904/J XXIII. GP
Eingelangt am 05.06.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der
Abgeordneten Dipl.-Ing. Karlheinz Klement
und
weiterer Abgeordneter
an den Herrn Bundeskanzler
betreffend Nichtumsetzung des
„Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler
Minderheiten“ in innerstaatliches
Recht
Die
Bundesregierung hat das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler
Minderheiten im
Jahre 1995 unterzeichnet. Die Genehmigung
durch den Nationalrat wurde erst einige Jahre
später beantragt. 1998 hat der
Nationalrat das Rahmenübereinkommen genehmigt und
bestimmt, daß dieses durch die
Erlassung von Gesetzen zu erfüllen ist (BGBl. III Nr.
120/1998).
Seither sind neun Jahre vergangen, ohne daß eine Umsetzung dieses
Staatsvertrags
in
innerstaatliches Recht erfolgt wäre.
Die durch das Rahmenübereinkommen garantierten Rechte und Freiheiten
für
Minderheitsangehörige
wurden in Österreich nie ernst genommen, nicht umgesetzt und damit
den Betroffenen vertragswidrig vorenthalten, wie die beiden folgenden Beispiele
beweisen:
•
Das im Art. 3 in Verbindung mit Art. 1 des Rahmenübereinkommens
garantierte
Minderheiten-
und Menschenrecht lautet: „Jede
Person, die einer nationalen
Minderheit angehört, hat das
Recht, frei zu entscheiden, ob sie als solche
behandelt
werden möchte oder
nicht“. Art.
3 wurde bis heute
nicht in
innerstaatliches
Recht umgesetzt, ist in
Österreich nicht einklagbar und wird
Minderheitenangehörigen
vorenthalten. Minderheitsangehörigen ist es in Österreich
unter Mißachtung dieser
Vertragsbestimmung verwehrt, ihre Zugehörigkeit oder
Nichtzugehörigkeit zu einer
nationalen Minderheit selbst, frei und demokratisch zu
bestimmen. Auf Grund einiger
differenter Umgangssprachen (Windisch, Slowenisch.
Deutsch und Slowenisch) werden solche
Personen von Staats wegen einmal dem
Mehrheits- oder dem Minderheitsvolk
zwangszugeordnet. (Venice Commission des
Europarats: „Die Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit
hängt von der freien
Entscheidung des Individuums
ab“).
•
Die „Deklaration“ zum Rahmenübereinkommen ist seit
Vertragsabschluß totes Recht.
Sie
hat folgenden Wortlaut: „Die Republik Österreich erklärt,
daß unter dem
Begriff „nationale Minderheiten“....... Gruppen österreichischer Staatsbürger mit
nichtdeutscher
Muttersprache und eigenem
Volkstum zu verstehen sind"
(gleichlautend mit der Legaldefinition
§ 1 Abs. 2
Volksgruppengesetz, BGBl.
396/1976).
Bei Volkszählungen wird in Österreich statt der Erhebung von
Muttersprache und
Volkstum (z.B. Volkstums-Zugehörigkeitserklärung wie in
Südtirol) bewußt Falsches
abgefragt.
Nämlich die Umgangssprache, die für die Zuordnung von Personen zu
einer
Minderheit irrelevant, Vertrags- und
gesetzwidrig ist und im Zuge des Monitorings
durch den Europarat mehrfach
beanstandet wurde (Berichte
ACFC/INF/OP/I(2002)009 und Res. CMN
(2004)1).
Besessen von der Furcht, das Volk könne eine
demokratische Entscheidung gegen ihre
nationalen und
politischen Interessen treffen, verhindert eine „Allianz von
Antidemokraten“
die Umsetzung des Rahmenübereinkommens
und die Einräumung von demokratischen
Rechten und Freiheiten für Minderheitsangehörige. Zu ihnen
zählen Nationalisten, die den
Minderheitenkonflikt in Kärnten
jahrzehntelang schürten sowie hochrangige Wiener
Bundespolitiker aus den Bereichen Gesetzgebung
und Vollziehung, die anscheinend die
Achtung vor Menschenrechten und
Demokratie verloren haben und eine Minderheitenlösung
gegen Art. 18 Abs. 1 B-VG durchsetzen wollen.
In diesem Zusammenhang sei festgehalten, daß das
Rahmenübereinkommen ein
rechtsverbindlicher
multilateraler Vertrag ist, der dem Schutz nationaler Minderheiten dient,
der
Minderheitsangehörigen Rechte und Freiheiten einräumt und der
Österreich verpflichtet,
diese Minderheitenrechte innerstaatlich sicherzustellen und zu gewährleisten.
Die unterfertigten Abgeordneten richten daher an den Bundeskanzler nachstehende
Anfrage:
1. Sind Sie der Ansicht, daß
Art. 3 sowie die „Deklaration“ des Rahmenübereinkommens
zum Schutz nationaler
Minderheiten bindendes Recht darstellen, welche durch
innerstaatliche Gesetze umzusetzen sind?
2.
Entspricht es Ihrer Amtsauffassung, daß Minderheitsangehörigen
das Menschenrecht
auf
Eigenidentifikation und individuelle Feststellung des Status ihrer
Zugehörigkeit
oder
Nichtzugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit weiterhin vorenthalten
werden
soll (Art. 3. pact. cit.)?
3.
Wurden Sie informiert, daß der Europarat (Advisory Committee)
anstelle der in
Österreich
erhobenen Umgangssprachenzahlen seit Jahren die Vorlage fehlender
genauer Zahlen
über nationale Minderheiten, unter Zugrundelegung der Muttersprache
und des eigenen Volkstums, verlangt?
4.
Werden Sie die manipulierten Zahlen der Umgangssprachenerhebung
weiterhin als
Grundlage
für die Feststellung der Zahl und des Siedlungsgebietes der nationalen
Minderheiten
sowie für die Zuerkennung kollektiver Minderheitenrechte verwenden,
ungeachtet
des Rahmenübereinkommens, das eine Erhebung nach den Kriterien von
Muttersprache
und Volkstum vorsieht?
5.
Sind Sie der Ansicht ihres Amts Vorgängers, „nationale
Minderheiten“ ausschließlich
auf
die „Umgangssprache" zu reduzieren, wobei Volkstum, Kultur, das
individuelle
Zugehörigkeitsgefühl,
soziale und politische Aspekte, die Geschichte, Sitten und
Gebräuche,
Milieu und
Religion außer
Betracht zu
bleiben haben?
6.
Werden Sie eine vertragskonforme Erhebung der slowenischen Minderheit in
Kärnten
nach
Muttersprache und Volkstumszugehörigkeit durchführen lassen, um so die
Grundlage
für eine Lösung des
Ortstafelproblems mit demokratischen und
rechtsstaatlichen
Mitteln im Sinne des Art. 18 Abs.
1 B-VG und der VfGH-
Erkenntnisse
zu finden?
7.
Werden Sie zustimmen, dass das Kärntner Ortstafelproblem unter
Aushebelung der
Ortstafelerkenntnisse
des VfGH sowie
des höchstrichterlich festgelegten
Minderheitenprozentsatzes
ohne vorherige Erhebung der genauen Zahl und des
Siedlungsgebiets der slowenischen Minderheit durch ein Verfassungsgesetz
gelöst
wird
lösen?
8.
Werden Sie sich
dafür einsetzen, daß
Minderheitsangehörige künftig ihre
Volksgruppenvertreter
selbst, frei und demokratisch wählen können und diese nicht
mehr
durch die Bundesregierung aus Kreisen privater Vereinsfunktionäre von
Staats
wegen ernannt werden?
9.
Werden Sie die Umsetzung des Rahmenübereinkommens zum Schutz
nationaler
Minderheiten in
innerstaatliches Recht durch die Einbringung einer Regierungsvorlage
veranlassen?