947/J XXIII. GP
Eingelangt am 06.06.2007
Dieser Text ist elektronisch textinterpretiert. Abweichungen vom Original sind
möglich.
Anfrage
der Abgeordneten Dr. Jarolim
und GenossInnen
an die Bundesministerin für Justiz
betreffend die bessere Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität in Österreich, insbesondere
des Anlagebetruges und die Verbesserung des Anlegerschutzes
Nach ernsthaften
Einschätzungen wird Österreich in der Europäischen Union im
Zusammenhang mit der Bekämpfung von
Wirtschaftskriminalität „ein bisschen als
Nachzügler wahrgenommen " (siehe Nr. 500 APA WI vom 24.05.2007
und das dort
wiedergegebene Pressegespräch von Helmut Maukner, Managing Partner
des
Beratungsunternehmens Ernst & Young).
Weiters
heißt es dort: „Im Zuge der jüngsten Wirtschaftskriminalfälle
rund um die BAWAG,
die
Kärntner Hypo oder AMIS sei aber bereits ein Bewusstseinswandel zu
erkennen. Auch
durch die Internationalisierung würden Eindrücke aus dem Ausland
einfließen. Österreich
schließe sich aber erst mit zeitlicher Verzögerung der
internationalen Entwicklung bei der
Kriminalitätsbekämpfung an.
Maukner kritisierte, dass der österreichische Gesetzgeber mit
Maßnahmen gegen die Wirtschaftskriminalität im
europäischen Umfeld erst nachzieht. So
gebe es etwa immer noch keine eigene Enforcement-Behörde, die die gesamte
Finanzberichterstattung von börsennotierten Unternehmen
überprüft und gegebenenfalls
auch Mängel ahndet. Eine solche Stelle
gebe es bereits in Deutschland, Frankreich, Italien,
Spanien, Großbritannien
Den Unterzeichnern dieser Anfrage
ist die geeignete Bekämpfung von
Wirtschaftskriminalität, insbesondere
auch des Anlagebetruges ein wichtiges Anliegen. Aus
konsumentenpolitischen Gründen ist der Anlegerschutz wichtig. Zur
Verbesserung dieses
Schutzes sind auch legistische
Maßnahmen zu prüfen.
So klagen in
einer Reihe von Anleger-Schadensfällen die Betroffenen über
unzumutbar lange
Verfahrensdauern. In
Strafverfahren werden häufig keine ausreichenden Grundlagen zur
Feststellung des Schadens geschaffen. Eine
Entschädigung ist oft selbst nach Abhaltung eines
Strafverfahrens nicht gewährleistet.
Drei beispielhafte Fälle seien angeführt:
Imperial
In dieser Sache versuchen dem
Vernehmen nach die Anleger seit ca. fünf Jahren ihre stark
wertgeminderten Anteilsscheine,
Gewinnscheine und stillen Beteiligungen zu verwerten. Sie
finden dazu aber keine Möglichkeit, da Käufer fehlen und eine
Abschichtung an den seit
Jahren nicht geprüften Bilanzen scheitert. Die betrogenen Anleger
würden demnach bereits
seit dem Jahr 2001 unter Hinweis auf das
laufende Strafverfahren betreffend die Abrechnung
ihrer Auseinandersetzungsguthaben vertröstet.
Contrin
In Nr. 642
APA WI vom 27. November 2003 ist dazu u.a. zu lesen: „Die
Contrin-Gruppe ....
sammelte in Österreich
bis 1996 diese Anlegergelder, mit denen Schiffscontainer gekauft
wurden, die von der Cronos Crew weltweit
vermietet wurden. Die „Drehscheibe" der
Contrin-Gruppe, die
Contrin-Transporte Leasing GmbH, musste 1996 Konkurs anmelden. In
den 1980er und 1990er Jahren hatten rund 1300 Kleinanleger Container
finanziert, deren
Mieterlöse Renditen hätten
erwirtschaften sollen. Anfangs war das Modell aufgrund
steuerlicher Anreize sehr attraktiv gewesen. 1996 flog der Betrug mit
dem knapp 45 Mio.
Euro Anlegergeldern auf. Im Oktober 2002 wurden die Manager der Contrin-Gruppe
zu
drakonischen Freiheitsstrafen
verurteilt."
Im selben APA-Bericht ist zu
lesen, dass der Verein für Contrin-Anleger einen
außergerichtlichen Vergleich
erwirkte, mehr als vier Millionen Euro rückerstattet werden und
die Kleinanleger nach acht Jahren entschädigt werden.
„Die geschädigten
Kleinanleger sollen innerhalb der nächsten drei Jahre damit einen
weiteren Teil ihrer Veranlagung zurückerstattet bekommen, so der Verein
für Contrin-
Anleger. In der Vergangenheit hatte es
bereits diverse Vergleiche gegeben, wodurch den
Kleinanlegern bereits Teile ihrer Veranlagung ausbezahlt wurden. "
Amis
Eine Problematik beim
diesbezüglichen Fall liegt möglicherweise in den rechtlichen
Grundlagen und zwar insofern, als es Aufgabe des Strafverfahrens ist, den
Sachverhalt im
wesentlichen soweit aufzuklären, als es für die Beantwortung der
Frage nach dem Vorliegen
von Straftaten, allfälligen Tätern und gegebenenfalls des
Strafausmaßes erforderlich ist. Eine
wesentliche gesetzliche Bestimmung in
diesem Zusammenhang ist § 366 Abs. 2 StPO, welche
lautet: „Wird der Beschuldigte verurteilt, so hat in der Regel
der Gerichtshof zugleich über
die privatrechtlichen Ansprüche des Geschädigten zu entscheiden. Nur
wenn die Ergebnisse
des Strafverfahrens weder an sich noch nach Durchführung einfacher
zusätzlicher
Erhebungen ausreicht, um aufgrund ihrer über die Ersatzansprüche
verlässlich urteilen zu
können, ist der Privatbeteiligte auf den Zivilrechtsweg zu verweisen.
"
Die Problematik im vorliegenden Fall ist
demnach für die Anleger die, dass es nicht Zweck
des Strafverfahrens ist, die Ansprüche der Anleger und deren Schäden
festzustellen.
Weiters ist es im vorliegenden Fall dem
Vernehmen nach so, dass die Zivilgerichte wegen des
anhängigen Strafverfahrens die Prüfungsprozesse unterbrechen und
teilweise Verhandlungen
nicht ausschreiben, weil die Aufhebung des Konkursverfahrens erwartet
wird. Die
Anlegerentschädigung nach § 23b WAG (Wertpapieraufsichtsgesetz) sei
finanziell nicht in
der Lage, allen Anlegern eine Entschädigungszahlung zu leisten.
Die
unterzeichneten Abgeordneten, die festhalten wollen, dass die
österreichische Justiz alles
in allem auch im gegebenen Zusammenhang sehr gut arbeitet, stellen an die
Bundesministerin
für Justiz
nachstehende
Anfrage
1. Welche legistischen und
organisatorischen Maßnahmen scheinen möglich, um den
Schutz von Anlegern zu verbessern bzw.
gegebenenfalls Entschädigungen innerhalb
von vertretbaren Zeiträumen sicherzustellen?
2.
Sehen Sie eine
vertretbare Möglichkeit, dass die Strukturen, Verfahrensvorschriften
bzw. -praktiken so geändert werden, dass in Anlegerfällen
Sachverhaltsdarstellungen
derart getroffen werden, dass den Anlegern die zivilrechtliche Geltendmachung
der
Schäden ohne ungebührliches Kostenrisiko und lange andauernde, an das
Strafverfahren anschließende
Zivilverfahren ermöglicht wird - beispielsweise durch
die Einholung von
Sachverständigengutachten, die auf diese Feststellungen abzielen?
3.
Sehen Sie eine
vertretbare Möglichkeit, dass Strukturen, Verfahrensvorschriften bzw.
-praktiken so geändert werden, dass
eine rasche Feststellung der Schäden in Bezug auf
Ansprüche zur Anlegerentschädigung auch in masselosen
Konkursen erfolgen kann?
4.
Gibt es Erfahrungen darüber, dass die Unterbrechung des Verfahrens
nach § 191 ZPO
für
geschädigte Anleger in unfairer Weise angewandt wird?
5.
Ist im Zusammenhang mit dem Anlageskandal „Contrin" die strafgerichtliche
Seite
bereits abgeschlossen
oder ist noch mit weiteren Anklagen zu rechnen?