wird ein durch die Neuberechnung erhöhter Bezugsanspruch rückwirkend auf bereits erhaltene Pensionszahlungen nachbezahlt?
26. Gab es seitens des Ministeriums die Anweisung einer Erhebung aller von der ASVG- Änderung betroffenen Personen an die nachgeordneten Abteilungen? Wenn nein, warum nicht?
27. Wie viele Anträge auf eine Neuberechnung der Pensionszeiten sind seit der ASVG- Änderung 2005 bei der PVA eingegangen?
28. Wie hoch wird der finanzielle Mehraufwand im Bereich der Pensionszahlungen geschätzt?
29. Durch eine Zusammenarbeit von PVA und der für die Opferfürsorge zuständigen Landesbehörden könnte es zu Vereinfachungen für die AntragstellerInnen kommen. Werden Sie für eine solche Zusammenarbeit Sorge tragen, und wie könnte sich die Zusammenarbeit konkret gestalten?
30. Werden Sie dafür Sorge tragen, dass die Anspruchsberechtigten im Sinne der ASVG- Änderung umfassend informiert werden? Wenn ja, wie und bis wann soll dies genau geschehen?
31. Werden Sie dafür Sorge tragen, dass die mit der Vollziehung der Gesetze unmittelbar betrauten SachbearbeiterInnen umfassend informiert werden? Wenn ja, wie und bis wann soll dies genau geschehen?