Vorblatt

Problem:

In der Vergangenheit wurde immer wieder, zuletzt in der Arbeitsgruppe „Neugestaltung der Pflegevorsorge“ beim BMSK, die Forderung nach Verbesserungen für schwerst behinderte Kinder und Jugendliche sowie für pflegebedürftige demenziell erkrankte Personen insb. im Bereich des Bundespflegegeldgesetzes und der Landespflegegeldgesetze sowie der jeweiligen Einstufungsverordnungen laut. Eine gesetzliche Grundlage für eine solche Verbesserung soll mit einer Novelle zum Bundespflegegeldgesetz geschaffen werden, wobei die nähere inhaltliche Ausgestaltung dem Verordnungsgeber gemäß § 4 Abs. 7 BPGG vorbehalten bleibt.

Ziel:

-       Umsetzung von paktierten Zielen des aktuellen Regierungsprogramms

-       Verbesserung der Pflegegeldeinstufung für schwerst behinderte Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 15. Lebensjahr und für schwer geistig oder schwer psychisch behinderte, insb. demenziell erkrankte Personen ab dem vollendeten 15. Lebensjahr

Inhalt:

Der gegenständliche Verordnungsentwurf enthält folgende Änderungsvorschläge:

-       Verankerung von Pauschalwerten zur pauschalierten Berücksichtigung der pflegeerschwerenden Faktoren der gesamten Pflegesituation von schwerst behinderten Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten 7. bzw. 15. Lebensjahr und von schwer geistig oder schwer psychisch behinderten, insb. demenziell erkrankten Personen ab dem vollendeten 15. Lebensjahr

-       Anpassung der berücksichtigbaren Zeitwerte des § 2 EinstV für Mobilitätshilfe im weiteren Sinn bei Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten 15. Lebensjahr in Entsprechung der diesbezüglichen Judikatur des Obersten Gerichtshofes

-       redaktionelle Anpassungen

Alternativen:

Keine

Auswirkungen des Regelungsvorhabens:

- Finanzielle Auswirkungen:

Auf die Finanziellen Erläuterungen zur Novelle zum Bundespflegegeldgesetz wird verwiesen.

- Wirtschaftspolitische Auswirkungen:

-- Auswirkungen auf die Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort Österreich:

Keine

-- Auswirkungen auf die Verwaltungslasten für Unternehmen:

Keine

- Auswirkungen in umweltpolitischer, konsumentenschutzpolitischer sowie sozialer Hinsicht:

In sozialer Hinsicht soll der gegenständliche Verordnungsentwurf eine generelle Verbesserung der Situation pflegebedürftiger Menschen, insb. aber eine der Lebensrealität besser entsprechende Pflegegeldeinstufung schwerst behinderter Kinder und Jugendlicher bis zum vollendeten 15. Lebensjahr sowie schwer geistig oder schwer psychisch behinderter, insbesondere demenziell erkrankter Personen bewirken.

- Geschlechtsspezifische Auswirkungen:

Keine

Verhältnis zu den Rechtsvorschriften der Europäischen Union:

Die vorgeschlagenen Regelungen stehen in Einklang mit den Rechtsvorschriften der Europäischen Union.

Besonderheiten des Normerzeugungsverfahrens:

Keine


Erläuterungen

Allgemeiner Teil

Hauptgesichtspunkte des Entwurfes:

Das Bundespflegegeldgesetz (BPGG), BGBl. Nr. 110/1993, soll mit einer derzeit in Begutachtung befindlichen Novelle geändert werden, die mit 1. Jänner 2009 in Kraft treten soll. Diese beabsichtigte Novellierung er­fordert auch entsprechende Änderungen der Einstufungsverordnung zum BPGG, BGBl. II Nr. 37/1999.

Vor diesem Hintergrund sollen mit dem gegenständlichen Vorschlag zur Änderung der Einstufungsverordnung zum BPGG folgende Maßnahmen gesetzt werden:

-       die Verankerung von Pauschalwerten (Erschwerniszuschläge) zur pauschalierten Berücksichtigung der pflegeerschwerenden Faktoren der gesamten Pflegesituation von schwerst behinderten Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten 7. bzw. bis zum vollendeten 15. Lebensjahr und von schwer geistig oder schwer psychisch behinderten, insb. demenziell erkrankten Personen ab dem vollendeten 15. Lebensjahr;

-       die Anpassung der berücksichtigbaren Zeitwerte des § 2 EinstV für Mobilitätshilfe im weiteren Sinn bei Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten 15. Lebensjahr in Entsprechung der diesbezüglichen Judikatur des Obersten Gerichtshofes;

-       redaktionelle Anpassungen.

Es ist auch beabsichtigt, die gegenständliche Änderung der Einstufungsverordnung zum BPGG gemäß § 4 Abs. 7 des Bundespflegegeldgesetzes in der Fassung des derzeit in Begutachtung befindlichen Gesetzesentwurfes im Bundesbehindertenbeirat (§ 8 des Bundesbehindertengesetzes, BGBl. Nr. 283/1990) zu behandeln.

Finanzielle Erläuterungen:

Auf die Finanziellen Erläuterungen zur Novelle zum Bundespflegegeldgesetz wird verwiesen.

Besonderer Teil

Zu den einzelnen Bestimmungen ist Folgendes zu bemerken:

Zu Z 1 (§ 1 Abs. 5):

Mit § 4 Abs. 3 und 4 des Bundespflegegeldgesetzes in der Fassung des derzeit in Begutachtung befindlichen Novellenentwurfes soll eine gesetzliche Grundlage dafür geschaffen werden, in Form einer neuen Betreuungsmaßnahme als Pauschalwert (Erschwerniszuschlag) den erweiterten Pflegebedarf schwerst behinderter Kinder und Jugendlicher bis zum vollendeten 7. bzw. bis zum vollendeten 15. Lebensjahr zu erfassen und den Mehraufwand für die pflegeerschwerenden Faktoren für die gesamte Pflegesituation pauschal abgelten zu können.

Unter Schwerstbehinderung im Sinn des § 4 Abs. 3 Bundespflegegeldgesetz versteht man, dass mindestens zwei von einander unabhängige schwere Funktionseinschränkungen vorliegen (Abs. 4), die in ihrem Zusammenwirken die Pflegesituation gesamtheitlich betrachtet erheblich erschweren. Diesem Mehraufwand der Pflege soll durch die vorgeschlagene neue zusätzliche Betreuungsmaßnahme Rechnung getragen werden.

Bei dieser Gruppe an pflegebedürftigen Kindern und Jugendlichen, die einen zusätzlichen überproportionalen Pflegebedarf hat, liegt in der Regel neben sonstigen schweren Defiziten eine beträchtliche Verhaltensstörung vor. Diese kann sich durch massiven Antriebsverlust, massive Rückzugstendenz oder durch aggressives Verhalten, Getriebensein, Kontrollverlust und hohes Potential an Eigen- und Fremdgefährdung äußern.

Bei Kindern bis zum vollendeten 7. Lebensjahr haben die beschriebenen pflegeerschwerenden schweren Funktionseinschränkungen auf Grund der körperlichen Entwicklung – Größe, Gewicht und Kraft – generell weniger Auswirkung, weshalb eine altersmäßige Abstufung des berücksichtigbaren Erschwerniszuschlages zunächst für die Gruppe schwerst behinderter Kinder bis zum vollendeten 7. Lebensjahr und dann für die Gruppe schwerst behinderter Kinder und Jugendlicher vom vollendeten 7. bis zum vollendeten 15. Lebensjahr als gesonderte Pauschalwerte vorgesehen werden soll.

Nach dem vorgeschlagenen § 1 Abs. 5 soll sohin bei der Festsetzung des Pflegebedarfes gemäß § 1 Abs. 1 bis 4 für schwerst behinderte Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 7. Lebensjahr ein Erschwerniszuschlag im Ausmaß von 50 Stunden und ab dem vollendeten 7. Lebensjahr bis zum vollendeten 15. Lebensjahr im Ausmaß von 75 Stunden als fixer Zeitwert bezogen auf einen Monat zu berücksichtigen sein.

Da es sich hierbei um eine völlig neue Betreuungsmaßnahme handelt, die jene Bedarfsbereiche in Form eines pauschalierten Erschwerniszuschlages erfassen soll, die bislang noch nicht entsprechend berücksichtigbar waren, sollen zur leichteren Administrierbarkeit Fixwerte zur Anwendung kommen, die weder über- noch unterschritten werden können; gerade aber, weil es sich hier um eine völlig neue Betreuungsmaßnahme handelt, die lediglich die pflegeerschwerenden Faktoren zusätzlich zu den herkömmlichen Einstufungskriterien erfassen soll, bleibt die gleichzeitige Berücksichtigung der übrigen Betreuungsbedarfskriterien einschließlich der systemimmanenten Überschreitungsmöglichkeiten unverändert aufrecht.

Zu Z 1 (§ 1 Abs. 6):

Mit § 4 Abs. 5 und 6 Bundespflegegeldgesetz in der Fassung des derzeit in Begutachtung befindlichen Novellierungsentwurfes soll eine gesetzliche Grundlage dafür geschaffen werden, dass auch bei der Beurteilung des Pflegebedarfes von pflegebedürftigen Personen ab dem vollendeten 15. Lebensjahr mit einer schweren geistigen oder schweren psychischen Behinderung, insbesondere einer demenziellen Erkrankung, auf die besondere Intensität der Pflege in diesen Fällen Bedacht genommen werden kann; um dem erweiterten Pflegebedarf von pflegebedürftigen Personen mit einer schweren geistigen oder schweren psychischen Behinderung, insbesondere einer demenziellen Erkrankung, entsprechend zu erfassen, soll zusätzlich jeweils ein Pauschalwert hinzugerechnet werden, der den Mehraufwand für die aus der schweren geistigen oder schweren psychischen Behinderung, insbesondere einer demenziellen Erkrankung, erfließenden pflegeerschwerenden Faktoren der gesamten Pflegesituation pauschal abgelten soll (Erschwerniszuschlag).

Dieser Erschwerniszuschlag soll mit dem vorgeschlagenen § 1 Abs. 6 mit einem Pauschalwert im Ausmaß von 30 Stunden monatlich festgelegt werden.

Da es sich hierbei um eine völlig neue Betreuungsmaßnahme handelt, die jene Bedarfsbereiche in Form eines pauschalierten Erschwerniszuschlages erfassen soll, die bislang noch nicht entsprechend berücksichtigbar waren, soll zur leichteren Administrierbarkeit ein Fixwert zur Anwendung kommen, der weder über- noch unterschritten werden kann; gerade aber, weil es sich hier um eine völlig neue Betreuungsmaßnahme handelt, die lediglich die pflegeerschwerenden Faktoren zusätzlich zu den herkömmlichen Einstufungskriterien erfassen soll, bleibt die gleichzeitige Berücksichtigung der übrigen Betreuungsbedarfskriterien einschließlich der systemimmanenten Überschreitungsmöglichkeiten unverändert aufrecht.

Zu Z 2 (§ 2 Abs. 4):

In den Entscheidungen 10 ObS 68/05f vom 18. Oktober 2005 und 10 ObS 10/08f vom 5. Februar 2008 führte der Oberste Gerichtshof zur Anwendbarkeit der Fixwerte des § 2 Abs. 3 der Einstufungsverordnung zum BPGG wie folgt aus:

Beim Zeitaufwand für die in § 2 der EinstV verankerten Hilfsverrichtungen ist bei Kindern und Jugendlichen nur jenes Ausmaß zu berücksichtigen, das über das erforderliche Ausmaß bei gleichaltrigen nicht behinderten Kindern und Jugendlichen hinausgeht. Eine Gleichheitswidrigkeit liegt nicht vor, da es sich hier um eine sachlich gerechtfertigte Differenzierung handelt.

Somit sind die Pauschalwerte des § 2 Abs. 3 EinstV für Kinder und Jugendliche nicht verbindlich.

Zu beachten ist allerdings die gesetzlich normierte Schranke, wonach der gesamte Zeitaufwand für alle Hilfsverrichtungen mit höchstens 50 Stunden pro Monat zu berücksichtigen ist.

In der Entscheidung 10 ObS 10/08f führte der OGH darüber hinaus noch weiter aus:

Die bei Kindern erforderliche konkret-individuelle Prüfung des Pflegebedarfs auch für Hilfsverrichtungen hat nicht nur dann stattzufinden, wenn der Pflegebedarf für eine Hilfsverrichtung den dafür vorgesehenen fixen Zeitwert von zehn Stunden monatlich unterschreitet, sondern muss in gleicher Weise auch für den umgekehrten Fall gelten, dass der tatsächliche Pflegebedarf diesen Zeitwert überschreitet.

Es ist mit dem Zweck des Pflegegelds (vgl § 1 WPGG), dem Pflegebedürftigen die Führung eines selbstbestimmten, bedürfnisorientierten Lebens zu ermöglichen, keinesfalls vereinbar, ein schwerstbehindertes Kleinkind, das behinderungsbedingt zu seiner Existenzsicherung Arzt- und Therapiebesuche wahrzunehmen hat, nach Übergabe in der Ordination bzw. Therapieeinrichtung seinem Schicksal zu überlassen. Daher sind bei der Ermittlung des zeitlichen Ausmaßes der Mobilitätshilfe im weiteren Sinn auch die mit den Behandlungen und Therapien regelmäßig verbundenen kurzfristigen Wartezeiten sowie die Behandlungs- und Therapiezeiten zu berücksichtigen.

Hierzu wird angemerkt, dass es sich hierbei lediglich um die Berücksichtigung von Zeiten einer Begleitung außer Haus sowie der damit verbundenen notwendigen Wartezeiten handelt, nicht jedoch um die Berücksichtigung von Zeiten der Durchführung einer Therapie an sich, weshalb hier von der systemkonformen bisherigen Judikaturlinie des Obersten Gerichtshofes auch nicht abgewichen wurde.

In seiner Entscheidung 10 ObS 142/04m vom 23.11.2004 meinte der OGH ferner, dass, da ein behindertes Kind krankheits- oder therapiebedingt viel häufiger zu Untersuchungen, Behandlungen, Therapien und ärztlichen Kontrollen gebracht werden muss als ein nicht behindertes Kind, insoweit ein pflegebedingter Mehraufwand besteht. In der Entscheidung 10 ObS 10/08f führte er zur Mobilitätshilfe im weiteren Sinn darüber hinaus wie folgt aus: Mobilitätshilfe im weiteren Sinn wird daher immer dann benötigt werden, wenn der Pflegebedürftige die Verrichtungen außer Haus nur in Begleitung der Pflegeperson erledigen kann. Nach § 14 Abs. 1 der Richtlinien des Hauptverbands für die einheitliche Anwendung des Bundespflegegeldgesetzes 2005 umfasst die Mobilitätshilfe im weiteren Sinn Hilfeleistungen außerhalb des Wohnbereichs bei allen Abläufen, die zur Führung eines menschenwürdigen Lebens erforderlich sind. Sie umfasst insbesondere die Begleitung zum Arzt, zur Therapie, zu Behörden oder Banken sowie zu kulturellen Veranstaltungen. Bei der Auslegung des Begriffs „Mobilitätshilfe im weiteren Sinn“ ist daher ein eher großzügiges Verständnis geboten.

Vor diesem Hintergrund soll nun mit dem vorgeschlagenen § 2 Abs. 4 in Entsprechung dieser Judikatur aus Gründen der Rechtssicherheit und Nachvollziehbarkeit für die Rechtsunterworfenen klargestellt werden, dass bei Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten 15. Lebensjahr ein Zeitwert für Mobilitätshilfe im weiteren Sinn im Ausmaß von bis zu 50 Stunden berücksichtigt werden kann.

Zu Z 3 (§ 9 Abs. 3):

Die vorgeschlagenen Änderungen in der Einstufungsverordnung zum Bundespflegegeldgesetz sollen in Akkordanz zur diesbezüglichen Novelle zum Bundespflegegeldgesetz mit BGBl. I Nr. XXX/2008 zeitgleich mit 1. Jänner 2009 in Kraft treten.